Aufgrund der Entscheidung der EU-Kommission, dem maßgeblich in NRW entwickelten Verfahren zur Ermittlung von nitratbelasteten Regionen – auf Grundlage einer Kombination aus Messungen und Modellberechnungen – die Anerkennung zu verweigern, ist eine erneute Änderung der Landesdüngeverordnung erforderlich. Auf der Grundlage einer neugefassten, deutschlandweit einheitlichen Verwaltungsvorschrift sind die Kulissen für Gebiete, bei denen von erhöhten Nitratbelastungen im Grundwasser oder einer Phosphatbelastung im Gewässer ausgegangen wird, neu abzugrenzen. In den als belastetet identifizierten Gebieten müssen Betriebe über die allgemein geltenden Vorschriften zur Düngung hinausgehende zusätzliche Vorgaben einhalten, wie etwa die Reduktion der Stickstoffdüngung auf 80 % des Pflanzenbedarfs. Anders als die erst Anfang 2021 eingeführte Regelung, bei der diese Einstufung anhand von tatsächlichen Ertrags- und Düngeverhältnissen unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten wie Boden und Niederschläge berechnet wurde, beruht die neue Gebietskulisse nunmehr ohne Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis alleine auf den an Messstellen festgestellten Nährstoffkonzentrationen. Diese lassen, wenn überhaupt, nur begrenzte Aussagen zu den Auswirkungen der aktuellen Düngung zu.

„Die Neuausweisung der nitratbelasteten Gebiete geht an der Realität vorbei“, kritisiert der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, Bernhard Conzen, die Forderung der EU, wonach die Gebietsausweisung den Fokus einseitig auf Messstellen legt. Nach Auffassung des RLV-Präsidenten ist das Messstellensystem allenfalls geeignet, sich einen Überblick zur Beschaffenheit der Qualität des Grundwassers zu verschaffen. Keinesfalls, so Conzen, taugt ein auf Messstellen bezogenes grobes Raster dazu, kleinräumig einzelbetriebliche Auflagen festzusetzen. In manchen Gebieten liegen die für die Einstufung berücksichtigen Messstellen mehrere Kilometer von der bewirtschafteten Fläche eines Landwirts entfernt. Dieser wird durch die jetzt von der EU erzwungenen Vorgaben faktisch in Sippenhaft genommen, obwohl der Einfluss seiner aktuellen Bewirtschaftungspraxis auf das Messergebnis nicht belegbar ist. Conzen bemängelt, dass „mit Messwerten, die aufgrund der trägen Umsetzungsprozesse im Boden oft genug eine in der Vergangenheit entstandene Belastungssituation widerspiegeln, Bewirtschafter in der Gegenwart unberechtigterweise zu Maßnahmen gezwungen werden, die unkalkulierbare Rückwirkungen auf die Qualität und Menge der Ernte haben können.“

Fehlbeurteilungen dieser Art aufzulösen war das Ziel von Experten der Land- und Gewässerwirtschaft sowie der Umwelt- und Landwirtschaftsbehörden in NRW, ein wissenschaftlich abgesichertes Modellkonzept zu entwickeln, mit dem Ursache und Wirkung von Nitratumsetzungen sicherer und zeitgerechter abgebildet werden können. Mit diesem modernen Verfahren, das von allen Bundesländer adaptiert wurde, war Anfang 2021 eine Flächenkulisse ermittelt worden, die für die Belastung mit Nitrat einen Umfang von rund 165.000 ha in NRW aufweist. Demgegenüber wird die jetzt neu ermittelte Kulisse auf das Dreifache anwachsen. Dadurch werden zahlreiche Betriebe zusätzlich mit Einschränkungen bei der Düngung belegt, was mit Nichten zu rechtfertigen sei, zeigt sich der Vertreter der rheinischen Bauern über das Vorgehen entsetzt. Im Zeitalter der Digitalisierung halte Europa anders als in vielen anderen Bereichen, so etwa bei der Beurteilung von Klimaveränderungen, an analogen Messstellen fest und begründet damit massive Eingriffe in die Bewirtschaftung. „Diese Willkür muss ein Ende haben“, fordert Conzen, der dies auch in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen deutlich artikuliert hatte.

Erfreulich sei, so Conzen, dass NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen gemeinsam mit anderen Bundesländern und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein Verfahren zur verursachergerechten Einstufung gegenüber der EU-Kommission einfordere.

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