In einem veröffentlichten Grundsatzurteil setzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) den nationalen Gerichten Grenzen für die Schätzung des Schadensersatzes bei sogenannten Follow-on-Kartellschadensersatzansprüchen.

Das dem Urteil zugrunde liegende Vorabentscheidungsersuchen stammt aus einem spanischen Verfahren, in dem im Zusammenhang mit dem so genannten LKW-Kartell auf Schadensersatz geklagt wurde. Kläger vor spanischen Gerichten konnten fast sicher sein, dass ein Schadenersatz in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Kaufpreises geschätzt wird, selbst wenn ein eindeutig mangelhaftes Sachverständigengutachten vorgelegt wurde und keine anderen Beweisbemühungen zum Nachweis der Schadenshöhe unternommen wurden. Das heute ergangene EuGH-Urteil macht deutlich, dass ein solches Vorgehen, bei dem der Schadenersatz "ins Blaue hinein" geschätzt wird, nicht im Einklang mit dem EU-Recht steht.

Das Urteil folgte der von Gleiss Lutz und Cuatrecasas vorgebrachten Argumentationund enthält zwei wichtige Klarstellungen, die erhebliche Bedeutung für follow-on Schadensersatzklagen in ganz Europa haben werden:

1. Nationale Gerichte dürfen den Schadensersatz nur dann schätzen, wenn erstens das Vorliegen dieses Schadens festgestellt wurde und es zweitens praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig ist, diesen genau zu beziffern. Der Gerichtshof hebt hervor, dass die Schadensersatzrichtlinie den Klägern Instrumente an die Hand gegeben hat, die das Kräfteverhältnis zwischen den mutmaßlichen Opfern eines Kartellverstoßes und dem Kartellanten neu austarieren. In diesem Zusammenhang unterstreicht der EuGH die Schlüsselrolle von Art. 5 Abs. 1 der Schadensersatzrichtlinie, der die Informationsasymmetrie zwischen den Parteien beseitigt, indem er mutmaßlichen Kartellopfern die Möglichkeit gibt, die Vorlage von Beweismitteln zu verlangen. Wenn die praktische Unmöglichkeit, den Schaden zu beziffern, auf die Untätigkeit des Klägers zurückzuführen ist, ist es nicht Aufgabe des nationalen Gerichts, an die Stelle des Klägers zu treten oder dessen Versäumnissen mittels einer Schadensschätzung abzuhelfen.

2. Eine nationale zivilprozessuale Regelung, wonach der Kläger bei teilweiser Klageabweisung seine eigenen Kosten und die Hälfte der gemeinsamen Kosten trägt, mit Art. 101 AEUV und der EU-Schadenersatzrichtlinie vereinbar ist. Insbesondere verlangen das Recht auf vollständige Entschädigung und der Effektivitätsgrundsatz nicht, dass ein Kläger, dem ein geringerer Schadensersatz als der geltend gemachte Betrag zugesprochen wird, überhaupt keine Kosten zu tragen hat.

Die Beklagte wurde vor dem EuGH von einem gemeinsamen Team von Gleiss-Lutz- und Cuatrecasas-Rechtsanwälten vertreten. Gleiss Lutz vertritt die Beklagte als koordinierender Lead Counsel in LKW-Kartellschadensersatzverfahren vor nationalen Gerichten in ganz Europa. Cuatrecasas fungiert als Local Counsel der Beklagten für Spanien und Portugal. Das Gleiss Lutz-Team, das die Beklagte in dieser Sache vertrat, bestand aus Dr. Christian von Köckritz und Dr. Harald Weiß (beide Brüssel), Dr. Ulrich Denzel und Dr. Carsten Klöppner (beide Stuttgart). Das Cuatrecasas-Team, das die Beklagte vertrat, bestand aus María Perez Carillo, Esther de Felix Parrondo, María Lopez Ridruejo und Jose Maria Macías Castaño.

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