Erfolgreiche Premiere und ein gern gesehener Gast
Der Eröffnungsabend übertraf alle Erwartungen und wird in die Geschichte des Mundartfestivals eingehen. Die Hommage an den Berner Chansonnier Mani Matter, dessen Tod sich im November zum 50. Mal jährt, riss das Publikum von den Sitzen — grosse Gefühle und Standing Ovations im «Kursaal» Arosa. Das Bieler Jazztrio Roman Nowka’s Hot 3 hatte als Sänger und Gitarristen den grossen Schweizer Popmusiker Stephan Eicher zu Gast. Sie gaben in dieser Formation das erste einer Reihe von Konzerten, die sie im Spätherbst zu Ehren Matters noch planen. «Alpeflug», «Ds Lotti schielet» und all die anderen Lieder, die längst Volksgut sind, ertönten in nie gehörter musikalischer Qualität. Und bei Stephan Eichers Version von «Hemmige» war im Publikum kein Halten mehr. Eicher genoss den Aufenthalt in den Bündner Bergen sichtlich: Er reiste eigens früher an, besuchte einen Match des EHC Arosa und natürlich auch das Arosa Bärenland. Typisch fürs Mundartfestival, dass die junge Bündner Musikerin Any Sabadi mit Eicher auf der Bühne stand. Ihre soulig zeitgemässe Interpretation von Mani Matters «Warum syt dir so trurig?» war äusserst berührend. Schriftstellerin Stef Stauffer sprach darüber, wie Matter ihr Schreiben beeinflusste.
Ein Feuerwerk der Mundart bot sich den Zuschauer:innen in «Ds Beschte vom Beschte» am Freitagabend. Da ist der Name Programm. Insgesamt standen vierzehn Gruppen oder Einzelkünstler:innen im Vier-Minuten-Takt auf der Bühne und gaben kurze Kostproben ihres Repertoires. Moderiert wurde das Gipfeltreffen von Monika Schärer, sie führte gekonnt und wortgewandt durch den abwechslungsreichen Abend. Danach begeisterten Riklin & Schaub mit ihren philosophisch lustigen Liedern. Literarische Entdeckung des Jahres war Lidija Burčak, die aus ihrem Buch «Nöd us Zucker» vortrug.
Musikalische Höhenflüge und starke Frauen
Hoch hinaus ging es am Samstag am Konzert auf dem Weisshorn. Zwar blieb die atemberaubende Aussicht auf die umliegende Bergwelt dieses Jahr verwehrt. Dafür war der Fokus auf die Unterhaltung der Solothurner Kultband Supersiech umso grösser. Das Publikum liess sich von den beseelten Songs begeistern, die Band avancierte zum Publikumsliebling. Verzaubert wurden die Zuschauer:innen am Abend von Heidi Happy. Sie entführte das Publikum gemeinsam mit ihrer Band in ihr musikalisches Gesamterlebnis – mit zarter Stimme, grossartiger musikalischer Begleitung und anregenden Texten. Happy und Frölein Da Capo, die zuvor mit ihrer «Ein-Frau-Show» auf der Bühne stand, bildeten zusammen eine starke Luzerner Ladies Night. Dem künstlerischen Leiter Bänz Friedli ist zu verdanken, dass das Arosa Mundartfestival nicht nur alle Facetten der Mundart aus den verschiedensten Gernres zeigt, sondern eben auch ausgewogen Künsterinnen und Künstlern eine Plattform bietet. «Die Veranstalter, die sich beklagen, es sei schwierig, genügend Frauen im Programm zu haben, kann ich nicht verstehen», sagt er. «Denn es ist ganz einfach: Wer Frauen im Programm will, muss Frauen vepflichten, Punkt.» Friedli ist nach wie vor ganz euphorisch: «Wir sind noch lange nicht fertig! Die Schweiz hat noch so viele verschiedene Dialekte zu bieten – und alle sind sie schön, eigen und besonders.» Für 2023 plant er unter anderem einen Baselbieter Kulturabend. Nie zu kurz kommt natürlich das gastgebende Bündnerland. Diesmal mit dem «Püntnerslampoeten» Jachen Wehrli, dem Autor Andri Perl und eben der Sängerin Any Sabadi.
Am Sonntag kam es krankheitsbedingt zu einem Programmwechsel. Den Musikern von Supersiech gefiel es so gut in Arosa, dass sie spontan für Markus Schönholzer übernahmen und nochmals einige Lieder zum Besten gaben. Eine gelungene Ergänzung zur Lesung des Luzerner Autors Béla Rothenbühler und der Basler Spoken-Word-Literatin Daniela Dill. Für den krönenden Abschluss sorgten Sibylle Aeberli und Stefanie Grob. Sie zeigten einen Ausschnitt aus ihrem aktuellen Programm «Stimmt!» und begeben sich mit dem Publikum auf eine Reise durch die Geschichte der Frau. Ein rasanter Mix aus Spoken Word, Musik und Theater.
Vielfalt im Zentrum, spannende Weiterentwicklungen
Für Roland Schuler, Tourismusdirektor, ist klar: «Das Herzstück des Mundarfestivals bleibt die Vielfalt. Auch wenn wir dieses Jahr zahlreiche renomierte Künstler:innen begrüssen durften. Wichtig ist auch die Weiterentwicklung. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen passenden Formaten, die das Festival bereichern und ergänzen.» So fand dieses Jahr etwa die erste Wörterwanderung mit dem Schweizer «Wanderpapst» Thomas Widmer statt. Eine grosse Gruppe lauschte in der wunderbaren Bergwelt Widmers kundigen und launigen Ausführungen.
Das nächste Arosa Mundartfestival findet vom 5. bis 8. Oktober 2023 statt. Doch ganz so lange müssen Mundartbegeisterte nicht warten. Denn auch in der Zwischenzeit bleibt die Mundartkunst in Arosa präsent. Dank einer eigenen Edition der klingenden Landkarte «Songmapp». Dank dieser App wird Spazieren zum auditiven Kulturerlebnis mit Geschichten und Songs aus früheren Festivalprogrammen. Der preisgekrönte Slam-Poet und Kabarettist Kilian Ziegler, diesjähriger «Artist in Residence», hat dafür eigens mehrere Geschichten über Arosa geschrieben und vertont. So wird aus einer Veranstaltung ein ganzjährig nutzbares Angebot mit einem Mehrwert für die Besucher:innen. Wer das diesjährige Arosa Mundartfestival verpasst hat, hat Glück. Auch dieses Mal hat Radio SRF1 nicht nur live übertragen, sondern zahlreiche Sendungen und Podcasts produziert, die im Verlauf der nächsten Monate ausgestrahlt werden.
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