Allein in den vergangenen sechs Monaten hat das Erdogan-Regime 25 kurdische Journalistinnen und Journalisten eingesperrt. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die türkischen Behörden auf, unverzüglich Anklageschriften vorzulegen oder die Betroffenen freizulassen. Es darf keine weiteren willkürlichen Verhaftungen von Medienschaffenden geben.

Bei einem ersten Vorstoß am 8. Juni dieses Jahres hatte die Polizei in der südöstlichen Provinz Diyarbakir insgesamt 20 kurdische Medienschaffende festgenommen. Während vier von ihnen wieder freigelassen wurden, sitzen 16 weiterhin hinter Gittern. Noch bevor die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschriften vorgelegt hat, wurden in einer zweiten Aktion am 25. Oktober zehn weitere kurdische Medienschaffende festgenommen.

„Sechs Jahre nach dem Putschversuch und kurz vor den Wahlen nächsten Juni kehrt das türkische Regime zu seiner aggressiven Praxis zurück, Journalistinnen und Journalisten massenhaft ins Gefängnis zu stecken. Die Politik instrumentalisiert die Justiz, um Druck auf die kurdische Gemeinschaft und kurdische Medien auszuüben“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Medienschaffende monatelang einzusperren – und das ohne Verurteilung oder Anklage – ist völlig inakzeptabel.“

Mit dieser Verhaftungswelle nähert sich die Türkei wieder den Zeiten von 2016 bis 2018 an. Damals befand sich das Land im Ausnahmezustand. Ein Hintergrund war der Wahlerfolg der pro-kurdischen HDP im Jahr 2015, als die Regierungspartei AKP ihre absolute Mehrheit verlor, woraufhin Präsident Recep Tayyip Erdogan einseitig die Friedensverhandlungen mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK aufkündigte. Die PKK wird von Erdogan ebenso wie von der EU als terroristisch eingestuft. Unter dem Vorwand, gegen Terrorismus vorzugehen, greift die Türkei seit Jahren auch legale Teile der kurdischen Bewegung sowie die Zivilbevölkerung an. Damit einher geht weitreichende Repression gegen kritische Medien, Akademikerinnen und Menschenrechtsorganisationen.

Sechs Monate ohne Anklage

Sechzehn der zwanzig Journalistinnen und Journalisten, die für kurdische Medien arbeiten und im Juni festgenommen wurden, wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Konkret behaupten die Behörden, die Medienschaffenden wären Teil der kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Ihre Namen lauten: Serdar Altan, Ko-Vorsitzender des Journalistenvereins Tigris-Euphrat (DFG); Safiye Alagas, Leiterin der Frauennachrichtenagentur JinNews; Mehmet Ali Ertas, Chefredakteur der Website Xwebûn; Aziz Oruc, der Herausgeber der Mezopotamya Agency (MA); sowie Zeynel Abidin Bulut, Omer Celik, Mazlum Dogan Güler, İbrahim Koyuncu, Nese Toprak, Elif Üngür, Abdurrahman Oncü, Suat Doguhan, Remziye Temel, Ramazan Geciken, Lezgin Akdeniz und Mehmet Sahin.

In Verhören fragte man sie nach ihren Aktivitäten in den sozialen Netzwerken, nach ihren Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen sowie nach Verbindungen zu pro-kurdischen Medien, die in EU-Ländern ansässig sind. Dies berichten die Anwältinnen und Anwälte der Betroffenen. Außerdem sollten sie ihre Sicht auf die kurdische Frage darlegen und erläutern, ob sie die „Zusammenstöße“ zwischen türkischen und kurdischen Kräften im Nordirak und an der syrischen Grenze als „Krieg“ definieren.

In den sechs Monaten seit ihrer Verhaftung wurde weder Anklage gegen sie erhoben, noch kam es zu einer Gerichtsverhandlung. Und das, obwohl laut türkischem Strafprozessrecht gegen Personen, die wegen Terrorismus-Vorwürfen verhaftet werden, innerhalb von vier Tagen Anklage erhoben werden muss. Verlängert werden kann diese Frist maximal um wenige Tage und nur mit richterlicher Zustimmung.

Behörden unterstellen Aktivismus

Am 25. Oktober wurden zehn weitere kurdische Medienschaffende in Gewahrsam genommen. Auch ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Vier Tage später, am 29. Oktober, erging Haftbefehl gegen: die Chefredakteurin der Mezopotamya Agency (MA) Diren Yurtsever, ihre Reporterinnen und Reporter Berivan Altan, Deniz Nazlim, Selman Güzelyüz, Hakan Yalcin, Ceylan Sahinli und Emrullah Acar sowie Habibe Eren und Öznur Değer von JinNews. Mehmet Günhan, der eine Zeit lang Volontär bei MA war, wurde unter Auflagen freigelassen.

Diese Journalistinnen und Journalisten wurden in Verhören zu ihrer Mitgliedschaft im Journalistenverein Tigris-Euphrat (DFG), zu Inhalten ihrer Nachrichten, Verbindungen zu anderen Medien, Posts in sozialen Netzwerken sowie Reisen befragt. Sie sollten zudem erklären, von wem sie Anweisungen erhielten, wie sie zu berichten hatten.

Insgesamt sind in der Türkei zum aktuellen Zeitpunkt 24 Medienschaffende inhaftiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 149 von 180 Ländern.

Mehr Informationen zur Lage der Pressefreiheit in der Türkei unter www.reporter-ohne-grenzen.de/tuerkei.

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Reporter ohne Grenzen e.V.
Postfach 304108
10756 Berlin
Telefon: +49 (30) 60989533-0
Telefax: +49 (30) 2021510-29
http://www.reporter-ohne-grenzen.de

Ansprechpartner:
Reporter ohne Grenzen e.V.
Telefon: +49 (30) 60989533-0
E-Mail: kontakt@reporter-ohne-grenzen.de
Für die oben stehende Pressemitteilung ist allein der jeweils angegebene Herausgeber (siehe Firmenkontakt oben) verantwortlich. Dieser ist in der Regel auch Urheber des Pressetextes, sowie der angehängten Bild-, Ton-, Video-, Medien- und Informationsmaterialien. Die United News Network GmbH übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Vollständigkeit der dargestellten Meldung. Auch bei Übertragungsfehlern oder anderen Störungen haftet sie nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Nutzung von hier archivierten Informationen zur Eigeninformation und redaktionellen Weiterverarbeitung ist in der Regel kostenfrei. Bitte klären Sie vor einer Weiterverwendung urheberrechtliche Fragen mit dem angegebenen Herausgeber. Eine systematische Speicherung dieser Daten sowie die Verwendung auch von Teilen dieses Datenbankwerks sind nur mit schriftlicher Genehmigung durch die United News Network GmbH gestattet.

counterpixel