Mit einer Rekord-Teilnehmerzahl von knapp 1.500 Besuchern ist der 05. Nürnberger Wundkongress erfolgreich zu Ende gegangen. Die aus dem ganzen Bundesgebiet und teils aus angrenzenden Nachbarländern angereisten Kongressgäste erwarteten an zwei Tagen 81 Sessions mit über 150 Beiträgen renommierter Experten, angefangen von Vorträgen aus den Gebieten Wundmanagement und Dermatologie über das Diabetische Fußsyndrom bis hin zur Humanitären Plastischen Chirurgie in Krisenregionen. Darüber hinaus boten 63 Aussteller auf der zeitgleich laufenden Fachmesse ihre Neuheiten an.

In bis zu neun parallelen Programmsträngen zeigte sich die große Themenvielfalt zu Forschung und Wundtherapie auf der Messe Nürnberg. Tagungspräsidentin Univ.-Prof. Dr. med. Ewa K. Stürmer, Hamburg, machte bereits in ihrem Kongressmotto „Wer heilt hat recht – Wundtherapie zwischen Evidenz und Bauchgefühl“ ihren ganzheitlichen Ansatz deutlich, neue Wege zu suchen, die Wundheilung zu verbessern und zu beschleunigen. Als eine der deutschlandweit führenden Expertin im Bereich der translationalen Wundforschung für die Basisforschung mit klinischem Bezug verfolgt sie das Ziel, neue Forschungsergebnisse zur verbesserten Wundheilung möglichst schnell für die Patienten nutzbar zu machen.

In der Eröffnungsrede ging der Begründer des Nürnberger Wundkongresses, Univ.-Prof. Dr. med. Bert Reichert, Nürnberg, darauf ein, wie komplex sich schlecht heilende Wunden darstellen. Der demografische Wandel ließe die Zahl der Betroffenen noch weiter steigen, weshalb „Wunde uns alle angeht“.

Kongresseröffnung im Zeichen des „Patient Empowerment“

Ihm schloss sich Dr. Alexander Risse, Dortmund, an. Der Chefarzt des Diabeteszentrums am Klinikum Dortmund setzte sich in seinem Eröffnungsvortrag „Wundversorgung zwischen objektiver und subjektiver Tatsächlichkeit“ philosophisch mit dem Thema „Patient Empowerment“, Selbstermächtigung der Patienten, auseinander. „Ärzte suchen immer die Realität hinter dem Symptom. Wir sind als Mediziner und Pfleger darauf konditioniert, anderen Menschen zu helfen – auch wenn sie sich manchmal gar nicht helfen lassen wollen."

Der gesamte Kongress war davon geprägt, die Stellung und Handlungsmöglichkeiten der Wundpatienten zu verbessern. Die allgemein geforderte Selbstermächtigung, „Empowerment“ im eigentlichen Sinne, wird in der Praxis bisher nur spärlich konkretisiert. Das sollte sich jetzt mit dem „Wound-QoL“ ändern, einem weltweit etablierten Fragebogen zur Erfassung der Lebensqualität bei Patienten mit chronischen Wunden. Um Bereiche mit Handlungsbedarf aufzudecken, plädierte Toni Maria Janke, Hamburg, für eine Integration der Praxishilfe „Wound-Act“ in die Versorgung. Im Wound-Act wird jedes Item des Wound-QoL, das vom Patienten mit "ziemlich" oder "sehr" beantwortet wurde, als ein Bereich betrachtet, in dem Handlungsbedarf besteht.

Als Orientierungshilfe zur Lokaltherapie chronischer Wunden dient die S3-Leitlinie mit aktuellen Änderungen, ein Schwerpunkt von insgesamt zehn Hauptsitzungen. Prof. Dr. med. Andreas Maier-Hasselmann, München, Koautor und Mitglied im Redaktionsteam der AWMF-Leitlinien unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. (DGfW), ging unter anderem darauf ein, dass das auf wissenschaftlichen Studien basierende Wissen im Bereich der Wundversorgung nicht so ausgeprägt ist wie in anderen medizinischen Bereichen: „Für mich ist die Leitlinie ein wissenschaftliches Statement dafür, die Arbeit derer, die die Patienten versorgen, besser zu honorieren.“

In weiteren Präsentationen wurde veranschaulicht, welche verschiedenen Ursachen sich hinter der komplexen Symptomatik der Wunde verbergen können. Neben den üblichen Grunderkrankungen wie Diabetes oder arterielle Verschlusserkrankungen standen auch seltene Wunden im Fokus wie z.B. Epidermolysis bullosa (EB), auch Schmetterlingskrankheit genannt. Eine kausale Therapie existiert nicht. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Birkenextrakt zur Behandlung von EB die Heilung fördern kann.

