Die Qualität der Patientenversorgung auf intensiv- und notfallmedizinischen Stationen hängt maßgeblich davon ab, wie diese strukturiert und personell sowie baulich ausgestattet sind. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat bereits im Jahr 2010 Empfehlungen für eine adäquate Struktur und Ausstattung publiziert, die für die damaligen Rahmenbedingungen geschaffen waren. Mehr als zwölf Jahre später haben sich die Bedingungen im deutschen Gesundheitswesen und vor allem in der Intensiv- und Notfallmedizin deutlich verändert – dabei stehen Themen wie Pflegepersonaluntergrenzen und Vorhaltung von Intensivbetten im Vordergrund einer intensiv geführten Debatte. „Aufgrund dieser Entwicklungen war es notwendig, die Empfehlungen komplett zu überarbeiten und an den Stand der aktuellen Erkenntnisse anzupassen“, kündigt DIVI-Präsident Prof. Gernot Marx heute an. „Hieran haben wir mit vereinten Kräften in den letzten zwei Jahren intensiv gearbeitet. Ein Meilenstein für die Zukunft der Intensivmedizin!“

Die DIVI hat also die neuen DIVI-Strukturempfehlungen 2022 veröffentlicht. Orientiert haben sich die Autoren der Leitlinie nicht nur an ökonomisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern vor allem auch an neuen internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Standards und Empfehlungen. „Nur so lässt sich hierzulande die Spitzenqualität von intensivmedizinischer Versorgung im internationalen Vergleich sichern!“, sagt Professor Dr. med. Christian Waydhas, DIVI-Präsidiumsmitglied und Koordinator der zukunftsweisenden neuen Empfehlung. „Einzig auf diese Weise können wir deutschen Intensiv- und Notfallmediziner weltweit an der Spitze mithalten.“

In den neuen Strukturempfehlungen steckt außerordentlich viel interprofessionelle und interdisziplinäre Arbeit: Zentral war die enge Zusammenarbeit des ärztlichen und pflegerischen Bereichs. Zusätzlich an der Erarbeitung in den letzten zwei Jahren beteiligt waren die DIVI-Sektionen Angewandte Pharmakotherapie in der Notfall- und Intensivmedizin, Ethik, Metabolismus und Ernährung, Qualitätssicherung und Ökonomie, Pflegeforschung und Pflegequalität, Perspektive Resilienz und Psychologische Versorgungsstrukturen in der Intensivmedizin.

Wesentliche Änderungen in 2022 gegenüber 2010

An mehreren Stellen der neuen Empfehlungen gibt es wesentliche Änderungen, die der aktuellen Versorgungssituation besser entsprechen sollen. Während zum Beispiel in der 2010er-Version nicht zwischen verschiedenen Versorgungsstufen unterschieden wurde, empfiehlt das aktuelle Papier ein 3-Stufen-Modell: Stufe 1 entspricht der intensivmedizinischen Basisversorgung, Stufe 2 der erweiterten intensivmedizinischen Versorgung und Stufe 3 der umfassenden intensivmedizinischen Versorgung, so wie es auch für die Notfallversorgung an den Krankenhäusern vorgesehen ist. „Durch diese wichtige Neuerung werden nicht alle Einrichtungen etwa bei den Personalbemessungsgrenzen über einen Kamm geschoren. Die intensivmedizinischen Stationen unterscheiden sich teilweise sehr stark hinsichtlich ihrer zu versorgenden Patienten, deswegen sollte auch die Ausstattung nach einem Stufenmodell geregelt werden“, erklärt Professor Waydhas.

Auch der Schweregrad von Krankheiten findet in den neuen Empfehlungen Berücksichtigung. „Das heißt, dass diejenigen Stationen, die nachweislich mehr schwerkranke Menschen behandeln, auch mehr Personal zur Verfügung bekommen sollten als solche Stationen, auf denen Menschen weniger schwer erkrankt sind“, so der Koordinator.

Teams sollen sich wieder mehr auf Kernaufgaben konzentrieren können

Wert wurde in den neuen Strukturempfehlungen auch darauf gelegt, durch welche Maßnahmen sich Ärzte wie Pflegefachkräfte wieder besser auf ihre Kernarbeit – die Patientenversorgung – konzentrieren können. Dazu werden Vorschläge gemacht, inwiefern zusätzliches entsprechend ausgebildetes Personal etwa Aufgaben in der Administration, Verwaltung, Dokumentation oder Organisation übernehmen und so entlasten könnte. „Eine weitere Key Message dieses wichtigen Papiers ist: Wir benötigen noch andere Berufsgruppen, die im intensivmedizinischen Team stark mitwirken und wichtig sind für den Teamerfolg – die Stationsapotheker zum Beispiel“, erklärt Professor Waydhas.

Umsetzung der Empfehlungen ist große Gemeinschaftsaufgabe

Die Hoffnung der DIVI ist groß, dass die dringend notwendigen Empfehlungen in den nächsten Jahren auch sukzessive umgesetzt werden. „Sonst werden wir zurückfallen in der medizinischen Versorgungsqualität im internationalen Vergleich“, so Waydhas. Dafür gelte es auch zu investieren – ohne dass die Kosten explodieren müssen. Die Umsetzung sei eine große Gemeinschaftsaufgabe: „Mit den neuen Empfehlungen wenden wir uns nicht nur an das medizinische und pflegerische Personal, sondern auch an die Kostenträger, an die Politik und letztlich auch an die Gesellschaft. Solche wichtigen fundamentalen Änderungen können nur gemeinsam und durch äußere Regeln realisiert werden“, ist sich Waydhas sicher.

Vorstellung auf dem DIVI22 und im DIVI-TV-Studio

Der Zeitpunkt der neuen Publikation hätte zudem nicht besser sein können: Professor Christian Waydhas und Thomas van den Hooven, die jeweils die ärztlichen und pflegerischen Belange in Persona vertreten, werden die neuen DIVI-Strukturempfehlungen auf dem DIVI22, dem größten Intensivmediziner-Kongress im deutschsprachigen Raum mit mehr als 5.000 Teilnehmern, jetzt am Mittwoch, den 30. November, ab 10:30 Uhr dem interessierten Fachpublikum und der Presse vortragen.

Auch im DIVI-TV-Studio, das begleitend für jeden Interessierten im Livestream über die Website zu sehen ist, werden Waydhas und van den Hooven die Empfehlungen vorstellen und weitere Fragen beantworten: am Freitag, den 2. Dezember 2022, von 12:00 bis 12:30 Uhr.

Die neue DIVI-Strukturempfehlung 2022 erscheint als PDF in zwei Versionen:

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