In „Schweriner Mordgeschichten. EKHK Raschke ermittelt“ erzählt Ulrich Hinse eben genau diese – allerdings einmal ermittelt Raschke auch in der Türkei. Es geht um … Bitte selber lesen. Und kennen Sie eigentlich Raschkes Vornamen?
Über eine ungewöhnliche Liebe von zwei Jugendlichen zum Ende der DDR-Zeiten schreibt Gabriele Herzog in „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“. Eine spannende Lektüre.
„Elisabeth – Landgräfin von Thüringen. Das irdische Leben einer Heiligen“ – so ist die Spurensuche von Hans Bentzien überschrieben.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute haben wir es mit einem Buch zu tun, das nach Ansicht seines Verfassers eine Art Kommunistisches Manifest der Gegenwart darstellt. Eine wichtige Rolle spielen darin Fragen von Umweltschutz und Klima, die unter kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen nicht angemessen beantwortet werden können. Das könne nur der Sozialismus. Aber hat es überhaupt schon jemals einen wirklichen Sozialismus auf dieser Erde gegeben, so fragt der Autor.
Erstmals 2003 veröffentlichte Gerhard Branstner im trafo verlag Berlin „Branstners Brevier. Textzusammenstellung aus „Die zweite Menschwerdung: Überlebensphilosophie”: Die konsequenteste Kritik des Marxismus ist seine Fortsetzung: Das Brevier ist das Kommunistische Manifest von heute.
Während das Brevier alle drei Stufen der menschlichen Entwicklung authentisch erfasst, erfasst das Kommunistische Manifest weder den Urkommunismus als erste Stufe noch den Kommunismus als dritte Stufe gültig und ist folglich ein Torso.
Im Unterschied zum Manifest ist im Brevier der Mensch Gegenstand. Nämlich in der historischen Entwicklung seiner Sittlichkeit.
Im Unterschied zu Marx, Engels und Lenin enthält das Brevier erstens die Ursache für die Unvermeidlichkeit des Abschieds von der alten Welt, zweitens das große historische Dilemma des Übergangs und drittens die Ursache für die Unvermeidlichkeit der neuen Welt. Vor allem in Erkenntnis der Wirkung des Gesetzes der Einheit von Mensch und Natur.
Das Brevier ist historischer und konkreter als das Manifest und daher operativer, also genau das, was die fortschrittliche Menschheit braucht.
Hier ein kurzer Auszug aus dem Brevier, das sich nicht zuletzt und verdammt folgerichtig mit der Klimakrise befasst:
„III. Der reale Kapitalismus
Das unverdiente Glück des Kapitalismus ist, dass er sich mit dem kranken Sozialismus, mit seiner Missgeburt vergleichen kann, nicht mit dem wirklichen Sozialismus. Aber selbst der Vergleich mit dieser Missgeburt wird zunehmend blamabel.
Die Liebedienerei gegenüber der ökonomischen Effektivität des Kapitalismus hat völlig verkehrte Maßstäbe. Die Effizienz stimmt nur im Vergleich mit der missratenen Ökonomie des „realen Sozialismus”, welcher Glücksfall nicht ewig zur Verfügung steht. Sie stimmt nur, wenn die Verluste durch Krieg, Elend und Hungertod in der Dritten Welt und Umweltvernichtung nicht mitgerechnet werden. Sie stimmt nicht im Verhältnis von Aufwand und Ergebnis, wenn mitgerechnet werden die Arbeitslosigkeit, die Misswirtschaft des Bürokratismus, die irrsinnige Überbezahlung von Spitzenkräften der Wirtschaft, des Sports und anderer Branchen, die unsinnigen Ausgaben für die Rüstung usf.
Der Markt reguliert immer weniger, er wird immer mehr deformiert: durch falsche Bedürfnisse, fehllenkende Werbung, marktbeherrschende Konzerne, falsche Preise, illegale und legale Vereinbarungen und mafiose Wirtschaftskriminalität.
Anstelle der von Marx entdeckten zyklischen Krise, der Überproduktion von Konsumgütern, von Waren ist die Überproduktion von Geldkapital getreten, was die Krise neu formiert.
Da die Überproduktion von Geldkapital vornehmlich der Industrie Investitionen entzieht, verursacht sie statt der zyklischen die strukturelle Arbeitslosigkeit, denn Arbeitsplätze entstehen durch Investitionen und durch Kaufkraft.
Der Kapitalismus ist die größte Verschleißgesellschaft aller Zeiten. Und seine „Effektivität” kommt nicht einmal einem Zehntel der Weltbevölkerung zugute.
Das ökonomische Wachstum der Menschheit ist nichts als der höchste Ausdruck des natürlichen Wachstums, der natürlichen Bewegung. Was Kopernikus konstatierte, was Darwin analysierte, die gewaltigen Bewegungen der Natur finden ihre höchste Energie, ihre potenteste Verkörperung, ihren Gipfel in der gesellschaftlichen Produktion. Diese Produktion ist die wunderbarste und mächtigste Form der unendlichen natürlichen Bewegung.
Das ökonomische Wachstum ist kein Problem des Tempos, sondern der Richtung. Und die ist kein Problem der Produktivkräfte, sondern der Produktionsverhältnisse. Nullwachstum ist nichts als verdrehte Maschinenstürmerei.
Auf das vom Klub of Rom postulierte Nullwachstum sind Genscher und Harich gemeinsam hereingefallen.
Nach vorsichtigen Schätzungen wird der Staat jährlich um 150 Milliarden DM Steuern geprellt (und mehr als 50 Banken sind der Beihilfe zur Steuerhinterziehung verdächtig). Die Steuergeschenke des Staates an die Steuerbetrüger und deren Klassenkollegen betragen noch einmal mehr als 150 Milliarden DM. Der auf diese Weise und Wahnsinnsausgaben wie der Eurofighter „arm” gemachte Staat zwingt den Städten und Gemeinden eine selbstmörderische Sparpolitik auf. Und die Mehrzahl der PDS-Bürgermeister akzeptiert diese verlogene Politik und will sie bloß nach ihrem Gutdünken realisieren.
Wenn die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen schon infam ist, so ist die Verwaltung des Menschen durch den Menschen noch infamer. Die Ausbeutung entwendet ihm nur sein Produkt, die Verwaltung entwendet ihn selber. Und kehrt ihn gegen sich selber, macht ihn (in Form des Rollenspiels) zum „Selbstverwalter”. Die Demütigung wird zur Selbstdemütigung.
