Nach einem sehr konstruktiven Dialog ändert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre Praxis mit Blick auf den sogenannten Überbezug bei Bezugsrechtsemissionen bis zu acht Millionen Euro. Altaktionäre können damit allein auf der Grundlage eines Wertpapier-Informationsblatts zusätzlich zu ihren Bezugsrechten weitere Aktien aus der Kapitalerhöhung zeichnen (Überbezug); die Vermittlung durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter Einhaltung von Einzelanlageschwellen oder alternativ die Veröffentlichung eines Prospekts sind nicht erforderlich.  

Gemeinsam haben sich der Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V. (Kapitalmarkt KMU) und das Deutsche Aktieninstitut für diese Änderung eingesetzt. „Insbesondere für die KMUs ist diese Änderung der BaFin-Praxis von großer Bedeutung. Damit wird der Kapitalmarkt deutlich attraktiver für den Mittelstand. Das ist wirklich ein großer Fortschritt und wir sind der BaFin für den konstruktiven Austausch sehr dankbar“, freut sich Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbandes Kapitalmarkt KMU und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.

Prospektfreier Überbezug möglich

Das Wertpapierprospektgesetz ermöglicht prospektfreie öffentliche Angebote von Wertpapieren bis zu acht Millionen Euro. Sofern der Emittent nicht an einem geregelten Markt zugelassen ist, bedarf es hierfür der Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatts sowie grundsätzlich auch der Vermittlung durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Prüfung von Einzelanlageschwellen bei Kleinanlegern. Das Erfordernis der Vermittlung durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen entfällt nur bei Angeboten an Altaktionäre im Rahmen von Bezugsrechtsangeboten. Bei einer solchen Bezugsrechtsemission erhalten die Aktionäre der Gesellschaft das Recht, Aktien aus der Kapitalerhöhung zu zeichnen. Die Altaktionäre können damit ihren bisherigen Stimmrechtsanteil erhalten, ohne ihre Stimmrechte zu verwässern. Da nicht immer alle Altaktionäre ihr Bezugsrecht ausüben, zeichnen häufig andere Altaktionäre zusätzlich zu ihren Bezugsrechten weitere Aktien aus der Kapitalerhöhung. Dieser so genannte Überbezug erforderte gemäß der bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin einen Prospekt oder eine Vermittlung der Wertpapiere mittels Anlageberatung oder -vermittlung durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter Beachtung von Einzelanlageschwellen.

Diese Praxis wird nun geändert. Ab sofort ist die Bezugsrechtsemission mit Überbezug auch ohne Prüfung der Einzelanlageschwellen durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen prospektfrei möglich. Mittelständler, die von der Ausnahmevorschrift im Prospektrecht Gebrauch machen, können zukünftig deutlich einfacher Kapital einsammeln.

„Unser Kernziel ist es stets, den Kapitalmarkt, den Börsengang und die Börsennotiz in Deutschland attraktiver zu gestalten. Dazu gehört es auch, Hindernisse bei der Finanzierung über den Kapitalmarkt für Emittenten abzubauen. Mit dieser Änderung der Praxisregelung ist uns das in einem sehr relevanten Fall gelungen“, sagt Dr. Franz-Josef Leven, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts.

Die neue Praxis gilt ab sofort und wurde von der BaFin mittels Bekanntmachung veröffentlicht(https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Prospekte/Wertpapiere/Prospektpflicht/prospektpflicht_node.html;jsessionid=748D67AE2D8A783D54F0D432E6C0E67C.2_cid501, siehe „VII. WIB-Regime“).

Über den Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V.

Der Verband mit Sitz in Frankfurt am Main setzt sich seit 2017 insbesondere für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Kapitalmarktfinanzierung ein und tritt aktiv für die Belange des kapitalmarktorientierten Mittelstandes im Dialog mit der Politik, den Gesetzgebungsorganen, den Aufsichtsbehörden, den Institutionen des Kapitalmarkts, den Interessenverbänden und der Öffentlichkeit ein. Mitglieder sind KMU, Dienstleister, Finanzinstitute und Medien. Zum Vorstand gehören Ingo Wegerich (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft), Hans-Jürgen Friedrich (KFM Deutsche Mittelstand AG), Dr. Marc Feiler (Bayerische Börse AG), Holger Clemens Hinz (Quirin Privatbank AG), Christoph Weideneder (Small & Mid Cap Investmentbank AG), Martin Schmeißer (ICF Bank AG Wertpapierhandelsbank), Falko Bozicevic (BondGuide Media GmbH) sowie Dr. Mirko Sickinger (Heuking Kühn Lüer Wojtek).

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