Im Dezember 1982 wurde die Kinderkrebshilfe Münster e.V. gegründet; ein Förderverein von Eltern, deren Kinder von einer Krebserkrankung betroffen waren. Mit der auf Spenden basierenden Bereitstellung von Geldern fördert die Kinderkrebshilfe vor allem Stellen in der psychosozialen Versorgung von krebserkrankten Kindern und Jugendlichen und leistet Anschubfinanzierungen im Bereich der Krebsforschung. Für die Therapie der Betroffenen ist die Leistung des Fördervereins immens wertvoll, sagt die Direktorin der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am UKM (Universitätsklinikum Münster), Prof. Claudia Rössig. Und auch ihr langjähriger Vorgänger im Amt, Prof. Heribert Jürgens, bezeichnet dieses Engagement als unverzichtbar.

40 Jahre Kinderkrebshilfe Münster: Warum ist aus Sicht der Kinderonkologie die Unterstützung durch den Elternverein nicht mehr wegzudenken?

Rössig: Der Verein ist unersetzbar, weil er eine Lücke schließt. Über die vergangenen Jahrzehnte konnten Therapien entwickelt werden, die es heute vielen Kindern ermöglichen, ihre Krebserkrankung zu überleben und wieder gesund zu werden. Allerdings zu einem hohen Preis: Die Therapien sind extrem belastend und langwierig. Medizinisch können wir die Kinder mit unserem Pflegeteam und dem ärztlichen Team hier exzellent betreuen. Die im Krankenhaussystem finanzierte Basisversorgung durch Fallpauschalen sieht hingegen nur eine sehr rudimentäre psychosoziale Versorgung vor. Mit der Unterstützung des Vereins können wir das psychosoziale Team der Klinik um viele Personen erweitern. In den Spielzimmern sorgen diese dafür, dass sich die Kinder unter den schwierigen Umständen so wohl wie möglich fühlen und weniger über ihre Erkrankung nachdenken. Hinzu kommen Musik-, Kunst- und Sporttherapie, und eine psychologische Begleitung auch der Eltern. In unserem Alltag ist der Verein damit an jeder Ecke präsent und nie wegzudenken.

Jürgens: Der Förderverein hilft uns, das Ohr ganz nah an den Bedürfnissen der Kinder und Familien zu haben. Neben dem, was der Förderverein durch Stellen fördert, ist er außerdem enorm wichtig dafür, dass die Familien und die Klinik in einem ständigen Austausch sind. Wir haben da über die Jahre viel voneinander gelernt, zum einen, was die Bedürfnisse angeht, zum anderen, wie wir das in unserer Arbeit dann umsetzen können. Die Vereinsmitglieder wissen, weil sie selbst meist betroffen waren, wie es den Familien geht. Die Hilfe kommt hier unbürokratisch und nach ernsthaftem Austausch zu unserem Bedarf direkt an. So ist die Kinderkrebsmedizin zu einem Paradigma für den Wechsel von einem patriarchalischen zu einem partnerschaftlichen Arzt-Patientenverhältnis geworden.

Wo wollen die Kinderonkologie am UKM und die Kinderkrebshilfe Münster in Zukunft gemeinsam hin?

Rössig: Gemeinsam streben wir an, dass irgendwann diese schweren und belastenden Therapien nicht mehr nötig sind. Unser Ziel ist, dass alle Kinder und Jugendlichen gesundwerden, und zwar mit schonenderen Verfahren, mit denen sie ganz schnell wieder auf den Beinen sind und der ganze Schrecken überstanden ist. Von diesem großen Ziel sind wir zwar heute noch weit entfernt, kommen ihm aber näher, z.B. mit neuen Verfahren wie der CAR-T-Zell-Therapie. Die Grundlage dafür ist medizinische Forschung. Mit der Entwicklung wirksamer Therapien für Krebserkrankungen, die heute immerhin zwei Drittel der betroffenen Kinder und Jugendlichen langfristig heilen, ist die Kinderonkologie eine gewaltige Erfolgsgeschichte, und die wollen und müssen wir fortführen. Ein lokaler Verein kann zwar keine vollständige Projektförderung leisten, dafür ist Krebsforschung zu teuer. Jedoch kann der Verein sehr wertvolle Beiträge leisten, durch Finanzierung wichtiger Geräte, Anschubfinanzierung von neuen Projekten oder durch die übergangsweise Beschäftigung von wissenschaftlichem Personal bis zur erfolgreichen Einwerbung von Mitteln aus nationalen und internationalen Forschungsfonds. Für die wissenschaftliche Leistung unserer Klinik und damit unseren Beitrag zur Zukunftsentwicklung hat die Kinderkrebshilfe damit für uns einen enormen Stellenwert.

Sollte die auskömmlich gute Finanzierung der Kinderonkologie in Deutschland nicht grundsätzlich durch das Gesundheitssystem refinanziert sein, damit es nicht dermaßen hoher Spendenbereitschaft bedarf?

Jürgens: Fördervereine sind subsidiär und sie arbeiten da, wo Politik nicht alles abdecken kann. Fördervereine setzen unter anderem auch die Paradigmen, die die Politik dann hinterher aufgreift. Es gäbe keine Psychoonkologie ohne die Initiative, die die Fördervereine in Gang gesetzt haben. Es gibt keine lokale Forschung, ohne dass da irgendwer in Vorleistung tritt. So kenne ich weltweit kein Zentrum für Kinderkrebsmedizin, das ohne die Hilfe und Unterstützung der betroffenen Familien in Form von Fördervereinen auskommt, und die Kinderkrebshilfe Münster hat mit ihrer 40jährigen Geschichte ganz wesentlich zu diesem Erfolg beigetragen.

Rössig: Trotzdem wünsche ich mir für das Gesundheitssystem in Deutschland, dass alle Kerninhalte der Versorgung schwer erkrankter Kinder und Jugendlicher von der Solidargemeinschaft getragen werden, und dazu gehört selbstverständlich auch die optimale psychosoziale Versorgung der Kinder und ihrer Familien. In diesem Sinne wirken wir auch so gut wir können auf die politischen Entscheidungstragenden ein. Gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern des Vereins haben wir viele Ideen, wie wir die Spendenmittel im Sinne aktueller und zukünftiger Patientinnen und Patienten auch dann noch sehr sinnvoll einsetzen könnten, wenn die Verantwortung für die Basisversorgung vom Gesundheitssystem übernommen würde.

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