Die Wahrheit ist, dass die Klassengesellschaft normale Menschen dazu bringt, wie Idioten zu denken und zu handeln, selbst so begabte wie Napoleon.
Die mehrtausendjährige Geschichte der Klassengesellschaft ist eine mehrtausendjährige Geschichte der Verwaltung des Menschen durch den Menschen. Das bedeutet die Aufhebung der Autonomie des einzelnen. Diese Autonomie ist aber sein höchstes Gut. Statt selber über sich zu bestimmen, wird über ihn bestimmt.
Die Macht der Medien ist die Macht der Unvernunft, des Kriegsverbrechens. Die Macht der Worte ist tödlich.
Und die Menge, das ist die andere Seite, glaubt selbst die größten Dummheiten. Das ist das Schlimme. Was nützt das physische Überleben, wenn wir sittlich am Ende sind?
Von angenommen 100 Abgeordneten stehen 51 aufseiten der Regierung und 49 bilden die Opposition. Wenn nun 26 Abgeordnete der Regierungsfraktion für etwas sind, folgen die restlichen 25, die eigentlich dagegen sind, dem Fraktionszwang, und die Abstimmung geht 51 zu 49 aus statt 26 zu 74. Und wie die Erfahrung vermuten lässt, waren selbst die 26 nicht alle dafür, denn ein Teil war dem vorauseilenden Gehorsam erlegen. Und die 49 oppositionellen Abgeordneten wiederum waren natürlich nicht alle dagegen, sodass in Wahrheit kein Mensch weiß, wer und warum dafür oder dagegen war.
Ist das alles nun ein schlechter Witz oder ein böses Spiel oder parlamentarische Demokratie?
Dieser Widerspruch von Freiheit und Demokratie (die Demokratie als Wolf der Freiheit) verwirrt ihn total, er hat ein unerklärliches Verlustgefühl, das ständige Gefühl, etwas zu verpassen und zugleich eine zunehmende Unfähigkeit, kreative Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen.
Die Menschheit nähert sich dem Gipfelpunkt der politischen und moralischen Verkommenheit. Wenn sie nicht bald zu Verstande kommt, verurteilt sie sich zu einem Fehlversuch der Natur.
Jede historische Erscheinung hat die Ursache ihres Anfangs und ihres Endes in sich. So auch der Kapitalismus. Die Auffassung, der Kapitalismus werde an einem ökonomischen Kollaps verenden oder durch die sozialistische Revolution ist dummer Irrtum, ein unmarxistischer. Vielmehr wird er an sich selber sterben. Die Revolution kann dem nur nachhelfen.
Vor allem aber wird es ein Untergang sein. Kein revolutionärer Kurzschluss der Klassengesellschaft und kein revolutionärer Schnappschuss der klassenlosen Gesellschaft.
Der Kapitalismus hat seine Zeit bereits überschritten. Die welthistorisch kurze Zeit, in der das Privateigentum an den Produktionsmitteln seine historische Berechtigung hatte, ist absolut vorbei. Heute überwiegt die zerstörerische Wirkung des Privateigentums seine positive Wirkung bei Weitem.
Die USA übernehmen sich ökonomisch: Was die Rüstungsindustrie verdient, geht dem Land doppelt verloren.
Überwog beim Vietnamkrieg der Rüstungsgewinn die Verlustkosten noch erheblich, auch beim Jugoslawienkrieg, so überwiegen beim Afghanistankrieg und vollends beim Irakkrieg die Nachfolgekosten die Rüstungsgewinne bei Weitem. Die USA verbrauchen sich.
Der Kapitalismus ist das kriminelle Ende der Klassengesellschaft. Aber er hat kein schnelles Ende. Nicht, weil er so stark ist, sondern weil die Gegenkräfte so schwach sind. Die Menschheit ist durch Jahrtausende Klassengesellschaft bis ins Mark verdorben. Das war die Hauptursache des Endes des „realen Sozialismus”, und das ist die Hauptursache für das lange Überleben des sterbenden Kapitalismus.
Die Korrumpierung ist in zunehmenden Maße das wirksamste Mittel der Machtsicherung des Kapitals.
Der Kapitalismus ist die kriminelle Vollendung der Klassengesellschaft und muss restlos aus der menschlichen Geschichte getilgt werden. Die Nichtbeteiligung an der Tilgung dieses verbrecherischen Systems sollte als unterlassene Hilfeleistung bestraft werden.
Dieser Kapitalismus kennt kein Erbarmen, kein Gebot der Vernunft und kein moralisches Halt. Und die Menschheit wird erst nach den schrecklichsten Erfahrungen und Dutzenden Niederlagen die Kraft der Reife gewinnen, den Augiasstall auszumisten, den die Klassengesellschaft angerichtet hat, tausendmal größer als der des Herkules.
In der gegenwärtigen Entwicklungsphase des Kapitalismus ist die Revolution näher als die Reform.
Im Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen sind die Produktionsverhältnisse längst nicht mehr nur zu einer Fessel, sondern zu einer Fehlleitung der Produktivkräfte geworden, und die extremste Form der Fehlleitung ist die Zerstörung der Natur.
Wieso heißt der Kapputalismus eigentlich Kapitalismus?
Wenn es im Kapitalismus einen Rechtsstaat gäbe, gäbe es keinen Kapitalismus mehr.
Die Endzeitkriterien des Kapitalismus sind 1. Die soziale und sittliche Verelendung, 2. Der Krieg als generelles Mittel der Globalisierung und 3. Der Klimatod.
Die zunehmenden Überschwemmungskatastrophen sind eindeutig durch den Kapitalismus verursacht. Aber statt den Verursacher haftbar zu machen, werden die Sandsackträger gefeiert. Mit Sandsäcken gegen den Kapitalismus. Das charakterisiert den Geisteszustand der Menschheit von heute.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:
Erstmals 2015 erschien als Eigenproduktion von EDITON digital der Band „Schweriner Mordgeschichten. EKHK Raschke ermittelt“ von Ulrich Hinse – und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe wie als E-Book: Für die Freunde des Schweriner Kriminalkommissars Raschke aus Godern wurden hier 12 kleine und große Geschichten des beliebten Kriminalisten zusammengefasst. Es geht von dem perfekten Mord über das Geheimnis des Modderteichs in Pinnow bis hin zu Ermittlungen des Schweriner Kommissars in der Türkei. Allein oder mit seinen Kolleginnen und Kollegen versucht der beleibte EKHK Raschke mit mehr oder weniger Erfolg den oder die Täter von Verbrechen zu überführen. Es wird wieder spannend, wenn Raschke ermittelt.
