Per App buchbare Sammelfahrten mit Kleinbussen können das Mobilitätsangebot verbessern und die Abhängigkeit vom privaten Auto verringern. Vor allem in ländlichen Regionen bieten sie die Möglichkeit, dünne Angebote des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) zu ergänzen. In einem Leitfaden erklärt der Thinktank Agora Verkehrswende, unter welchen Bedingungen sogenannte Linienbedarfsverkehre sinnvoll sind und wie sie erfolgreich ins öffentliche Verkehrssystem integriert werden können. Die Publikation entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Landkreistag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Insbesondere in dünn besiedelten Gebieten fahren klassische Bus- und Bahnlinien seltener und das Haltestellennetz ist begrenzt. Bedarfsverkehre bieten auf Bestellung (on demand) individuelle Abfahrtszeiten auch an zusätzlichen, virtuell festgelegten Haltepunkten. Das könne laut Agora die Lebensqualität insbesondere von Menschen ohne Zugang zu einem Pkw erhöhen. Auch unterstütze es das Ziel der Bundesregierung, Erreichbarkeitsstandards für ländliche Räume zu etablieren und das Mobilitätsangebot zu verbessern.

Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende: „In vielen ländlichen Regionen führt am eigenen Auto bislang kaum ein Weg vorbei. Dort können flexible Kleinbusse die gewohnten Linienbusse und Bahnangebote ergänzen, um Mobilität und soziale Teilhabe zu garantieren. Für Menschen ohne Auto wäre das ein riesiger Gewinn – und für alle anderen eine Möglichkeit, das Auto öfter stehenlassen zu können oder auf den Zweitwagen zu verzichten. Landkreise und Verkehrsunternehmen sollten diese Möglichkeit nutzen, um der Verkehrswende auf dem Land mehr Schwung zu verleihen.“

Handlungsempfehlungen für verschiedene Siedlungsstrukturen

Für einen erfolgreichen und effizienten Einsatz von Linienbedarfsverkehren empfiehlt Agora Verkehrswende, diese im Zusammenspiel mit den festen Linien und Fahrplänen des konventionellen ÖPNV zu planen und zu betreiben. Betriebssimulationen für verschiedene Beispielregionen zeigen, dass sich ihre Ausgestaltung an der Siedlungsstruktur orientieren sollte. Linienbedarfsverkehre können gezielt kleinere oder schlecht erschlossene Ortsteile und Regionen abdecken, Zu- und Abbringerfunktionen zu Bahnhöfen erfüllen oder zu Stoßzeiten überlastete Busse oder Bahnen ergänzen. Für Verbindungen mit hoher Fahrgastnachfrage, etwa in Zentren ländlicher Regionen, eignen sich konventionelle Linienverkehre dagegen weiterhin besser.

Die Autorinnen und Autoren empfehlen, Linienbedarfsverkehre in bestehende Tarif-, Ticket- und Informationssysteme zu integrieren. Mit der Verteilung der Haltepunkte und der zulässigen Länge der Umwege kann sichergestellt werden, dass Reisezeiten ähnlich oder kürzer sind als im konventionellen ÖPNV. Außerdem sollten die zurückgelegten Kilometer ökologisch und wirtschaftlich ins Verhältnis zu den erbrachten Fahrgastwegen gesetzt werden. Wenn die Kleinbusse als Zubringer zum konventionellen ÖPNV dienen, sollte das Erreichen der Anschlüsse Vorrang haben.

Philipp Kosok, Projektleiter Öffentlicher Verkehr bei Agora Verkehrswende: „Auf dem Land ist der Linienbedarfsverkehr ein Schlüssel, um eine gute Erreichbarkeit durch öffentlichen Verkehr zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag bereits festgehalten, dass sie Qualitätsstandards für die Erreichbarkeit in der Stadt und auf dem Land definieren will. Das ist ein wichtiger Schritt. Darüber hinaus brauchen die kommunalen Aufgabenträger langfristige Zusagen von Bund und Ländern, dass sie für den Aufbau von Linienbedarfsverkehr zusätzliche Mittel bekommen.“

Für eine möglichst große Verlagerung der Wege weg vom Auto empfiehlt Agora Verkehrswende außerdem neben Verbesserungen des ÖPNV den Abbau von Privilegien bei der Pkw-Nutzung.

Mehr Lebensqualität auf dem Land

Laut dem ÖV-Atlas von Agora Verkehrswende ist die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland schlecht oder gar nicht mit Bus und Bahn versorgt. Im ländlichen Raum werden mehr als 80 Prozent der zurückgelegten Kilometer mit dem privaten Auto gefahren. Dünner werdende Angebote zur Deckung von Grundbedürfnissen wie Supermärkte, Arztpraxen oder Schulen führen zu immer längeren Wegen. Je geringer die Besiedlungsdichte, desto schwerer ist die Bündelung des Personenverkehrs entlang fester Linien und Haltestellen. On-demand-Verkehre könnten die erste und die letzte Meile abdecken und den ÖPNV von morgens bis abends überall fußläufig erreichbar machen.

Seit der jüngsten Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) von August 2021 haben Kommunen durch den im Gesetz neu geschaffenen „Linienbedarfsverkehr“ verbesserte rechtliche Möglichkeiten, die flexiblen Kleinbusse als Bestandteil des ÖPNV einzuführen. Sie fahren dann keine festen Linien, müssen aber die im ÖPNV üblichen Vorgaben und Pflichten, etwa zur Barrierefreiheit, erfüllen. Zum Ausgleich kann der Anbieter des Linienbedarfsverkehrs Zuschüsse vom Landkreis erhalten.

Leitfaden „Mobilitätsoffensive für das Land“

Die Publikation mit dem Titel „Mobilitätsoffensive für das Land. Wie Kommunen mit flexiblen Kleinbussen den ÖPNV von morgen gestalten können“ steht unter https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/mobilitaetsoffensive-fuer-das-land/ kostenlos zum Download zur Verfügung.

Die Veröffentlichung ist im Rahmen des Projekts „Bedarfsverkehr im ländlichen Raum“ entstanden. Ausführender Projektpartner ist die PTV Transport Consult GmbH.

Über Agora Verkehrswende

Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität mit Sitz in Berlin. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die überparteiliche und gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Analysen, Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Anfang 2016 von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Gesellschafter sind die beiden Stiftungen. www.agora-verkehrswende.de

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