Die Hypothermie ist immer noch die einzige Therapie-Option, um einen Sauerstoffmangel während der Geburt beziehungsweise dessen Langzeitfolgen zu minimieren, zu verhindern oder gar das Überleben des Neugeborenen zu ermöglichen. Eine gefürchtete Folge des Sauerstoffmangels (Asphyxie) ist eine hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE), die droht, wenn der Nabelschnuratherien-pH-Wert auf unter 7,0 abgefallen ist. "Hirnschäden" bei Neugeborenen sind weltweit für etwa 50 % der neonatalen Mortalität verantwortlich. In industrialisierten Ländern tritt sie bei etwa 1,5 – 2 je 1.000 Geburten auf. Das Patientenoutcome nach einer HIE ist schwierig: Ohne Behandlung sterben 20 – 50 % der Neugeborenen innerhalb von 4 Wochen. Ohne Behandlung führt die HIE zu geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindern.
„In Darmstadt führen wir diese Therapie seit 30 Jahren durch“, berichtet Dr. Georg Frey, Leiter der Klinik für Neonatologie am Klinikum Darmstadt und einer der beiden Sprecher des Perinatalzentrums Südhessen, „bisher haben wir insgesamt etwa 300 Kinder behandelt.“ Er erzählt: „Anfang der Neunzigerjahre war es eine innovative Entscheidung, die Kühlung Neugeborener mit Sauerstoffmangel zu beginnen. Wir haben uns damals trotz geringer Datenlage dafür entschieden, da damals wie heute keine andere Behandlungsoption bestand und wir schnell festgestellt haben, dass es positiv wirkt. In der Rückschau kann man sagen, dass die Behandlung für die meisten Kinder sehr erfolgreich war und Tod und Behinderung vermieden oder minimiert hat.“
Das Kühlen Neugeborener darf nur in einem hoch spezialisierten Zentrum erfolgen, da intensivmedizinische Rahmenbedingungen auf höchstem Niveau dafür erforderlich sind. Die Therapie erfolgt über 3 bis 5 Tage, in denen die Temperatur permanent überprüft werden muss, in denen kontinuierlich die Hirnströme gemessen werden ebenso wie die Herzfrequenz – so können die Ärzt*innen sehen, ob und wie die Besserung voranschreitet.
In den letzten beiden Jahren hat die Notwendigkeit dieser Behandlung deutlich zugenommen, weil in den Geburtskliniken in Südhessen verstärkt Asphyxien aufgetreten sind, teilt Dr. Frey weiter mit. Das bedeutet, dass reife Neugeborene vermehrt ein Sauerstoffmangel unter der Geburt erleiden: so haben seine Teams 41 Kinder mit dieser Therapie in den letzten zwei Jahren behandelt. Für frühgeborene Kinder kommt diese Therapie übrigens nicht infrage, weil das Kühlen in diesem Stadium der Entwicklung nachteilige Auswirkungen hat.
Einer der ersten Patienten von Dr. Georg Frey war Ben Elsäßer, er ist heute 21 Jahre alt und studiert Jura. Bei seiner Geburt hatte er das Glück, dass Hebamme und Arzt früh genug einen Babynotarzt hinzugezogen hatten. Dr. Frey selbst hatte Ben damals im Babynotarztwagen in seine Obhut genommen und Ben mit Hilfe von Kühlpacks tagelang versorgt. Heute sagt Ben: „Ich habe Glück gehabt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu landen. Das ist mir erst in den letzten Jahren so richtig bewusst geworden, dass mein Leben auch ganz anders hätte verlaufen können. Ich bin sehr glücklich, dass ich so bin wie ich bin – und daran haben andere einen großen Anteil.“
Vater David Elsäßer erinnert sich noch gut an den Schock der ersten Nachricht nach der Geburt. „Das hatte man sich ja ganz anders vorgestellt. Und dann waren es sehr technische Dinge, mit denen man konfrontiert wurde. Die Verlegung des Babys an eine andere Klinik, unsere emotionalen Bedürfnisse als Eltern“. Und Mutter Angela ergänzt: „Wir haben uns an die positiven Erwartungen geklammert und hatten in Dr. Frey Vertrauen.“
Natalie Braun ist die Verlegung erspart geblieben. Aber auch bei der Geburt ihrer heute 1 Jahr alten Tochter Noa ist plötzlich alles ganz akut lebensbedrohlich geworden. „Ich hatte eine Traumschwangerschaft und auch die Herztöne waren völlig in Ordnung, doch als es richtig losging, ging es ganz schnell innerhalb von einer Minute in den Kreißsaal. Das war ein richtiger Schock. Unsere Tochter musste 21 Minuten lang wiederbelebt werden und auch die nächsten Tage mussten wir abwarten, ob unser Kind überlebt“, erzählt die junge Mutter. „Übererleben war das Wichtigste. Aber ich war in den Monaten danach so froh, dass es diese Möglichkeit der Hypothermie gab.“ Heute ist Noa, „unser Wirbelwind“, ein putzmunteres Mädchen, das sich prima entwickelt.
Der plötzliche Sauerstoffmangel bei einer Geburt – sei es durch Plazentainsuffizienz oder Nabelschnurvorfall – ist ein Fakt, weshalb Dr. Frey äußert: Die Geburt eines Menschen ist der schönste und der gefährlichste Moment eines Lebens. Ein Risiko, das in einem Perinatalzentrum, in dem Geburtsmediziner*innen und Neonatolog*innen 24/7 anwesend sind, erfolgreich zu minimieren und damit ein lebenslanges Leiden vieler Kinder zu reduzieren ist.
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Das Klinikum Darmstadt ist der kommunale Maximalversorger in Südhessen und das einzige Krankenhaus der umfassenden Notfallversorgung (höchste Versorgungsstufe).
Ende 2020 hat das Klinikum Darmstadt seinen Zentralen Neubau in Betrieb genommen: An einem Ort stehen 1000 moderne Betten in komfortablen Stationen bereit. Das Krankenhaus zeichnet sich durch eine moderne Medizintechnik, weitgehende Digitalisierung, ein umfassendes Qualitätsmanagement, zahlreiche Zertifizierungen – wie etwa als Onkologisches Zentrum – und eine breit aufgestellte hervorragende Krankenhaushygiene aus. Vier Intensivstationen, eine IMC, 25 OP-Säle, 22 Kliniken und Institute, von der Augenheilkunde bis zur Zentralen Notaufnahme: Bei speziellen diagnostischen und therapeutischen Verfahren hat das Klinikum Darmstadt für die Region Alleinstellungsmerkmale.
Es ist Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Frankfurt und Mannheim/Heidelberg und für Pflege in Kooperation mit der FOM Hochschule. Zur GmbH, die der größte kommunale Arbeitgeber ist, gehören 3.350 Mitarbeitende. Ein MVZ sowie ein Altenpflege- und ein Wohnheim und Servicegesellschaften komplettieren den Gesundheitsdienstleister.
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