In der Diskussion um den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 und zum geplanten Betriebsende von Öl- und Gasbrennern, die älter als 30 Jahre sind, meldet sich nun die Architektenschaft zu Wort. Für den Präsidenten der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, ist das Ziel der Gesetzesinitiative richtig und überfällig. „Wir müssen aber bei den vielfältigen Bemühungen, den baulichen Klimaschutz voranzubringen, die praktische Umsetzung und die tatsächliche Klimawirkung im Blick behalten. Die Auflage, dass ab 2024 der Wärmebedarf für Heizung und Brauchwasser zu 65 % aus erneuerbaren Quellen stammen muss, führt in vielen Fällen de facto zu einer Wärmepumpenpflicht, nicht zu einer Klimaschutzpflicht.“

Abgesehen von der Frage, ob so kurzfristig ausreichend Heiztechnik aus erneuerbaren Energien wie Wärmepumpen sowie die notwendigen Fachkräfte für den Einbau zur Verfügung stehen, weist die Architektenkammer NRW auf bautechnische Herausforderungen hin. So können Wärmepumpen nur bei Bauwerken mit guter bis sehr guter Energieeffizienz eine ausreichende Heizwärme produzieren. „Die ggf. notwendigen effizienzsteigernden Sanierungsmaßnahmen an Bestandsgebäuden sind in technischer und biophysikalischer Hinsicht erheblich und führen zu weiteren Kosten und Zeitaufwand“, erläutert der Präsident der Architektenkammer NRW. So richtig das Ziel sei – es müsse in einem machbaren Zeithorizont eingebettet werden.

Uhing erinnert daran, dass auch eine Wärmepumpe nur dann klimafreundlich ist, wenn sie nicht mit Strom aus fossilen Energieträgern betrieben wird. In Ballungsräumen stehen aber nicht immer ausreichende Dachflächen für die Erzeugung von Eigenstrom und Solarthermie unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Auflagen zur Verfügung.

Die Notwendigkeit, das Bauen in Deutschland CO2-neutraler zu gestalten, sei unbestritten, betont der Präsident der größten deutschen Architektenkammer; immerhin verursache der Gebäudesektor rund ein Drittel der CO2-Emissionen. „Es müssen jetzt aber die richtigen Anreize gesetzt werden, damit in die Gebäude investiert wird – auch von privater Seite“, betont Ernst Uhing.

Vier Fragen an den Präsidenten der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing:

Ist der Ersatz fossil betriebener Heizungsanlagen kurzfristig möglich?

Nein, der kurzfristige Ersatz scheitert bereits an fehlendem Fachpersonal und Lieferengpässen u.a. als Konsequenz unterbrochener Lieferketten in Folge des Ukraine-Krieges. Bereits heute gibt es in verschiedenen Regionen Wartezeiten von bis zu einem Jahr. Eine erhöhte Nachfrage wird die Preise vermutlich weiter nach oben treiben.

Des Weiteren bedarf der Einsatz der alternativen Systeme der Überprüfung der anwendbaren Technik (Luft-Wasser-, Sole-Wasser-, Wasser-Wasser-, Warmwasser- oder Großwärmepumpen). Diese sind zum Teil genehmigungspflichtig und unterliegen so auch den Verfahrenswegen der Genehmigungsbehörden.

Wie verhält es sich bei der Nachrüstung bestehender Gebäude bzw. bei Sanierungsvorhaben?

Bei Gebäudebeständen ist eine Überprüfung des Energiebedarfes notwendig. Denn nur ausreichend gut gedämmte Gebäude garantieren eine effiziente Nutzung, damit die Systeme wirtschaftlich arbeiten und die Kosten den Nutzen nicht überwiegen. Dadurch kann es zu langen, kostenintensiven Vorarbeiten für die Anpassung an den Wärmedämmstandard kommen. Nicht nur die Dämmwerte von Fenstern, Fassaden und Dächern müssen durch Austausch und Ergänzung angepasst werden, auch Heizflächen müssen u.U. ausgetauscht werden. Nur ausreichend große Flächen bringen einen effizienten Nutzen. Grundlage für alle Maßnahmen und auch Förderungen bildet ein Sanierungsfahrplan, der durch besonders qualifizierte Planerinnen und Planer erstellt wird.

Wo ist der Einsatz von Wärmepumpen technisch möglich – und wo nicht?

Der Einsatz erfordert neben den baulichen Kriterien zur effizienten Nutzung auch ein räumliches Kriterium. Je nach eingesetztem System werden Aufstellflächen für Ventilatorengehäuse benötigt oder ausreichende Flächen für notwendige Bohrungen. Für die Ventilatorengehäuse gibt es öffentlich-rechtliche Vorgaben wie einen Mindestabstand von drei Metern zur Nachbargrenze sowie Immissionsschutzvorschriften. Mit Runderlass vom 16.12.2022 ist der Mindestabstand von 3 m entfallen, aber „die Ausnahme von der Einhaltung des Mindestabstandes muss schriftlich bei der Bauaufsichtsbehörde beantragt werden, […]“. In verdichteten Gebieten fehlt es an der gebotenen Rücksichtnahme, sodass die Vorgaben des Immissionsschutzes kaum einzuhalten sind. Systeme, die auf unser Grundwasser zugreifen, werden in Wasserschutzgebieten der Zone 3 i. d. R. nicht zugelassen und entfallen somit als Alternative.

Grundlegend für den einwandfreien Betrieb der Anlagen ist auch ein stabiles Stromnetz. Dieses gerät auch durch Mehrbedarf von Ladestation für die E-Mobilität mancherorts an seine Grenzen.

Welches Vorgehen hält die Architektenkammer NRW für zielführend?

Wir müssen zwischen Sanierung und Neubau unterscheiden.

Neubauten müssen künftig CO2-neutral werden, sowohl in der Erstellung als auch im Betrieb – über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes betrachtet. Ersatzweise kann durch die Beteiligung am Zertifikatshandel ein Ausgleich erzielt werden. Teil des zu führenden Nachweises ist ein Gebäudelogbuch, aus dem die Baustoffqualitäten einschließlich aller Treibhausgasmengen, die ihre Erstellung verursacht, hervorgehen. Das Gebäudelogbuch dient zugleich als Materialkatalog für alle verbauten Rohstoffe, sodass eine spätere Wiederverwendung sichergestellt werden kann. Wir sprechen hier vom „Urban Mining“.

Für die Sanierung muss gelten, dass nicht die besonders ineffizienten Gebäude, sondern die besonders leicht zu sanierenden Gebäude als erstes überarbeitet werden sollten. Das schont die Finanzen und das Klima.

Natürlich kostet das alles Geld. CO2-neutrales Bauen ist teurer als klimaschädliches Bauen – sonst wäre echte Klimaneutralität im Gebäudesektor ja längst durch den Markt entschieden.

Jeder Bauherr und jede Bauherrin ist aber heute dazu verpflichtet, zum Schutz des Klimas beizutragen, um die dramatischen Folgen des Klimawandels einzudämmen bzw. zu vermeiden. Denn die langfristigen Kosten wären ungleich höher; sowohl für den einzelnen Bauherrn als auch für die Gesellschaft insgesamt.

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