Viele Indikatoren deuten tatsächlich darauf hin, dass es zu einer Rezession kommen wird. Das starke Wachstum im Jahr 2021 und Anfang 2022 wurde weitgehend durch die massiven Haushaltsausgaben der verschiedenen Regierungen infolge der Corona-Krise ausgelöst. Auch 2022 wurden in ganz Europa aufgrund der Energiekrise viel Geld ausgegeben, doch sind diese Ausgaben relativ geringer als in den Vorjahren. Dies zeigt eine Grafik im Anhang (Seite 2, oben rechts), die den Kreditimpuls in der Eurozone darstellt, der nun seit über einem Jahr negativ ist. Angesichts der zeitlichen Verzögerung der Finanzpolitik (zwischen 12 und 18 Monaten) dürften sich diese Effekte 2023 negativ auf das Wachstum auswirken. In den USA ist das Szenario das gleiche, wenn auch weniger ausgeprägt.
Das Conference Board veröffentlicht einen Indikator, der die zehn zuverlässigsten vorausschauenden Indikatoren in den USA (Verbrauch, Beschäftigung usw.) berücksichtigt. Die historische Analyse zeigt, dass dies ein zuverlässiger Indikator für die Prognose von Rezessionen in den USA ist, da jedes Mal, wenn er über einen längeren Zeitraum negativ ist, früher oder später eine Rezession eintritt. Diesem Indikator zufolge wird die Rezession nicht unbedingt schwerwiegend sein (dennoch ist dies möglich) und dürfte 2023 eintreten.
Ein guter Indikator für die Stabilität einer Volkswirtschaft und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ist auch der Immobilienmarkt. Im Großen und Ganzen machen die Arbeitsplätze im Immobilienbereich etwa 14 % der Beschäftigung in den USA aus (Quelle: Bloomberg). Außerdem passt sich dieser Markt sehr schnell an, wenn sich die Finanzbedingungen ändern, was heute der Fall ist. Durch den starken Anstieg der Hypothekenzinsen in den letzten neun Monaten hat der Immobilienmarkt bereits eine Korrektur erfahren. Dies hat logischerweise erhebliche Auswirkungen auf das Vertrauen der Marktteilnehmer in diesem Sektor. Wenn das Vertrauen sinkt, sinkt die Aktivität, und die Arbeitslosigkeit steigt an. Die Arbeitslosenzahlen, die derzeit bei 226 000 liegen, könnten bis 2023 auf über 400 000 ansteigen!
Kurzum, die große Mehrheit der Frühindikatoren deutet auf ein extrem hohes Rezessionsrisiko in Europa und den USA hin. Der Zeitpunkt ist unklar, aber derzeit scheint es ein sehr wahrscheinliches Szenario zu sein.
Ambivalente Signale verkomplizieren die makroökonomische Betrachtung
Andere Signale deuten jedoch darauf hin, dass dies nicht geschehen wird. Rezession? Welche Rezession? In den USA ist nichts ungewisser! Die jüngsten Wachstumsprognosen der Atlanta Fed lassen für das vierte Quartal ein Wachstum von 4,2 % erwarten.
Für eine Rezession braucht es einen Arbeitsmarkt, der deutlich schrumpft, was derzeit nicht der Fall ist. Ja, einige Indikatoren beginnen sich zu verlangsamen, aber sie deuten nicht auf eine bevorstehende Rezession hin.
Das Lohnwachstum nimmt weiter zu, was ein Zeichen für einen sehr gut funktionierenden Arbeitsmarkt ist, der wiederum den Konsum über Wasser halten sollte. Darüber hinaus steigen die Löhne der Benachteiligsten in der Gesellschaft schneller, dazu gehören beispielsweise junge Menschen, Personen, die auf Stundenbasis bezahlt werden und weniger Gebildete. Nach mehreren Jahrzehnten, in denen dieser Teil der Bevölkerung Probleme hatte, ist dies eine gute Nachricht.
Die Zahl der offenen Stellen ist nach wie vor hoch, insbesondere in den Dienstleistungssektoren, wo das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitssuchenden deutlich über 1 liegt, was den Verbrauchern eine Alternative bietet: Das Gehalt steigt nicht so schnell wie die Inflation, aber man kann leicht einen zweiten Teilzeitjob finden, um diese Preissteigerungen auszugleichen.
Das zeigen auch die Zahlen: Die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen nimmt in den USA allmählich zu, vor allem in Sektoren mit hoher Flexibilität und steigenden Löhnen. Nach Angaben der Website Monster.com (eine der wichtigsten Websites für die Stellensuche in den USA) geben 75 % der Arbeitnehmer an, dass sie wahrscheinlich eine solche Beschäftigung suchen werden, um die Preissteigerungen zu überstehen.
Auch die amerikanischen Verbraucher befinden sich in einer soliden finanziellen Lage. Ja, die ausstehenden Kredite steigen. Ja, die Sparquote sinkt. Aber das reicht nicht aus, um die amerikanischen Verbraucher zur Einschränkung ihrer Ausgaben zu zwingen. Die St. Louis Fed schätzt, dass die Zinszahlungen für die Schulden der US-Haushalte derzeit nur 9,6 % des Haushaltseinkommens ausmachen, was weniger ist als in der Zeit vor Corona. Das bedeutet, dass es immer noch einen Puffer gibt, bevor der US-Konsum einbricht.
Befinden wir uns in einer Rezession oder nicht? Wir glauben, dass eine Rezession jetzt sehr wahrscheinlich ist, aber sie könnte verzögert eintreten.
Dezember-Ausblick
Der Marktanstieg in den letzten zwei Monaten wurde durch den möglichen starken Rückgang des Inflationsrisikos verstärkt, was die Zentralbanken zu einer weniger restriktiven Haltung veranlasste. Wir haben den Eindruck, dass sich der Schwerpunkt des Marktes in den kommenden Monaten auf die Wachstumsrisiken verlagern könnte, was zu einem Rückgang der Korrelation zwischen Anleihe- und Aktienmarkt führen könnte.
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