Aber mit wem haben wir es in diesem Buch eigentlich zu tun? Dazu am Anfang eine kleine Personalliste:
„Vorstellung der Akteure
Der Erste Kriminalhauptkommissar Raschke ist in Schwerin ein bekannter Mann. Er leitet seit Jahren das Dezernat Leib und Leben, besser bekannt als Morddezernat, in der Kriminalpolizeiinspektion in Schwerin, der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Dezernat ist in der näheren und weiteren Umgebung der Stadt für die Bearbeitung von Mordfällen zuständig. Er und seine engsten Mitarbeiter werden hier vorgestellt, weil sie in den folgenden Erzählungen immer wieder vorkommen.
Der Erste Kriminalhauptkommissar Raschke ist ein ziemlich stattlicher Mittfünfziger. Das Leben hatte ihm tiefe Furchen in das Gesicht mit den kurzen Stoppelhaaren und dem grauen Vollbart gegraben, wodurch er deutlich älter aussieht, als er tatsächlich ist. Eine Brille kaschiert die Sehschwächen, die sich im Laufe der Zeit eingestellt haben. Über den nicht zu übersehenden Bauch darf nur seine Ehefrau Karin lästern, was aber auch nichts daran ändert. Den Kollegen ist das streng untersagt und er kann empfindlich reagieren, wenn sich jemand erdreistet, ihn darauf anzusprechen. Raschke hat keinen Vornamen. Er wird von allen und jedem nur mit Raschke angesprochen. Noch nicht einmal mit Herr. Einfach nur Raschke. Sogar seine Ehefrau, mit der er zwei inzwischen erwachsene Töchter hat, nennt ihn einfach nur Raschke. Zusammen mit seiner Frau wohnt er in dem kleinen Ort Godern östlich des Schweriner Sees, wo er sich ein schönes Häuschen gebaut hat. Das Ende seiner Dienstzeit ist abzusehen, aber so richtig mag er noch nicht daran glauben.
Sein Chef ist Kriminaldirektor Armin Molra, der zusammen mit Raschke auf der Fachhochschule gewesen war, aber im Gegensatz zu seinem Dezernatsleiter die Gelegenheit genutzt hatte, in den Höheren Polizeidienst aufzusteigen. Seit einigen Jahren leitet er die Kriminalinspektion in Schwerin in der Yorkstraße. Vorher war er im Landeskriminalamt. Die zwei kennen sich seit ewigen Zeiten und Raschke ist froh, in ihm einen verständnisvollen, toleranten Vorgesetzten zu haben. Denn er leistet sich schon einige Dinge, die andere Chefs nicht so einfach tolerieren würden. Molra ist neben Karin Raschke wohl der Einzige, der genau weiß, wie Raschke mit Vornamen heißt. Aber das behält er natürlich für sich.
Einer, der es perspektivisch auf den Dienstposten von Raschke abgesehen hat, ist sein langjähriger Stellvertreter Peter Schrader. Kriminalhauptkommissar Schrader ist geschieden. Über das Warum und Wieso ließ er sich gegenüber Kollegen nicht aus. Es war eben so. Erst vor Kurzem hatte er sich für die Ausbildung zum Höheren Dienst beworben. Er setzt alles daran, den Vornamen von Raschke in Erfahrung zu bringen.
Die einzige Beamtin im Dezernat, Kriminalkommissarin Brigitte Mader, kurz von allen nur Biggi genannt, ist eine ledige, aber liierte blonde Mittzwanzigerin, die ihre langen Haare meist zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, was sie jünger aussehen lässt. Auf die junge Kollegin hat insbesondere Schrader ein Auge geworfen, zumal sie unendlich lange Beine hat, mit denen sie immer wieder einmal kokettiert. Sie fühlt sich aber zu Raschke hingezogen, der für sie so eine Art Ersatzvater ist.
Der frischgebackene Kriminalmeister Paul Helling hatte gerade seine Fachhochschule in Güstrow beendet. Den Lehrgang hat er mit einem Gut bestanden. Er ist mächtig stolz darauf, in Schwerin dem Morddezernat zugewiesen worden zu sein. Jetzt kann er zeigen, was er gelernt hat. Während die Kollegen ihm zeigen wollen, was er noch nicht gelernt hat.
Vor allem Kriminalhauptmeister Werner Warnke hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Grünschnabel die Fittiche zu stutzen und ihm den Unterschied zwischen Theorie und Praxis zu erklären. Warnke ist verheiratet, hat wie Raschke zwei erwachsene Kinder und blickt auf ein gerüttelt Maß an Erfahrung zurück.
Sabine Gehring ist die Dezernatsangestellte und für alle Büroarbeiten zuständig. Sie ist verheiratet, Ende Dreißig und versorgt ihren arbeitslosen Ehemann sowie einen Sohn im Halbstarkenalter. Nebenbei erledigt sie mit Routine die Büroermittlungen. In der Landesverwaltung kennt sie alle und jeden.
Polizeioberkommissar Gunnar Möller ist der ehemalige Abschnittsbevollmächtigte aus Pinnow.
Dr. Starke, der Gerichtsmediziner, wird hinter vorgehaltener Hand von den Polizeibeamten nur Albino gerufen. Das liegt an seiner blassen, hellen Haut, den schlohweißen Haaren, seinem weißen Overall, den er an jedem Tatort trägt. Mit seinen weißen Latexhandschuhen sieht er aus wie jemand, der bei einer Kostümparty als Spermazelle verkleidet ist, meint Raschke respektlos. Mit ihm gemeinsam arbeitet der Sektionsgehilfe Paul Haberlah, der seinen Chef tatkräftig unterstützt. Sein Markenzeichen ist der erloschene Zigarrenstummel, der zu ihm gehört wie der Hut zu Charlie Chaplin.
Der Leitende Oberstaatsanwalt von Beuershausen, Chef der Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Schwerin, ist neben Dr. Schade der einzige Mensch, der Raschke als Herr Raschke titulieren darf, ohne dass sie der Kriminalbeamte nicht entsprechend korrigiert. Sein Mitarbeiter ist der Staatsanwalt Merger, der immer dann in Erscheinung tritt, wenn es um die praktische Arbeit geht.
