Im kommenden Jahr feiert die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ihr 30-jähriges Bestehen. Den Empfehlungen einer Expertenkommission zur Neukonzeption der ehemaligen Nationalen Mahn- und Gedenkstätte der DDR folgend, gründete das Land Brandenburg zum 1. Januar 1993 eine unabhängige Stiftung des öffentlichen Rechts, die gemeinsam von Land und Bund getragen wird. Aus Anlass des Jubiläums wird im Herbst 2023 auf Einladung von Ministerpräsident Dietmar Woidke und der Gedenkstättenstiftung ein Festakt stattfinden.

Anlässlich des 30. Jahrestages der Gedenkstättenstiftung am 1. Januar 2023 erklärt Ministerpräsident Dietmar Woidke: „Die brandenburgischen Gedenkstätten sind Orte, die berühren, bewegen und wachrütteln. Und das sollen sie! Sie halten die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Folgen des Zweiten Weltkriegs lebendig. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, immer wieder an den Grundkonsens unserer Gesellschaft zu erinnern: `Nie wieder Faschismus`. Diese Botschaft bleibt uns wichtige Mahnung über alle Generationen hinweg.

Die Gedenkstätten schaffen durch ihre Arbeit schon bei jungen Menschen das Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, Rechtsextremismus, Antisemitismus und der Ausgrenzung von anderen Kulturen, Religionen oder aufgrund der Herkunft entschieden entgegenzutreten. Brandenburg war das erste Land, das eine Gedenkstättenstiftung zur Mahnung an die Opfer von Terror, Krieg und Gewaltherrschaft gründete. Andere Länder folgten diesem Beispiel. Mein Dank gilt vor allem den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung, die mit Leidenschaft und großer nationaler sowie internationaler Reputation der Vergangenheit ein Gesicht geben.“

Kulturministerin Manja Schüle: „Leon Schwarzbaum, Elisabeth Vakalopoulou, Alexander Fried, Alfons Studzinski – vier Menschen, die den NS-Terror in Sachsenhausen und Ravensbrück überlebt haben. Vier Verfolgte, die in diesem Jahr verstorben sind. Die authentischen und berührenden Stimmen der Überlebenden verstummen mehr und mehr. Wir sind dafür verantwortlich, dass sie nicht endgültig dem Vergessen anheimfallen. Auch deshalb wurde vor 30 Jahren die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten gegründet, gerade deshalb benötigen wir sie heute mehr denn je. Und wir brauchen sie, um Antworten zu finden auf den zunehmenden Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus.

Ich bin der Stiftung dankbar, dass sie mit innovativen Angeboten, virtuellen Projekten und digitaler Geschichtsvermittlung neue Wege in der Erinnerungsarbeit geht – etwa mit internationalen Jugend-Workcamps, partizipativ kuratierten Ausstellungen, neuen inklusiven Formaten bei Führungen und Workshops, barrierearmen Webseiten. Und mich beeindruckt, mit wie viel Empathie das Team um Axel Drecoll den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer begegnet. Das gilt explizit für alle Opfergruppen: Viele Stätten nationalsozialistischer Verbrechen in Brandenburg waren auch nach Kriegsende Orte des Unrechts und der Menschenfeindlichkeit in der SBZ und der DDR. Wir erleben gerade, welche Auswirkungen Gewalt und Despotie haben – die Schicksale der Verfolgten und die Gedenkstätten der SBG machen eindrücklich klar, warum es so wichtig ist und bleibt, gegen das Vergessen, Verdrängen und Verleumden zu kämpfen.“

Stiftungsdirektor Axel Drecoll: „In den vergangenen 30 Jahren haben sich die Gedenkstätten der Stiftung zu bedeutenden europäischen Gedenk- und Lernorten entwickelt. Auf diesem Fundament gilt es nun, die historischen Orte im Hinblick auf künftige Herausforderungen weiterzuentwickeln. Mit den vor wenigen Tagen durch den Stiftungsrat verabschiedeten Zielplanungen für die Gedenkstätten Ravensbrück und Sachenhausen haben wir die dafür erforderlichen konzeptionellen Grundlagen geschaffen.

Die zum Teil mehr als 20 Jahre alten Ausstellungen müssen dringend erneuert werden. Im Bereich der Digitalisierung gibt es einen großen Nachholbedarf, der sowohl die Vermittlung als auch die Sicherung, Erschließung und Zugänglichkeit der Sammlungen betrifft. Gleichzeitig bleibt der Erhalt der denkmalgeschützten Gebäude und Relikte, deren Zeugnischarakter mit dem Ende der Zeitzeugenschaft immer wichtiger wird, eine dauerhafte Aufgabe. Damit die Gedenkstätten auch künftig als Zentren eines kritischen Geschichtsbewusstseins in die Gesellschaft wirken können, sind in den kommenden Jahren erhebliche Anstrengungen erforderlich, bei denen wir weiterhin auf die Unterstützung des Landes und des Bundes hoffen.“

Wenige Jahre nach der deutschen Einheit stand die Stiftung vor der Herausforderung, die ehemaligen Nationalen Mahn- und Gedenkstätten der DDR in Sachsenhausen (mit der Außenstelle Todesmarsch im Belower Wald), Ravensbrück und im ehemaligen Zuchthaus Brandenburg-Görden inhaltlich und konzeptionell zu erneuern. In den zurückliegenden Jahren wurden sie umfassend neugestaltet und um historische Flächen erweitert. Dabei nahm die denkmalgerechte Sanierung der historischen Gebäude einen großen Stellenwert ein.

Grundlegende neue Forschungsergebnisse flossen in neue Dauerausstellungen ein. Dies gilt nicht zuletzt für das Museum zur Geschichte des sowjetischen Speziallagers, das 2001 in der Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnet wurde. Parallel konnten die musealen Sammlungen durch die Erschließung neuer Quellenbestände und die Übernahme zahlreicher Nachlässe von Überlebenden erheblich erweitert und in Sachsenhausen und Ravensbrück in neuen Depotgebäuden untergebracht werden. Für die Sanierung und Neugestaltung der historischen Orte wurden von 1993 bis 2022 rund 78,7 Mio. Euro aufgewendet.

Ein erster Höhepunkt der Stiftungstätigkeit waren die Veranstaltungen zum 50. Jahrestag der Befreiung 1995, an denen auf Einladung der Landesregierung rund 3.000 Überlebende aus aller Welt teilnahmen, von denen die meisten erstmals wieder an den Ort ihrer Leiden zurückkehrten. Dies und die nachfolgenden runden Jahrestage, die in ähnlicher Weise begangen wurden, haben wesentlich zu der großen Anerkennung beigetragen, die die Arbeit der Stiftung und der Gedenkstätten international gefunden hat.

Seit 2008 wird die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam von der Stiftung treuhänderisch verwaltet. Am Ort der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel konnte die Stiftung 2012 eine neue Gedenkstätte eröffnen, die sich als Vorreiter einer inklusiven Gedenkstättenarbeit profiliert hat. 2023 soll die Gedenkstätte Lieberose, die an ein KZ-Außenlager erinnert, dessen Baracken später als sowjetischen Speziallager genutzt wurden, in die Stiftung integriert und anschließend weiter ausgebaut werden. Die Gedenkstätten der Stiftung präsentieren sich heute als zeithistorische Museen mit besonderen bildungspolitischen und humanitären Aufgaben, die in den vergangenen 30 Jahren von rund 15 Millionen Menschen aus aller Welt besucht wurden.

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