Nach nur einem Monat haben einige Aktienmärkte bereits fast +10 % Wertentwicklung erzielt. Auch an den Anleihemärkten wurden bis zur Monatsmitte dank sinkender Zinsen deutliche Kursgewinne erreicht, bevor sie eine kleine Pause einlegten. Technische Treiber waren die hohe Liquidität zu Jahresbeginn und das erneute Einsetzen von FOMO (fear of missing out), der Angst bei den Marktteilnehmern trotz aller Unsicherheiten Kursanstiege zu verpassen. Das klassische „Goldilocks“-Szenario, dem moderates Weltwirtschaftswachstum, niedrige Inflation und niedrige Zinsen zugrunde liegen, werde zwar ebenfalls genannt, sei aber faktisch unwahrscheinlich, so Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch.

Gemessen an den Wirtschaftsdaten und Äußerungen der Notenbanken scheint der Traum vom Goldlöckchen, der laut Böckelmann bei vielen Marktteilnehmern verfestigt zu sein scheint, surreal. Insbesondere die Wertzuwächse bei Aktien niedriger Qualität seien kaum zu rechtfertigen, so der Experte: „Zwar ist die Sorge berechtigt, dass die Notenbanken angesichts sich abzeichnender Wirtschaftsschwäche bei bereits rückläufiger Inflation zu lange auf dem Bremspedal verharren, aber einen Wendepunkt in der Geldpolitik zeitnah zu erwarten und somit einzupreisen erscheint verwegen. Zu tief sitzen die 70er Jahre Traumata bei den Notenbanken, als dass sie sich von einer drohenden Wirtschaftsschwäche beeindrucken ließen.“ Insgesamt zeige sich die Weltwirtschaft trotz Schwächeanfällen in vielen Bereichen noch robust. Vor allem der für die Notenbanken so wichtige Arbeitsmarkt (wegen Gefahr von Lohn-Preis-Spiralen) sei trotz bereits sichtbarem Stellenabbau sehr stabil. Einen möglichen Grund dafür erkennt Böckelmann in der Verzerrung durch die in großer Zahl aussteigenden Babyboomers. Letzteres sei neben der Deglobalisierung und der Dekarbonisierung ein struktureller Inflationstreiber, dessen Ausmaß aber noch zu bestimmen sei.

„Insofern scheinen die zum Jahreswechsel skizzierten Szenarien von moderatem Wachstum über milder bis hin zur schweren Rezession weiter ausgeglichen – vielleicht mit leichten Vorteilen für eine Rezession mit mildem Verlauf“, sagt Böckelmann. Vor diesem Hintergrund stuft der Fondsmanager die Berichtssaison der Unternehmen und geopolitische Ereignisse als besonders wichtig ein.

Ein Drittel der börsennotierten Unternehmen hat bereits berichtet und eine deutliche Mehrheit die Erwartungen der Analysten übertroffen. „Diese Erwartungen wurden aber im Vorfeld dramatisch nach unten angepasst. Netto blicken wir bereits auf viele Sektoren und Unternehmen mit Gewinnrezessionen, also negativem Gewinnwachstum bis hin zu Verlusten. Zeitgleich zeigen sich die Ausblicke teils nebulös – die Wirtschaft und die Geschäftsmodelle der Unternehmen stehen vor strukturellen Veränderungen und Anpassungsprozessen, die die Prognosegüte negativ beeinflussen“, so der Fondsmanager.

Der Experte erkennt geopolitisch keine neuen Hinweise auf Entspannung im Januar – jedoch auch keine neuen Schocks – zu einem gewissen Grad stelle sich Gewöhnung ein. „Deutsche Politik feiert sich für die neue ‚Deutschlandgeschwindigkeit‘. So lobenswert schnell die Errichtung 3er LNG-Terminals ging, so erschreckend visionslos bleibt die Wirtschaftspolitik. Fortschritte bei Digitalisierung oder Bildung sind weiter nicht erkennbar“, sagt Böckelmann. Und weiter: „Während Minister Habeck noch vor Tagen eine Rezession für abwegig erklärt, berichtet jetzt das Statistische Bundesamt von negativem Quartalswachstum. Während die Politikblase sich feiert, warnt die Staatsbank KfW vor einer ‚Ära schrumpfenden Wohlstands‘.“

Obwohl die Gemengelage eher ein gemischtes Bild ergibt, spreche vieles dafür, dass das Momentum die Märkte noch etwas bewegen könnte. Böckelmann stellt fest, dass der für ein Ende eines Bärenmarktes eigentlich typische finale Ausverkauf bei Aktien bislang ausgeblieben ist: „Die Volatilität könnte daher kurzfristig zurückkehren – wir halten an unseren Positionierungen fest und fahren weiter auf Sicht.“

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