Und last but not least sind da noch Margot und Hans, die beiden Nachbarn aus Godern, mit denen Raschkes befreundet sind.“
Erstmals 1985 veröffentlichte Gabriele Herzog im Verlag Neues Leben Berlin „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“: Das Mädchen aus dem Fahrstuhl ist anders als alle Mädchen, die Frank Behrendt kennt. Sie ist klug und schüchtern, verletzlich und sehr allein. Eine gute Schülerin aber ist sie nicht, darum will niemand Franks Liebe zu ihr akzeptieren. Und Frank, der immer als Klassenbester im Mittelpunkt stand, beginnt über sich nachzudenken.
Das kritische Buch wurde 1990 von der DEFA verfilmt (Regie: Herrmann Zschoche) und hatte am 10. Januar 1991 in Berlin seines Kino-Premiere – leider zu spät für einen Paukenschlag des zu DDR-Zeiten durchaus brisanten Textes. Hier die erste Begegnung zwischen Frank und dem Mädchen aus dem Fahrstuhl, die offenbar zunächst folgenlos bleibt. Zumindest für eine Stunde:
„1. Kapitel
Er hatte sie zum ersten Mal im Fahrstuhl gesehen. Morgens. Irgendwelchen Eindruck machte sie nicht auf ihn. Nie wieder hätte er sich an sie erinnert, hätte er nicht eine Stunde später mit ihr in einem Klassenzimmer gesessen. Aber das war schon nach dem Appell. Diese Appelle! Er hat sie nur zu gut im Gedächtnis.
Er stand unter der Fahne, neben ihm der Direktor, der stellvertretende Direktor und so fort. Vor ihm seine Mitschüler. In einem schönen Viereck, exakt ausgerichtet. Und brav anzuschauen, jedenfalls von seinem Standort aus. Aber ihm brauchte keiner was zu erzählen! Von wegen „brav“! Trotzdem. Er wollte in diesen Augenblicken nicht tauschen, mit keinem. Denn er war der King. Er, kein anderer. Nur er war wichtig. Die vor ihm standen, aufgereiht, die waren es nicht. Da konnten doch getrost zehn fehlen oder zwanzig.
Solchen Mist hatte er sich eingebildet. Das muss man mal zu Ende denken. Totaler Krampf. Als ob nicht jeder Idiot dem Direktor hätte melden können, dass die Schüler zum Appell angetreten waren.
Er kann nie vergessen, wie super er sich damals fand. Gerade bei diesen Appellen. Er war überzeugt, niemand hätte es besser gekonnt, würdiger. Ob man’s glaubt oder nicht. Würdig! Schon dieses Wort. Was ist heutzutage nicht alles würdig? Auch Atmosphären sind mitunter würdig. Unzählige Halstücher, Urkunden, Mitgliedsbücher werden in „würdiger Atmosphäre“ übergeben. Was das genau sein soll, kann wahrscheinlich niemand sagen. Vielleicht ist auch würzig gemeint? In würziger Atmosphäre. Geht doch auch. Weihnachten zum Beispiel ist die Atmosphäre würzig, und was das bedeutet, weiß jedes Kind. Nach diesem Appell jedenfalls kam die Pippig mit Regine in die Klasse.
Er war erstaunt, das Mädchen aus dem Fahrstuhl wiederzusehen, und stieß Micha in die Seite. Der lernte gerade seinen hundertsten Schaltplan auswendig, kam also vom Mond. „Die wohnt bei uns im Haus.“
Micha setzte seine Brille auf, schaute nach vorn, setzte die Brille wieder ab. „Das hat sie frei."
Und die Pippig sagte: „Wir haben eine neue Mitschülerin bekommen. Ihren Namen wird sie uns gleich selbst verraten.“
Herrje! Die Pippig und ihre Eiapopeia-Art. Sah die nicht, dass das Mädchen nur eins wollte, nämlich sich hinsetzen. Aber nein, die Pippig ließ sie da vorn stehen. Natürlich glotzten alle blöd, schließlich waren Sensationen in der Schule nicht häufig. Und dann sollte Regine auch noch ihren Namen sagen. Als ob man so einfach seinen Namen nennen könnte! So wie guten Tag oder Dankeschön. Ihm trocknete die Zunge an, wenn er irgendwo seinen Namen sagen musste. Wobei mit Namen wirklich Name gemeint war. Also der volle, vollständige, so mit Vornamen und Familiennamen. Das schaffte er nie, laut und deutlich, so wie es sich für einen anständigen Menschen gehört: Frank Behrendt. Warum, wusste er selbst nicht. Dabei gab es an dem Namen nichts auszusetzen. Ein Höhepunkt war er gerade nicht, und das war gut so. Enrico Meyer, Yves Blaschke oder Moritz Agamemnon Reinicke (er kannte das arme Schwein persönlich) — das hätte ihn erledigt.
Regine hauchte etwas in die Klasse. Und die Pippig sagte prompt:
„Sie müssen schon etwas lauter sprechen!“
Es hätte ihn maßlos erstaunt, wäre der Satz ausgeblieben.
Vielleicht ließ die Pippig sie auch noch ihren Namen buchstabieren oder an die Tafel schreiben. Regine sagte dann mit ziemlicher Anstrengung: „Regine Erdmann.“ Die Hälfte der Klasse lachte, warum, würde immer ihr Geheimnis bleiben. Er begriff, das Mädchen da vorn hatte die gleichen Schwierigkeiten beim Namensagen wie er selbst. Irgendwie machte ihn das froh. Knallrot setzte sich Regine auf einen freien Platz. Gern hätte er sich zu ihr umgedreht. Einfach so, zur Aufmunterung, weil er verstand, wie beschissen ihr zumute war. Bloß wer macht so was schon?
Aber die Geschichte zwischen ihm und Regine fing ganz anders an. Keineswegs mit Sympathie, fast mit Krach. Wobei angemerkt werden muss, dass dieser „Krach“ nichts weiter war als ein missbilligender Blick, den er von Regine bekam. Er kann sich deshalb daran erinnern, weil dieser Blick ihn ziemlich getroffen hatte und weil er über ihren Mut erstaunt war. Schließlich war er nicht irgendwer in der Klasse. Aber es war kein Mut, sondern die Unfähigkeit Regines gewesen, sich zu verstellen. Ihr Gesicht gab jedem preis, was sie über die Leute dachte. Bloß das konnte er nicht wissen.
