Der VVS und die Verkehrsunternehmen in der Region Stuttgart können nach drei Jahren Pandemie wieder mit etwas mehr Optimismus in die Zukunft schauen. Dazu haben vor allem die Entwicklung der Fahrgastzahlen im zurückliegenden Jahr und die zuletzt wieder gestiegenen Abschlüsse von Aboverträgen beigetragen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 341 Millionen Fahrten mit den Bahnen und Bussen im VVS unternommen. Sorge bereiten allerdings die hohen Kostensteigerungen bei den Verkehrsunternehmen, vor allem bei den Energiekosten wie Dieselkraftstoff und Bahnstrom.

Beschleunigt wird der derzeitige Aufwärtstrend voraussichtlich durch das neue JugendTicketBW und vor allem auch durch das „revolutionäre“ Deutschland-Ticket. Junge Menschen fahren ab 1. März für 365 Euro im Jahr oder 1 Euro pro Tag im ganzen Land. Ab 1. Mai können alle anderen Fahrgäste für 49 Euro im Monat den Nahverkehr im VVS, im Land und in ganz Deutschland nutzen.

Während das erste Quartal 2022 noch stark von Einschränkungen durch die Corona-Pandemie geprägt war, sorgten die Lockerungen im zweiten Quartal und das Comeback von größeren Veranstaltungen für ein kräftiges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr. Von Juni bis August war das äußerst preisgünstige und bundesweit gültige 9-Euro-Ticket ein Absatzschlager. Diese Sondersituation sorgte dafür, dass die Fahrgastzahlen kräftig gewachsen sind und in diesen Monaten sogar wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht haben. Ab September setzte sich der Aufwärtstrend des Frühjahrs fort und sorgte für weiteren verhaltenen Optimismus. Große Sorgen bereiten dem VVS und allen anderen ÖPNV-Verantwortlichen aber die explodierenden Kosten im Nahverkehr. Die stark gestiegenen Energiepreise belasten die Verkehrsunternehmen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Die von der Bundesregierung eingeführte Strompreisebremse dürfte zu Entlastungen im Schienenverkehr führen.

Insgesamt sind 2022 rund 341 Millionen Fahrten im VVS unternommen worden. Das sind rund 80 Millionen Fahrten (+ 30,8 Prozent) mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zum letzten Jahr vor der Pandemie, dem Jahr 2019, sind das aber immer noch rund 13 Prozent weniger Fahrten.

Als im Juni auf Initiative des Bundes das 9-Euro-Ticket eingeführt wurde, sind die Fahrgastzahlen weit überdurchschnittlich gestiegen: „Das 9-Euro-Ticket hat den Aufwärtstrend stark beschleunigt. Im Sommer wurde dadurch sogar das Vor-Corona-Niveau erreicht. Im Herbst hat sich der Aufwärtstrend dann verstetigt. Die steigende Nachfrage hat bis Jahresende angehalten und geht auch jetzt weiter“, sagte VVS-Geschäftsführer Horst Stammler.

„Mit den explodierenden Energiekosten durch Pandemie und den Krieg in der Ukraine kam eine weitere Krise hinzu, die die Verkehrsunternehmen vor große finanzielle aber auch ressourcenmäßige Probleme, wie die Ersatzteilbeschaffung, stellt. Die Sicherung des bestehenden Verkehrsangebots und den Angebotsausbau durch eine Aufstockung der Regionalisierungsmittel des Bundes sehen der VVS und auch die gesamte ÖPNV-Branche derzeit als höchste Priorität. Ein Ausgleich der exorbitanten Kostensteigerungen allein durch die kommunalen Aufgabenträger ist nicht möglich“, sagt Geschäftsführerkollege Thomas Hachenberger.

Gelegenheitsverkehr legt zu

Durch die Aufhebung von Beschränkungen und das Comeback von Veranstaltungen sowie das 9-Euro-Ticket im Sommer haben die Fahrgastzahlen im Gelegenheitsverkehr im letzten Jahr um 42 Millionen Fahrten zugelegt. Das ist eine Steigerung um 116 Prozent gegenüber 2021. Sogar im Vergleich zu 2019 ist ein Zuwachs zu verzeichnen. Das Plus von 30 Prozent liegt aber vor allem daran, dass die 9-Euro-Ticket-Verkäufe statistisch überwiegend dem Bereich Gelegenheitsverkehr zugeordnet sind. Fahrgäste waren mit dem vom Bund subventionierten Ticket vor allem im Freizeitverkehr unterwegs, oft am Wochenende.

