Viele Nachrichten, wenig Erkenntnisse – so lässt sich der Börsenmonat August zusammenfassen. Zahlreiche Kapitalmärkte zeigten sich gemessen an vorherrschenden optimistischen Erwartungen enttäuscht und gaben die im Juli erzielten Gewinne teilweise wieder ab. „Die Kursschwankungen der letzten beiden Monate sind vermutlich exemplarisch für den weiteren Jahresverlauf, da die politischen wie konjunkturellen Prognosen und die potenziellen Reaktionen der Marktteilnehmer zu unsicher sind und bleiben", befürchtet Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch.

Zahlen und die Erwartungen an ihre Entwicklung bestimmen weitgehend das Kapitalmarktgeschehen. „In vielen Bereichen erscheinen die Zahlen völlig losgelöst von der Realität“, sagt Finanzexperte Böckelmann. So könnten +8 % gestiegene Umsätze und Gewinne inflationsbereinigt eine Stagnation oder sogar Schrumpfung bedeuten. Andererseits könnten sinkende Umsätze und Gewinne einem erfolgreichen Anpassungsprozess geschuldet sein, dem bald eine langfristig positive Entwicklung folgt. „Im Aggregat aller volkswirtschaftlichen Akteure – von privaten Haushalten über Unternehmen bis zu Staaten – bedeuten daher aktuell Zahlen allein wenig, sie sind vielmehr durch hohe Schwankungen und Interpretationsbedarf gekennzeichnet. Denn jeder reagiert anders auf Inflation – der eine zieht Konsum oder Investitionen vor, der andere stellt diese zurück, ein Unternehmen gibt Preiserhöhungen weiter, das andere nicht“, so der Fondsmanager.

Der Kampf der Notenbanken

Fakt sei lediglich, dass langfristige strukturelle Faktoren wie Unterinvestitionen in Energie, Rohstoffe und Infrastruktur und aktuelle politische wie post-pandemische Faktoren von Sanktionen bis hin zu Lieferkettenstörungen sich gegenseitig verstärken und damit eine hartnäckige angebotsbedingte Inflation begünstigt haben. „Dieser kann man zwar nur begrenzt mit Zinserhöhungen begegnen – dennoch bleiben sie erste Wahl der Notenbanken im Kampf um das Vertrauen der Marktteilnehmer, nachhaltig für Preisstabilität zu sorgen“, weiß Böckelmann. Die Äußerung „until the job is done“ des Fed-Präsidenten Jerome Powell während des jüngsten internationalen Notenbanktreffens in Jackson Hole habe daher viele Marktteilnehmer verschreckt. Deren Hoffnung war bereits groß, dass die Notenbank angesichts erster Abschwächungssignale bei Inflation wie Wirtschaftswachstum von aggressiven Zinserhöhungen Abstand nehmen würde. In den Augen des Experten wird jetzt die Gefahr eines geldpolitischen Fehlers – dass die Notenbanken zu lang zu restriktiv agieren und damit unvermeidlich eine Rezession erzeugen – höher eingestuft.

Die Politik ist gefragt

Mehr als bei den Notenbanken liegt der Ball nun im Spielfeld der Politik. Fiskalpolitik kann gegen eine angebotsbedingte Inflation viel mehr bewirken, wenn sie schnell und zielgerichtet erfolgt. Böckelmann warnt: „Allerdings agieren auch hier viele Verantwortliche völlig losgelöst von der Realität und ihren Anforderungen. Ewige Lagerdebatten, teils ideologisch und moralisierend geführt, stehen pragmatischen Ansätzen im Weg. Gerade in Deutschland und Europa wird viel über Zeitenwende geredet, aber Impulse schmerzlich vermisst. Die Ausgangslage für die Politik vor allem im heterogenen Europa ist zugegeben alles andere als einfach. Daher zielt der naive politische Reflex zunächst auf Reglementierung der Märkte sowie mehr Schulden und – besser noch – deren Vergemeinschaftung.“

Laut Böckelmann erfüllen die Märkte aktuell ihre wichtigsten volkswirtschaftlichen Funktionen – einerseits als Signalgeber für Fehlentwicklungen, andererseits in ihrer Lenkungsfunktion für Investitionen: „Dies zu kritisieren oder gar eingreifen zu wollen, erscheint kurzfristig gedacht und sogar verantwortungslos. Vielmehr sollte man gemeinsam mit den Märkten und wirtschaftlichen Akteuren an pragmatischen Lösungen zur Aufhebung der inflationsverursachenden Engpässe arbeiten.“ Der Fondsmanager befürchtet, dass der aktuell zu erlebende Vertrauensverlust zwischen Politik, Märkten und Wirtschaft die nächste große Herausforderung darstellen wird.

Blick nach vorn

Die schon spürbare Konjunkturabschwächung werde die Inflation wieder eindämmen. „Fraglich bleibt, ob wir gegebenenfalls langfristig einen höheren Inflationssockel akzeptieren müssen. Im jetzigen Umfeld, in dem von Rezession bis hin zu moderatem Wachstum viele Szenarien gleich wahrscheinlich sind, halten wir daher an unseren in den meisten Strategien ausgewogenen und qualitätsorientierten Investitionen fest“, so Böckelmann abschließend.

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