Nachdem Regine sich gesetzt hatte, erzählte die Pippig was von einer Fahrt nach Rostock, auf die Werft und so, an der die besten Schüler der Klasse teilnehmen sollten.
Sie sagte: „Ich schlage Frank, Sibylle, Peter, Elke, Heike und Karin vor“, und wartete auf Zustimmung.
Diese blieb aus, und die Leute fingen an zu maulen. Die Pippig war irritiert. Ihn ließ die Angelegenheit zunächst völlig kalt. Wenn die Besten fahren sollten, dann mussten die Besten fahren. Insofern war gegen die Vorschläge nichts einzuwenden. Trotzdem reagierte die Klasse sauer. Die Pippig forderte Ruhe und Erklärungen.
„Nicht alle durcheinander. Und wir melden uns!“ Natürlich meldete sich niemand.
„Wenn euch meine Vorschläge nicht gefallen, bitte ich um andere. Vielleicht habe ich mich geirrt. Wer gehört denn eurer Meinung nach zu den Besten?“
Denzelmann stand auf. „Sie haben sich nicht geirrt. Das sind schon die Besten. Bloß, warum sie auch fahren sollen, weiß ich nicht.“
„Sind immer die gleichen!“, brüllte Schulze von hinten. Ihm begann die Sache auf den Docht zu gehen. Hier hatte sich doch keiner vorgedrängelt oder selber vorgeschlagen. Tante Lehrerin, ich will mitfahren. Und überhaupt hatten die sich doch sonst nicht so. Die wahre Pracht war Rostock ja nun auch nicht.
„Enrico, nach welchen Kriterien würden Sie denn die Schüler aussuchen?“
„Vielleicht, wer sich am meisten für so was interessiert“, antwortete Denzelmann, „und Ralph sollte mit, weil er zur See will.“
Die Klasse bekundete Zustimmung.“
Erstmals 2001 erschien im damaligen Schweriner Verlag Stock & Stein „Gegenwelten. Mit Beiträgen von Ralph Giordano, Helga Schütz, Jürgen Borchert, Ulrich Schacht und Helga Schubert“ von Johannes Helm: Dies ist ein Buch voller Gegensätze: Der damals 86-jährige frühere Uniprofessor Johannes Helm legt hier keine Abhandlung über sein früheres Fach, die Psychologie, vor, sondern nach „Malgründen“, „Ellis Himmel“ und „Seh ich Raben, ruf ich, Brüder“ wiederum eine Sammlung seiner Bilder mit den unendlichen mecklenburgischen Himmeln. Manchmal ist ein winziger Mensch auf dem Bild, aber auch dieser Einsame scheint in sich zu ruhen, etwas Unsichtbares ist bei ihm, vielleicht wir als Betrachter?
Anders als bei den vorigen Büchern stammen die Texte diesmal nicht vom Maler selbst, sondern er hat andere Schriftsteller um Texte zu seinen Bildern gebeten. So vereinigen sich ganz unterschiedliche Eindrücke und Thesen: Der fast gleichaltrige Ralph Giordano findet Bilder seiner Kindheit; Helga Schütz denkt die Personage der Bilder weiter, die ihren Alltag poetisch verändert; Jürgen Borchert versenkt sich ganz in die Märchenhaftigkeit eines einzigen Bildes und macht ein Rätsel daraus; Ulrich Schacht entdeckt die Unabhängigkeit dieser Kunst von den wechselnden Gesellschaftsordnungen; Helga Schubert spiegelt die Atmosphäre der Bilder und die Atmosphäre, in der sie entstehen, denn sie teilt seit Jahrzehnten sein Leben. Hier der Beitrag von Ralph Giordano:
„Ralph Giordano: ES KOMMT MIR DARAUF AN
Die Bilder von Johannes Helm verzaubern mich – ihre Motive, ihre Farben, ihr Licht.
Aber das widerfährt mir bei anderen Malern auch. Hier jedoch kommt etwas dazu, was ich so stark sonst nicht empfunden habe.
Die Landschaften mit ihren Teichen, Baumgruppen, Tieren in der Luft und auf der Erde, ihren Monden, Nachtwinden, Sonnenuntergängen und -aufgängen, die ganze Verwunschenheit dieser Malkunst – sie rühren an einer Ursehnsucht in mir, schlagen eine innerste Saite an, ein Verlangen, das in krassestem Gegensatz zu meinem realen Leben steht, solange es nun auch schon währt, und das immer da war, von früh an, den Kindheitstagen und ersten bewussteren Blicken in die Welt, und das auch bleiben wird bis zuletzt: die Sehnsucht nach Frieden.
Ich weiß beim Betrachten: nimmt man alles in allem, summa summarum, so ging es doch ganz anders zu, wohin du auf dem Globus auch gekommen bist und was du auf ihm gesehen, gehört und selbst erlitten hast. Idyllen, Bukolik, die „Gefilde der Seligen" waren das ja nie gewesen, und sind es nicht, eher ihr Gegenteil oder gar Schlimmeres, und im Laufe eines gehörigen Daseins muss der Mensch wohl, will er nicht verzagen, viel Energie mobilisieren, um nicht zum Pessimisten und Fatalisten zu werden, zugegeben.
Doch gab es das, was ich auf Helms Bildern sehe, schließlich auch, von allen Anfängen an, und wird es immer geben. Es ist nicht zu verallgemeinern, und der Künstler weiß es, aber es ist, wie gut, wie tröstlich, wie wunderbar, eben doch da. Ich kann mich förmlich dahinein verlieren, bis in die angenehmste aller Bewusstlosigkeiten, und es ist das Träumerische dieser Gemälde, was mich dabei führt.
Helms Bilder geografisch binden zu wollen, sie auf die Region zu orten, auf den Platz festzulegen, hieße sicherlich, Antrieb und Absicht das Malers zu verkennen, so sehr sich auch vertraute Umgebung darin widerspiegelt. Das wird ja schließlich von ihm bekannt, so, wenn ein Titel das heimatliche Meteln in Mecklenburg nennt, und „Die Heimfahrt im Sturm“ oder „Raben überm Kornfeld“, pars pro toto, keinen Zweifel daran lassen, dass die Alpen fern, dass sie sehr fern sind.