Berufsverkehr stagniert

Im Berufsverkehr ist die Zahl der Fahrten verglichen mit dem Vorjahr leicht gestiegen. Das Plus von rund 6 Millionen Fahrten entspricht einer Steigerung von 6,4 Prozent. Nimmt man 2019 als Basis, liegt der Rückgang bei immer noch knapp 29 Prozent. Der starke Rückgang hat auch statistische Gründe, da das 9-Euro-Ticket wie schon erwähnt dem Gelegenheitsverkehr zugerechnet wurde. Das bundesweit gültige Ticket hat dafür gesorgt, dass im Juni, Juli und August überhaupt keine klassischen Wochen- und Monatstickets verkauft wurden.

Aufwärtstendenz im Ausbildungsverkehr

Schulen und Universtäten waren 2022 – im Gegensatz zu den beiden Vorjahren – wieder durchgehend im Präsenzunterricht, sodass Studierende, Schüler und Schülerinnen sowie Auszubildende die Bahnen und Busse im VVS häufiger nutzten. Im Vergleich zu 2021 sind die Fahrgastzahlen im Ausbildungsverkehr um 22,6 Prozent gestiegen. Gegenüber 2019 liegen sie jedoch immer noch um gut 14 Prozent niedriger.

Fahrgeldeinnahmen leicht gestiegen – weiterhin Rettungsschirm dringend notwendig

Der VVS hat im letzten Jahr 372 Millionen Euro von den Fahrgästen eingenommen. Trotz höherer Fahrgastzahlen war dies ein Rückgang um gut 11 Millionen Euro, dieser Rückgang ist dem günstigen 9-Euro-Ticket zuzuschreiben. Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit dem bisherigen Rekordjahr 2019, sind die Einnahmen um rund 139 Millionen Euro oder um 27 Prozent zurückgegangen – und das bei deutlich gestiegenen Kosten. Dass das Angebot trotzdem aufrechterhalten werden konnte, war dem Rettungsschirm zu verdanken, den der Bund und die Länder auch im Jahr 2022 für die ÖPNV-Unternehmen aufgespannt hatten. Auch die Einnahmenrückgänge durch das 9-Euro-Ticket wurden vom Bund in voller Höhe übernommen.

Ausblick JugendTicketBW und Deutschland-Ticket

„Wenn am 1. März das JugendTicketBW an den Start geht, ist das eine gute Nachricht für alle jungen Fahrgäste“, sagt Horst Stammler. Für einen Euro am Tag können junge Menschen unter 27 Jahren dann im ganzen Land Bahnen und Busse nutzen, ohne auf Verbundgrenzen achten zu müssen. „Wir gehen davon aus, dass das neue Angebot mindestens 15 Prozent mehr junge Fahrgäste ins Abo lockt“, ergänzt Thomas Hachenberger. Junge Menschen sind im VVS mit einem Drittel die größte Fahrgastgruppe und sorgen für ein Viertel des Umsatzes. Hachenberger weist darauf hin, dass die Umstellung der bestehenden Abos für Schülerinnen, Schüler und Azubis in vollem Gang sei. Der Verkauf für Neukunden habe bereits begonnen. Die Studierenden bekommen noch ein Ticket für das Semester – „allerdings schon zum neuen Preis und mit landesweiter Gültigkeit“, so Hachenberger. Dabei werde der von den Studierenden bezahlte Solidarbeitrag im Preis berücksichtigt, so dass auch die „Studis“ nicht mehr als 365 Euro im Jahr bezahlen müssten.

Ab 1. Mai gilt dann das Deutschland-Ticket, das eine Zeitenwende im ÖPNV darstellt. „Fahrgäste müssen sich dann bundesweit im Nahverkehr keine Gedanken mehr über Zonengrenzen und Ticketarten machen. Das ist eine echte Revolution im Tarifsektor“, freut sich Horst Stammler. „49 Euro im Monat ist günstiger als alle anderen Abo-Angebote im VVS. Die Ausrede, dass Bus- und Bahnfahren zu teuer sei, zählt dann nicht mehr. Der Verkehrswende steht zumindest vom Preis nichts mehr im Weg“, sagt Thomas Hachenberger. Die ÖPNV-Branche erwartet, dass die Fahrgastzahlen durch das günstige, niederschwellige Angebot kräftig zulegen. Der offizielle Verkauf startet bundesweit am 3. April 2023. Um den Besuch in den Kundenzentren und die Bearbeitung im Back-Office zu entzerren, wurde die Möglichkeit eingeräumt, das Deutschland-Ticket vorzubestellen.

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