Gesamtes Spektrum der Wundbehandlung

Insgesamt 125 eingeladene Referierende, Abstract-Autoren, Vorsitzende, Workshop- und Seminarleiter versuchten in ihren verschiedenen Vorträgen das gesamte Spektrum der Wundbehandlung abzudecken. In einer speziellen Session wurde die Problematik der Bauchpositionierung bei der Beatmung von COVID-19 Patienten vorgestellt. Norbert Kolbig, Düsseldorf, interpretierte eigene Ergebnisse und internationale Studien, wie in der Bauchlage die Belüftung der Lungen und die Sauerstoffbindung des Blutes verbessert werden kann, und entwickelte auf dieser Grundlage gemeinsam mit Heike Streller, Leipzig, eigene Handlungsansätze. „Dimensionen des Machbaren in der Plastischen Chirurgie“ zeigte die Sitzung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Dr. Andre Bosche, Bad Kreuznach, berichtete über seine Arbeit im Einsatz für die Ärmsten, die in Krisenregionen ehrenamtlich versorgt werden.

Innovationen für die zukünftige Wundtherapie und -diagnostik, speziell die „Biologicals“ wie eine „biodegrable Matrices“ und Wundkleber auf Seidenbasis, wurden von Univ.- Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets, Hamburg, vorgestellt und diskutiert. Neueste Studien beschäftigen sich mit der antibakteriellen Funktionalisierung von Seidenstrukturen. Die besondere Fähigkeit, Flüssigkeiten aufzunehmen, machen sie außerdem zu einem hervorragenden Verbandsstoff für (tiefe) Hautwunden. Doch viele dieser neu entwickelten Produkte werden noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet. Aktuell befindet sich beispielsweise die Kaltplasmatherapie im Evaluationsprozess zur GKV-Erstattungsfähigkeit.

Posterpreis-Verleihung

Preisträgerin Mirjam Frink, Würselen, wurde geehrt für das Konzept des Wundentlassungsmanagements am Rhein-Maas Klinikum. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Übergang aus der stationären in die ambulante Wundbehandlung zu verbessern. Feste Bestandteile unseres Entlassungsmanagements sind ein WundEntlassungsbrief, die Kontaktaufnahme mit Hausarzt/Pflegedienst und ein Versorgungspaket für die erste Wundversorgung, um Versorgungslücken auszuschließen“, erklärte die Fachkrankenschwester Innere- und Intensivmedizin.

Neues Format: Wund-Slam

Abweichend von standardisierten Frontalvorträgen sollten, visuell und akustisch ansprechend, verschiedene Hersteller ihre innovativen Wundtherapien und Wundprodukte, im – an den „Poetry Slam“ angelehnten – „Wund Slam“ darstellen. Dabei zeigten einige Medizinproduktehersteller erstaunliche Entertainer-Qualitäten, die dem Fachpublikum sicher in Erinnerung bleiben werden.

Positives Fazit

Mit dem endlich wieder in Präsenz stattfindenden Kongress gelang es Ärzten, Pflegenden, Wissenschaftlern und zertifizierten Wundtherapeuten, ihr Wissen auf neuestem Stand zu bringen, zu teilen und das professionelle Zusammenwirken der unterschiedlichen Disziplinen zu befördern. 25 Fachgesellschaften und Verbände haben durch ihre Sessions und Workshops von Acne Inversa bis Wunddebridement – ein vielfältiges und breites Themenspektrum abgebildet. In den insgesamt 26 Kursen konnten außerdem praktische Fähigkeiten unter Anleitung erfahrener Kursleiter erlernt und erprobt werden.

Seine 6. Auflage wird der Interdisziplinäre Nürnberger Wundkongress in neuer Umgebung in der Meistersingerhalle Nürnberg vom 23. -24. November 2023 erleben. Bitte vermerken Sie sich bereits jetzt diesen Termin in Ihrem Kalender!

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