Aber so allegorisch und verpflanzbar die Sujets der Gemälde auch sein mögen, ich lasse mich über ihre emotionalen Ursprünge nicht täuschen. Dieses Grün, diese Himmel, diese Hausgesichter kenne ich – geborener Hamburger zwar, aber weit über den urbanen Radius hinaus, stets fasziniert gewesen von der unverwechselbaren Schönheit der Norddeutschen Tiefebene nördlich und südlich der Elbe, westlich und östlich der Trave (bis hin an die Oder, seit es wieder möglich ist). Nirgendwo sonst gibt es diese Knicks, windgekräuselten Wasserflächen, schief gewehten Bäume und seenahen Gerüche, nirgendwo geduckte Katen wie hier, nirgendwo solche Sandwege und die spürbare Nähe der skandinavischen Mitternachtssonne an nicht enden wollenden Sommertagen.
Richtig, ein bloßer „Heimatmaler“ ist Johannes Helm nicht, seine Texte und Gedichte neben den Bildern weisen ihn aus als einen Mann des Humanismus, der Grenzen nicht kennt und sie nicht anerkennt. Die Verständnistiefe, die daraus spricht, tastet mich wohltuend an.
Aber Helms Werk ist erlebt, und das nicht irgendwo, sondern „da oben“, wie man in Verkennung der Richtungslosigkeit im Universum zu sagen pflegt, nur weil’s auf der Karte so aussieht: – und „da oben“ heißt, in diesem Fall, auf dem Territorium der ehemaligen DDR.
Das will ich gesagt haben! – und dabei nicht missverstanden werden, weder vom Künstler noch von den Leserinnen und Lesern dieses Buches. Was ich empfinde, und was mich zu diesem Bekenntnis treibt, ist eine gewachsene Originalität, die vielleicht besonders auf die zutrifft, die dem politischen System, je länger es dauerte, desto empfundener, oppositionell oder gar feindlich gegenüber gestanden haben, wie es hier zutrifft, ebenso wie auf Johannes Helms Frau, die Schriftstellerin Helga Schubert (Ein Vorwort für sie spare ich mir auf, in der Hoffnung, dass sich dafür noch Gelegenheit bieten wird).
Aus Helms Bildern und begleitenden Schriften strömt etwas auf mich zu, das, um es einmal so zu formulieren, für mich nicht aus der alten Bundesrepublik stammen kann. Deutsch, natürlich, aber anders. Ich bin neugierig darauf, tief neugierig.
Dazu ereignet sich ja hier für einen Mann mit meiner Biografie etwas nach wie vor Unglaubliches, etwas, das ich, zu Lebzeiten jedenfalls, nie erwartet hatte: Ich werde dieses Manuskript sozusagen mit gesamtdeutscher Post schicken können, von Ort zu Ort, ohne Mauer dazwischen, ohne die hochsensible Trennungslinie zweier rivalisierender und atombestückter Supermächte auf deutschem Boden, der seit mehr als zehn Jahren wieder frei bereist werden kann. Und mag ich alt werden wie Methusalem – es bleibt ein Wunder und wird nie selbstverständlich für mich werden. Ich will, dass wir uns austauschen, die Deutschen hie, und die Deutschen da, und dass wir einander zuhören.
Ich habe Johannes Helm zugehört, in der Sprache seiner Bilder, die, ich wiederhole es, mich verzaubern. Ich kann mich nicht sattsehen daran, und die Leserinnen und Leser wissen jetzt, warum.
Es kommt mir darauf an.“
Erstmals 1990 veröffentlichte Hans Bentzien im Verlag Neues Leben Berlin „Elisabeth – Landgräfin von Thüringen. Das irdische Leben einer Heiligen“: Wenn man die Wartburg besucht, gelangt man durch einen Laubengang in die Kemenate der heiligen Elisabeth. Sie ist geschmückt mit den berühmten Fresken Moritz von Schwinds, die an das Leben dieser Frau erinnern.
Wer war Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, die 1231, nur vierundzwanzigjährig, starb und nach ihrem Tod heiliggesprochen wurde?
Als vierjähriges Mädchen kam sie, eine ungarische Königstochter, an den Hof von Eisenach. Sie war mit dem elfjährigen Sohn des Landgrafen verlobt worden. Auf der Wartburg wird sie erzogen wie die Fürstenkinder auch. Früh zeigen sich ungewöhnliche Charakterzüge. Sie will, dass es gerecht zugeht, und es entwickelt sich bei ihr eine Frömmigkeit, die zu einer sozialen Haltung wird.
Als ihr Verlobter stirbt, wird sie mit dessen Bruder, Ludwig IV., verheiratet. Zwischen beiden entsteht eine echte Liebe – für die auf Verträgen beruhende Heiratspolitik keine Selbstverständlichkeit. Als Landgräfin schärft sich ihr Blick für das Wohlleben bei Hofe und die Not der Bauern. In einer der vielen Hungersnöte, als sie den Landgrafen zu vertreten hat, öffnet sie die Speicher, verteilt auch ihre persönliche Habe, ihren Schmuck. Elisabeth greift die Lehren des Franz von Assisi auf und lebt nach den Geboten der freiwilligen Armut.
Als ihr Mann auf einem Kreuzzug einer Seuche zum Opfer fällt, wird die dem Hofe und Klerus unliebsame Landgräfin abgesetzt und entmündigt. Sie soll sich jetzt dem Willen ihres Beichtvaters unterwerfen. Doch Elisabeth macht nicht ihren Frieden, sondern vertritt weiter konsequent ihre Ansichten. Von ihrem Witwenteil finanziert sie ein Hospital in Marbach. Hier hilft sie täglich den Armen und Kranken. Konrad, ihr Beichtvater, erlegt ihr nun lange Fastenzeiten und Exerzitien auf, um ihren Willen zu brechen. Schließlich prügelt er sie sogar, bis sie es nicht mehr ertragen kann: In der Nacht vom 16. zum 17. November 1231 stirbt sie. Nach ihrem Tode entstehen im Volk viele Legenden um ihr Leben. Das reale Leben tritt immer mehr in den Hintergrund. Hans Bentzien versucht in seinem erstmals 1990 veröffentlichten Buch, das wirkliche Leben der Elisabeth nachzuzeichnen, die Motive ihres Handelns, den Zusammenhang mit den sozialen und geistigen Widersprüchen jener Zeit zu ergründen und darzustellen. Hier der eindrucksvoll erzählte Anfang dieser spannenden Heiligen-Geschichte. Da ist Elisabeth allerdings schon fünf Jahre tot:
„Die Erhebung
In der Nacht zum 27. April des Jahres 1236 versammelte Ulrich von Dürn, der Vorsteher des Marburger Hospitals, sieben seiner Mitbrüder und machte sich auf den Weg in die kleine, erst kürzlich erbaute steinerne Kirche. Nachdem die Tür von innen abgesperrt worden war, ließ er eine Fackel anzünden, sprach ein Gebet, und dann begannen die Mönche ihr heimliches Werk. Behutsam legten sie das Grab Elisabeths frei. Erst vor vier Jahren hatte die Umbettung aus der kleinen Holzkirche des Hospitals in diese neu erbaute stattgefunden, da die vielen Besucher ihres Grabes das Kirchlein fast gesprengt hatten. Aber auch jetzt erwies sich der Andrang als zu groß, und der bevorstehende Staatsakt, so stand zu befürchten, würde alles bisher Gewohnte in den Schatten stellen.
