Yael ist zweieinhalb Jahre alt und leidet unter dem Leigh-Syndrom, einer Form von Mitchondriopathie. Die Erbkrankheit wurde bei ihr festgestellt, als das Mädchen fünf Monate alt war. Erste Symptome zeigten sich. Sie konnte den Kopf noch nicht heben oder mit den Augen fixieren. Außerdem trank sie schlecht. „Wir dachten, sie bräuchte einfach etwas mehr Zeit in ihrer Entwicklung, doch die Ärzte haben auf weitere Untersuchungen bestanden und daraufhin die Diagnose gestellt“, erzählt Yaels Mama, Anna F.
Bei der unheilbaren und progressiv verlaufenden Krankheit sind die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, betroffen. Diese sind für die Energie zuständig, verwandeln, neben anderen Nährstoffen, Fette und Kohlenhydrate aus der Nahrung in den Kraftstoff ATP. „Bei Yael ist ein Baustein der ATP-Kette defekt. Das bewirkt, dass der Körper nicht die Energie bekommt, die er benötigt. Dementsprechend sind vor allem Organe, die viel Energie benötigen, wie das Gehirn, schnell unterversorgt. Gehirnschäden, Muskelschwäche und Krampfanfälle sind neben weiteren Symptomen die Folge. Auch andere Organe können im Laufe der Zeit betroffen sein. Das ist das Tückische an der Krankheit“, erklärt Anna F.
Die gesamte Familie ist betroffen
Yael ist eines von 50.000 lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Der Bundesverband Kinderhospiz e. V., der auf Initiative von ambulanten und stationären Kinderhospizen gegründet wurde, setzt sich seit nun mehr über 20 Jahren für das Schicksal unheilbar erkrankter Kinder ein. Er schafft eine Öffentlichkeit für das Thema „Kinder und Tod“, um betroffene Familien aus dem sozialen Abseits zu holen und engagiert sich zudem für verbesserte politische Rahmenbedingungen. Franziska Kopitzsch, Geschäftsführerin des Bundesverband Kinderhospiz erklärt: „Das gesamte Familiengefüge wird in der Kinderhospizarbeit als untrennbare Einheit betrachtet. Wenn ein Kind lebensverkürzend erkrankt ist, betrifft das jedes einzelne Mitglied der Familie. Deshalb ist so wichtig, dass neben den schwerstkranken Kindern, auch Eltern und Geschwister Hilfe zuteilwird.“
Einige der Erkrankungen sind, wie bei Yael, selten. Die Erforschung dieser ist langwierig und kostspielig. Für die Familien bedeutet das doppelte Belastung. Sie müssen sich zum einen nicht nur mit der Tatsache auseinandersetzen, dass ihr Kind nie alt werden wird. Zum anderen werden Eltern mit Kindern seltener Erkrankungen oft zu Sachkundigen für das eigene Kind. Sie tragen die Bürde, in Notfällen nicht immer medizinisches Fachpersonal vor Ort erreichen zu können, das sich mit der Krankheit auskennt. Eltern sind dann auf sich gestellt.
Yael ist in ganzem Umfang auf Pflege angewiesen. „Ich kann nicht mal eben kurz mit Yael zum Bäcker. Sie muss immer Notfallgerätschaften dabeihaben. Das Anziehen dauert deutlich länger. Sie muss unterwegs zusätzlich aufgewärmt werden, da sie eine Temperaturregulationsstörung hat“, gibt Anna F. preis. Yaels Eltern wurde mit der Diagnosestellung erklärt, dass ihre Tochter wahrscheinlich das erste Lebensjahr nicht erreichen wird. Sie wissen nicht, wie viel Zeit ihnen mit ihrem Kind bleibt und haben mit der Tatsache zu kämpfen, dass sie einerseits auf Pflegekräfte angewiesen sind, andererseits so wenig Zeit wie möglich mit Yael abgeben möchten. Seit zwei Jahren pflegen sie ihr Mädchen: „Irgendwann kommt der Punkt, an dem man merkt, dass die Kraft nachlässt. Vor allem, weil sie inzwischen auch dauerhaft nachts überwacht werden muss. Wenn phasenweise keine Pflegekraft kommt, muss ich viele Nächte durchmachen. Man kann sich nicht daneben schlafen legen, da jederzeit Notfallsituationen eintreten können. Daher ist eine zuverlässige Abdeckung durch Pflegepersonal in der Nacht so wichtig.“
Seit knapp einem Jahr wohnt Yael mit ihren Eltern ländlich gelegen in Baden-Württemberg. Betreut wird sie von einem Intensivpflegedienst. Aufgrund von Personalmangel kann jedoch keine vollständige Abdeckung angeboten werden. Häufige Personalausfälle tun ihr Übriges. Als im letzten Sommer die Last immer größer wurde, entschieden sich Yaels Eltern, das Persönliche Budget in Anspruch zu nehmen. Dabei können sie im s.g. Arbeitgebermodell eigenes Personal einstellen. „Bevor wir diesen Schritt gegangen sind, haben wir sämtliche Pflegedienste in unserem Umfeld um weitere Unterstützung gebeten. Zusätzlich haben wir eine Homepage für Yael erstellt, um Pflegekräfte zu akquirieren (https://www.team-yael.com/). Wir suchen noch Personal, das langfristig bleibt und Yaels Versorgung mitgestalten möchte“, führt Yaels Mama aus.
Das Recht, daheim betreut zu werden
Ziel von Yaels Eltern ist es, ihrem Kind eine zuverlässige Pflegesituation in ihrer gewohnten Umgebung zu schaffen. Franziska Kopitzsch betont: „Es muss für Eltern die Möglichkeit geben, ihr Kind zu Hause zu betreuen. Gerade in strukturschwachen Regionen ist es oft nicht möglich, einen geeigneten Pflegedienst zu finden. Die jungen Patientinnen sowie Patienten leiden somit an den vom Gesetzgeber und den Kostenträgern zu verantwortenden unzureichenden medizinischen sowie pflegerischen Versorgungsstrukturen. Ein weiterer Punkt resultiert aus den sich verändernden Bedürfnissen, wenn das Kind älter und größer wird. Hilfsmittel müssen neu angepasst und beschafft werden. Die vielfältigen und auch seltenen Erkrankungen erfordern individuelle Lösungen. Um die bürokratischen Hürden für Eltern zu senken, müssen Leistungen einfacher kommuniziert und zugänglich gemacht werden. Viele Regelungen der Pflege- und Krankenkassen sind noch nicht auf diese Zielgruppe ausgelegt. Der Bundesverband Kinderhospiz kämpft dafür, dass lebensverkürzend erkrankten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eigenständige Regelungen zugestanden werden. Sie dürfen nicht länger als Randnotiz Erwähnung finden. Ihre Bedarfe müssen sich in eigenständigen Vereinbarungen manifestieren.“
Für die Zukunft wünscht sich Yaels Mama: „Wir versuchen, Yael so viel Lebensqualität und Erfahrungen wie nur möglich zu bieten. In diesem Jahr wollen wir zum ersten Mal mit Yael in den Urlaub ans Meer fahren. Sie liebt das Wasser. Dazu werden uns unterstützend Pflegekräfte begleiten. Uns ist es wichtig, Yael bis zum Schluss zu Hause zu behalten. Wir hoffen, dass es durch fachliche Unterstützung weiterhin möglich bleibt.“
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