Die Warnungen vor Betriebsaufgaben, Produktionsverlagerungen und Stellenstreichungen werden angesichts der explodierenden Energiepreise lauter. Von zahlreichen Hilferufen aus der Wirtschaft und der Gefahr einer schleichenden Deindustrialisierung warnte vergangene Woche die Hauptgeschäftsführerin der IHK Heilbronn-Franken, Elke Döring, in einem gemeinsamen Appell von IHK, Handwerkskammer und Arbeitgebern an die Politik, die Unternehmen in der aktuellen Krise schnell und effizient zu unterstützen.
Die Befürchtungen, angesichts explodierender Energiepreise auf dem Markt nicht länger bestehen zu können, sind in den heimischen Betrieben angekommen. Das belegt der jüngste Wirtschaftslagebericht der IHK Heilbronn-Franken für das 3. Quartal 2022 nun mit Zahlen. Danach berichten 39 Prozent (Vorquartal 43 Prozent) der 389 befragten Betriebe aller Branchen zwar noch von einem guten Geschäftsverlauf, aber nur noch 14 Prozent (Vorquartal 21 Prozent) wagen eine positive Prognose für die nächsten zwölf Monate. Und fast alle (80 Prozent) machen die Energiepreise als mit Abstand größtes Geschäftsrisiko aus. Entsprechend zurückhaltend sind die Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Personalpolitik. „Das Gros konzentriert sich vor dem Hintergrund der Energiekrise und mit Blick auf den Fachkräftemangel vor allem darauf, Mitarbeiter zu halten“, so Elke Döring, die sich dennoch insgesamt beeindruckt zeigt von der Widerstandsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. „Die aktuellen Geschäftszahlen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unternehmen in einer der schwersten Krisen seit Ende des Zweiten Weltkriegs stecken und viele von ihnen längst ums nackte Überleben kämpfen.“
Industrie
Besonders pessimistisch sind die Aussichten in der Industrie, die maßgeblich die regionale Wirtschaftsentwicklung bestimmt. Dort können zwar noch 40 Prozent der Unternehmen auf einen guten Geschäftsverlauf blicken (Vorquartal 48 Prozent), aber die Aufträge aus dem In- und Ausland gehen zum dritten Mal in Folge seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zurück. 40 Prozent der Industriebetriebe verbuchten im 3. Quartal 2022 Rückgänge bei den Inlandsbestellungen – fast doppelt so viele wie im Quartal zuvor. Bei den Auslandsbestellungen klagen 36 Prozent über Einbußen.
Nur rund ein Zehntel der Industriebetriebe ist nicht von den hohen Strom- und Gaspreisen betroffen. Vor allem haben die Unternehmen lange belastbare Planungen der Politik vermisst, wie der Preisentwicklung begegnet werden soll. Ein Grund dafür, warum die Geschäftserwartungen in der Industrie im 3. Quartal 2022 so pessimistisch ausfallen wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. 42 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine negative Geschäftsentwicklung – mehr als doppelt so viele wie im Quartal zuvor. Nur noch 13 Prozent bleiben insgesamt optimistisch.
Baugewerbe
Selbst im Baugewerbe sind die Erwartungen überwiegend pessimistisch. 60 Prozent der Betriebe erwarten einen ungünstigen Geschäftsverlauf, obwohl sich die konjunkturelle Lage in der regionalen Bauwirtschaft insgesamt wieder leicht verbessern konnte. Mehr als die Hälfte der Betriebe (51 Prozent) bezeichnet die aktuelle Lage als gut, nur drei Prozent als schlecht. Allerding verzeichnet die Branche über alle Teilbereiche hinweg sinkende Auftragseingänge bei deutlich steigenden Kosten. Optimistisch blickt daher kein einziges befragtes Unternehmen in die Zukunft.
Handel
Im regionalen Einzelhandel kämpfen die Unternehmen mit einer zurückhaltenden Kauflaune ihrer Kundschaft. Nur fünf Prozent der Einzelhändler bezeichnen das Verhalten der Kunden als kauffreudig, die Hälfte der Betriebe (49 Prozent) stuft es als zurückhaltend ein. Gut laufen die Geschäfte vor allem in Bau- und Supermärkten sowie in Geschäften für Sportausrüstungen und Spielwaren. Insgesamt bezeichnet ein Drittel der Betriebe (31 Prozent aktuell, 46 Prozent im Vorquartal) den Geschäftsverlauf noch als gut. Die Geschäftserwartungen verschlechtern sich allerdings von Quartal zu Quartal. Mittlerweile blicken 41 Prozent der Einzelhändler pessimistisch in die Zukunft – fast zehn Prozent mehr als im Vorquartal.
Im Großhandel ein ähnliches Bild. Dort rechnet jeder zweite Betrieb mit einer ungünstigen Entwicklung, obwohl sich das Stimmungsbild insgesamt leicht verbessert hat. Nur 5 Prozent sind mit der aktuellen Geschäftslage unzufrieden – halb so viele wie im Frühjahr.
Dienstleistungsgewerbe
Bei den Dienstleistern hat sich in der Beurteilung der Geschäftslage wenig bewegt, auch wenn sich die Zahl derjenigen, die von einer ungünstigen Geschäftsentwicklung ausgehen, mehr als verdoppelt hat (von 20 Prozent auf aktuell 45 Prozent). Ihren aktuellen Geschäftsverlauf beurteilen 40 Prozent der Dienstleistungsunternehmen als gut. Dabei stechen vor allem die ITK-Dienstleister und Unternehmensdienstleister positiv hervor.
Hotel- und Gaststättengewerbe
Das besonders unter den Folgen der Corona-Krise und dem Fachkräftemangel leidende Hotel- und Gaststättengewerbe hat in der Mehrzahl wenig Anlass für Optimismus. Während aktuell noch 24 Prozent (Vorquartal 36 Prozent) der Betriebe eine gute wirtschaftliche Situation melden, befürchten 54 Prozent (Vorquartal 20 Prozent), dass sich die Geschäfte in den kommenden Monaten verschlechtern werden.
„Den Unternehmen fehlt die Perspektive. Die von der Bundesregierung angekündigten Entlastungen und die Empfehlungen der Expertenkommission zum Stopp der Gaspreisentwicklung kommen spät, vielfach wahrscheinlich zu spät. Noch gleiten wir ungebremst in die Rezession. Wenn die Energiepreisentwicklung jetzt nicht schnell abgefedert werden kann, dürfte schon der nächste Quartalsbericht deutlich negativer ausfallen“, prognostiziert IHK-Hauptgeschäftsführerin Elke Döring.
Info Der Konjunkturumfrage der IHK liegen die Ergebnisse aus der Befragung von 389 Betrieben aller Branchen mit insgesamt rund 73.100 Beschäftigten aus dem Kammerbezirk Heilbronn-Franken zugrunde. Den gesamten Wirtschaftslagebericht sowie einen Link auf ein Interview mit IHK-Volkswirtin Dorothee Kienzle gibt es auf heilbronn.ihk.de
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