Ihr Leichnam schien den Männern frisch und unversehrt, sogar von Wohlgeruch umgeben. Nachdem der Schädel vom Körper abgetrennt war, befreiten sie das Gebein von Muskeln und Haut und reinigten die Knochen, danach begruben sie die verweslichen Überreste. Das Skelett wurde in ein kostbares Purpurtuch gehüllt. Der neue Sarg schien für die Ewigkeit angefertigt, so schwer trugen an dem kostbaren Blei die acht Männer. Ein Chronist behauptete sogar, der Sarg sei aus purem Gold gewesen. Die Heilige, neu gebettet, war würdig anzuschauen, als der neue Sarg in das alte, offene Grab gesenkt wurde. Eine Steinplatte schloss es nur provisorisch ab. Die nachfolgende Arbeit ging schnell von der Hand. Die geschickten Mönche verstärkten das Gestell des kleinen Altars und richteten ihn für das Fest her. Gegen Morgen verstummten die Hammerschläge, und ein Gebet schloss im heraufdämmernden Tag das fromme Werk ab.
Die Franziskaner hatten sich daran gewöhnt, ständig viele Besucher zu empfangen und an das Grab Elisabeths zu führen. Seit ein paar Tagen aber beunruhigte sie die Nachricht, dass sich der Kaiser angesagt hatte und mit ihm die Fürsten des Reiches, die weltlichen und die geistlichen. Wer Rang und Namen hatte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in erreichbarer Nähe war, würde anwesend sein und Elisabeth, der früh verstorbenen Landgräfin von Thüringen, die Ehre geben. Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen unterbrach die Vorbereitung eines Feldzuges gegen die Lombardei, in der er ein Kernland seines Reiches sah, das er dauerhaft besitzen wollte. Eine Vorhut von fünfhundert Rittern war bereits nach Verona unterwegs, nun konnte er sich für einen Tag frei machen, um an der Translation, der Übertragung der Gebeine seiner Verwandten, die als Reliquien galten, teilzunehmen. Seine Anwesenheit sollte als Zeichen seiner Verehrung gelten, doch sie war zugleich auch eine wichtige politische Geste für die Fürsten und das Volk. Seitdem Elisabeth vor knapp einem Jahr heiliggesprochen wurde, stieg ihre Beliebtheit im Volke ständig, und ihre Verehrung hatte gewiss den Höhepunkt noch nicht erreicht. Zahlreiche Legenden berichteten von ihrem Leben und Sterben, Wunder geschahen an ihrem Grabe seit ihrem Todestag. Das alles musste der Kaiser bedacht und sich gewiss daran erinnert haben, dass sie von ihm zur Frau erwählt worden wäre, hätte sie nur zugestimmt.
Der Kaiser war persönlich gekommen, der Papst hatte eine ansehnliche Delegation seiner Bischöfe entsandt, die bei der Zeremonie die vorderen Plätze einnehmen und ihn vertreten sollten. Neben Konrad von Hildesheim, für Marburg zuständiger Bischof und oberster Ketzerrichter Deutschlands, war auch Dietrich von Trier erschienen und ebenfalls, zum Erstaunen aller, Siegfried III. von Mainz. Zwischen den Mainzer Bischöfen und den Thüringer Landgrafen hatte es unaufhörliche Fehden gegeben, die, mit Krieg und Brand geführt, bis zu diesem Tage nicht geendet hatten. Doch Siegfried war der erste der deutschen Bischöfe, der Erzkanzler, und damit wichtigster Mann des Papstes, und so war es wohl nicht Sympathie, sondern hohe Pflicht, die ihn den Weg antreten ließ. Zudem hatte der Papst die drei Kirchenfürsten entsandt, weil sie durchaus unterschiedliche Meinungen über die Geschicke der Kirche und ihre richtige Politik vertraten und sich darin sogar befehdeten. Hier am Grabe der dienenden Fürstin aber sollten sie die Zerwürfnisse zurückstellen und demonstrieren, dass es Höheres gab als Zank wegen taktischer Probleme.
Die Gründe des Kaisers für sein Kommen waren nicht weniger bedeutend als die des Papstes. Die Heilige stammte aus einem europäischen Königshaus und hatte in ihrem Leben und mit ihrem Sterben einem wichtigen Reichsfürsten und seinem Hof, dem Thüringer Landgrafengeschlecht, zu neuem Ansehen verholfen. Seit die Thüringer nach Elisabeths Tode den Deutschen Orden unterstützten, jedenfalls weit mehr als vorher, entstand hier eine bemerkenswerte politische Kraft, die der Kaiser nutzen wollte. Die Deutschritter wirkten bisher vorwiegend im Süden, nun aber wandten sie sich verstärkt dem Osten zu. Sollte es ihnen gelingen, das Reich nach Osten zu erweitern, könnte der Kaiser nur einverstanden sein. Und außerdem – an diesem 1. Mai 1236 strömte eine ansehnliche Menge in Marburg zusammen, die Berichte sprechen von zwölftausend Menschen. Sie alle würden sehen, dass sie einen frommen Kaiser hatten. Kürzlich erst hatte er als guter Sohn der Kirche den Feuertod für Ketzer, die immer dreister und zahlreicher wurden, angeordnet. Nun wandte sich seine Aufmerksamkeit einer Heiligen zu, die dazu noch Königstochter war.
