Erstmals konnten Biogasanlagen ihren Strom auskömmlich an der Börse verkaufen, unabhängig vom EEG. Eine für die Branchenteilnehmer neue Erfahrung – die zum Jahresende mit der Diskussion um die „Erlösabschöpfung“ drohte, ins Gegenteil zu kippen. Zu einer Zeit, als Biomasse nach Kohle und Atom zum Teil drittstärkster Energielieferant in Deutschland war. Am Ende ist es gut ausgegangen – aber eine große Verunsicherung und Skepsis bleibt zurück.

Es war das krasseste Jahr, an das er sich erinnern könne, resümiert der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Ein Jahr mit außergewöhnlichen Hochs und extremen Tiefs für die Biogasbranche.

Die Achterbahnfahrt begann mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der damit ausgelösten Gaskrise. Der Ruf nach verlässlichem, bezahlbarem, regionalem Gas wurde laut – und viele Biogas-Anlagenbetreiber und Firmen fühlten sich berufen, in der Not zu helfen. Doch das Wirtschaftsministerium suchte zur Lösung des Problems Gespräche mit Saudi-Arabien und Qatar statt mit deutschen Landwirten, die eine spontane Steigerung ihrer Gaserzeugung um 20% versprachen – ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen.

Eine Reaktion aus dem Wirtschaftsministerium blieb lange aus; erst spät wurde die Höchstbemessungsleistung ausgesetzt und der Güllebonus flexibilisiert, um kurzfristig mehr Gasproduktion zu ermöglichen. Und auch im Osterpaket der Ampel-Koalition fand Biogas wenig Beachtung – mit dem Verweis auf die bevorstehende Biomasse-Strategie. „Es ist für uns nicht zu verstehen, warum sich das Wirtschaftsministerium in der aktuellen Situation noch immer so schwer mit Biogas tut“, sagt Seide.

Vor allem da die Biogasanlagen dazu beigetragen haben, dass der Strompreis in der angespannten Lage nicht noch stärker gestiegen ist. „Die Betreiber flexibilisierter Anlagen konnten einerseits erstmals ohne EEG-Vergütung ihren Strom an der Börse verkaufen und haben trotzdem noch den Börsenstrompreis gesenkt, der ansonsten von den noch viel teureren Gaskraftwerken bestimmt worden wäre“, erklärt Seide.

Zur Mitte des Jahres wähnte man sich auf einem guten und zukunftsträchtigen Weg, die Bedeutung des Energieträgers schien wahrgenommen zu werden. Viele Betreiber reinvestierten ihre Mehrerlöse in neue Speichertechnik und Motoren, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

Hinzu kam das große Interesse an Biogaswärme. „Viele Menschen machten sich Sorgen um ihre Wärmeversorgung und suchten den Kontakt zur benachbarten Biogasanlage, um an das Wärmenetz angeschlossen zu werden“, sagt der Verbandspräsident.

In diese Zeit sickerten die ersten Gerüchte um eine Strompreisbremse und die Erlösabschöpfung: Rückwirkend, alle Anlagen, 90% des Erlöses sollten abgeschöpft werden – „Das wäre das Aus für sehr viele Biogasanlagen gewesen“, betont Seide.

„Was folgte war eine unfassbare „Mobilmachung“ der Branchenakteure, die in zahllosen Einzelgesprächen mit den Abgeordneten das Problem erläuterten“, sagt Seide. Es sei letztendlich der Arbeit der Abgeordneten und der Unterstützung aus den Energieministerien verschiedener Bundesländer zu verdanken, dass Biogas in Deutschland weiter machen kann. „Viele Abgeordnete haben mit Herzblut und Engagement im Hintergrund mit dem BMWK intensive Gespräche und Abstimmungen im Sinne der Biogasbranche geführt“, weiß Seide. Dies sei ein gutes Beispiel für eine funktionierende parlamentarische Demokratie.

Wie wichtig die Bioenergie für das Gelingen der Energiewende sei haben einige Tage im Dezember gezeigt, an denen Biogas hinter Kohle und Atom der drittstärkste Energieerzeuger war – „und dass wir aus Kohle und Atomkraft so schnell wie möglich raus wollen ist ja unbestritten“, ergänzt Seide.

Das Jahr 2023 habe trotz oder auch gerade wegen der vielen Aufs und Abs für die Branche einen großen Imagegewinn gebracht, was sich in der jährlichen Umfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) widerspiegelt, die in diesem Jahr ihren Fokus auf die Bioenergie gelegt hat. Die Zahl der Menschen, die eine Biogasanlage in ihrer Nachbarschaft begrüßen würden, ist um 12 Prozentpunkte gestiegen – was sicherlich auch mit der Biogaswärme zu tun hat, vermutet Seide.

„2023 wird ein wegweisendes Jahr für die deutsche Biogasbranche“, prophezeit der Präsident. Die Biomassestrategie der Bundesregierung werde die Weichen für die nächsten Jahre stellen. Für immer mehr Anlagen endet der EEG-Vergütungszeitraum. 2004 begann der Ausbau der Biogasnutzung in Deutschland im großen Stil – für diese Anlagen wäre ohne passende Anschlussregelung 2024 Schluss. „Die Biogasbranche braucht eine verlässliche und reelle Perspektive von der Politik“, fordert Seide. Um die vielen Aufgaben zu erfüllen: flexible Stromeinspeisung, Wärmeversorgung, Gasbereitstellung, Kraftstoff, Düngung, Artenvielfalt.

„Es wird ein spannendes neues Jahr – und ich bin zuversichtlich, dass wir es zum Guten für die Biogasnutzung und damit für die zukunftsfähige Energieversorgung Deutschlands gestalten werden“, sagt Fachverbandspräsident Horst Seide.

Über den Fachverband Biogas e.V.

Der Fachverband Biogas e.V. vertritt die Biogasbranche im Dachverband der Erneuerbaren Energien, dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) e.V. Mit über 4.700 Mitgliedern ist er Europas größte Interessenvertretung der Biogasbranche. Der Fachverband Biogas e.V. setzt sich bundesweit ein für Hersteller und Anlagenbauer sowie landwirtschaftliche und industrielle Biogasanlagenbetreiber. www.biogas.org

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