Im Morgengrauen des ersten Maientages begann die würdige Handlung. Der Kaiser schritt im einfachen Gewand des Büßers an der Seite der prächtig gekleideten Bischöfe an die Gruft. Als die steinerne Platte von den Franziskanern entfernt wurde, griff er selbst mit zu. Dann war der Sarg aufgehoben worden, es geleiteten ihn die Bischöfe an seinen neuen Platz, den Altar, wo er, für alle Augen sichtbar, stehen sollte. Hier war der rechte Ort, die nunmehr kostbar gewandeten Gebeine, durch die Heiligsprechung zu Reliquien geworden, anzubeten, zu verehren. Jetzt hatte jedermann Zugang zu ihr, deren Wunderkraft schon weit berühmt war.
Als die Handlung mit dem Segen endete, griff zur Überraschung der Bischöfe der Kaiser noch einmal in den kirchlichen Ablauf ein. Er hob den Schädel der Heiligen aus dem Sarg und setzte ihm eine goldene Krone auf. Die kaiserliche Geste war wohl berechnet, durch sie erklärte er den Schädel mit der Krone zur wichtigsten Reliquie und hob ihn dadurch besonders hervor. Mit feierlichem Wort versprach er deutlich, noch einen schweren goldenen Becher aus seinem Schatz zu stiften und von einem Meister zu einer kunstvollen Kopfstütze umarbeiten zu lassen, was später auch geschah.
Für die Bischöfe bedeutete dieser Akt eine doppelte Ehrung. Doch es rief ihren Widerspruch hervor, dass der Kaiser sich in ihre Amtsbefugnisse drängte. Obwohl er in der grauen Kutte als einfacher Christ am Sarge stand. Die Bischöfe erkannten sofort, dass hier in einer umstrittenen Frage Tatsachen geschaffen werden sollten. Ihr verbaler Protest erwies sich nicht nur als Enttäuschung oder Beleidigung, sondern durchaus als prinzipieller Widerspruch, der allerdings nichts mehr zurücknehmen konnte, sollte nicht die gesamte Veranstaltung infrage gestellt werden.
Die Zuschauer waren Zeugen eines Konflikts geworden, der zu den Streitigkeiten zwischen Papsttum und Kaisermacht, die das ganze Mittelalter durchzogen, gehörte und auch hier in Marburg ausgetragen wurde, und zwar in einer ganz speziellen Form. Die Aufzeichnungen Friedrichs II. belegen, dass er beabsichtigte, in den Franziskanerorden, der im Franziskaner-Hospital damals das Werk Elisabeths verwaltete, einzutreten. Dieses Ansinnen des höchsten weltlichen Herrschers war einigermaßen erstaunlich, denn Franziskus verstand sich als der Anwalt der Armen und Niederen, die Brüder wurden überall Minderbrüder genannt, und nun unter ihnen der Kaiser? Wollte er etwa auf sein Amt und Reich verzichten und Elisabeth nacheifern?
Es ging ihm um anderes. Er war entgegen Franziskus der Meinung, dass Adligen und auch Mitgliedern von Königshäusern eine durchaus bevorzugte Stellung im kirchlichen Leben zustünde. In seinem Brief an den Generalminister des Franziskanerordens, Elias von Cortona, erklärte er den Zweck seiner Reise damit. Er sei nach Marburg gegangen, um die im franziskanischen Geist dienende Elisabeth zu ehren und die königliche Herkunft der Heiligen zu betonen. Sie sei seinem Stande nahe und gehöre in die Reihe der besonders hervorgehobenen Heiligen. Elisabeth, die alles Gold der Welt den Armen gegeben habe, wird dadurch von dem Verdacht, sie sei eine der Ketzerei nahestehende Franziskanerin, gereinigt und in den Himmel der gekrönten Häupter gehoben. Sie solle als Heilige, nun im Tode, wieder Fürstin sein, befreit von den Irrungen der irdischen Realität, rein und unantastbar.
Der Kaiser, nachdem er in eine aktuelle Diskussion unter Christen eingegriffen hatte, stand nun weiter nicht mehr zur Verfügung. Er verabschiedete sich von den Fürsten und den Angehörigen der Thüringer Familie und reiste weiter nach Wetzlar, und dann ging es nach Koblenz, Frankfurt und schließlich nach Augsburg. Dort, auf dem nahe gelegenen Lechfeld, sammelte er sein Heer für den italienischen Feldzug. Sollten sich die Bischöfe nur ärgern.“
Nach der Lektüre dieser irdischen Heiligengeschichte weiß man nicht nur mehr über das Leben der so jung gestorbenen Frau wie auch über die Hintergründe ihrer Verheiratung und ihrer schließlichen Heiligsprechung. Wie sich zeigt, hatte das alles sehr viel mit dem Machtanspruch von Politik zu tun – und da zählten im 12. und 13. Jahrhundert Frauenschicksale – selbst die von Königstöchtern und Fürstinnen – relativ wenig. Sie waren schmückendes, schönes Beiwerk und vor allem Spielbälle der Politik. Klar, dass da menschlichere Auffassungen und Handlungen einer jungen Frau, von der noch heute Legenden berichten, vielen (männlichen) Herrschern überhaupt nicht gefallen wollten.
Viel Vergnügen und Anregungen beim Lesen, weiter einen schönen Herbst und bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.
Und haben Sie übrigens im Text die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach dem Vornamen des beliebten und einigermaßen beleibten EKHK Raschke entdeckt? Nein. Kein Problem. Sie versteckt sich in der Personalaufstellung des Autors, wo er unter anderem schreibt:
„Molra ist neben Karin Raschke wohl der Einzige, der genau weiß, wie Raschke mit Vornamen heißt. Aber das behält er natürlich für sich.“ Molra ist sein Chef, der zusammen mit Raschke auf der Fachhochschule gewesen war, aber im Gegensatz zu seinem Dezernatsleiter die Gelegenheit genutzt hatte, in den Höheren Polizeidienst aufzusteigen. Seit einigen Jahren leitet er die Kriminalinspektion in Schwerin in der Yorkstraße. Vorher war er im Landeskriminalamt. Und wenn Sie also partout herausfinden wollen, wie Raschke mit Vornamen heißt, da müssen Sie schon Kriminaldirektor Molra fragen oder Karin Raschke, seine Frau. Aber das eine dürfte genauso schwierig sein wie das andere. Vielleicht aber doch Ulrich?
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