In wenigen Monaten wird die endgültige Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht erwartet. Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden soll es nach dem aktuellen Entwurf keine Übergangsfrist geben. Das bedeutet, sie müssen die Anforderungen der Richtlinie sofort nach Verabschiedung der deutschen Version erfüllen – und damit jetzt aktiv werden: „Um ein Hinweisgebersystem zu installieren, alle Beteiligten inklusive Betriebsrat einzubinden und zu schulen sowie das Thema ordnungsgemäß zu kommunizieren, müssen Unternehmen mit etwa vier Monaten rechnen“, sagt Astrid Meyer-Krumenacker. Sie ist Rechtsanwältin, Unternehmensberaterin und externe Referentin bei der TÜV NORD Akademie.
Kleine und mittlere Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden erhalten ein Jahr Übergangsfrist, um die neuen Vorgaben umzusetzen.

Hinweisgeber schützen – Risiken aufdecken

Das wichtigste Ziel der EU-Whistleblower-Richtlinie ist, Personen, die auf Missstände aufmerksam machen, vor Repressalien zu schützen. Sie sollen die Möglichkeit haben, Hinweise sicher und vertraulich weiterzugeben, ohne dass sie Nachteile zu befürchten haben. Dabei geht es beispielsweise um Verstöße gegen das Kartell- oder Wettbewerbsrecht, Korruption, Diebstahl oder Betrug.

Auch die TÜV NORD GROUP verfügt seit 2008 neben den internen Meldekanälen über ein etabliertes Hinweisgebersystem in Zusammenarbeit mit einem Vertrauensanwalt als unabhängigem Ombudsmann, erläutert Marlis Koop, Leiterin Labour Relations & Compensation/Compliance. „Unser Meldesystem eröffnet den Beschäftigen, Geschäftspartnerinnen und -partnern sowie Kundinnen und Kunden der TÜV NORD GROUP eine zuverlässige und auf Wunsch anonymisierte Anlaufstelle außerhalb des Unternehmens in mehr als 20 Sprachen.“

Von Verdachtsfällen zu erfahren, sei auch wichtig für die Unternehmensführung, betont Astrid Meyer-Krumenacker, denn ein gutes Hinweisgebersystem ist Teil des Compliance-Managements und dient als Frühwarnsystem im Rahmen des Risikomanagements. „Ich frage meine Mandanten immer: Wie wollen Sie von einem Problem erfahren: Wollen Sie morgens von der Staatsanwaltschaft abgeholt werden oder lieber eine E-Mail mit einem Tipp bekommen?“ Im Idealfall sorge ein Hinweisgebersystem dafür, dass Verantwortliche Gesetzesverstöße rechtzeitig und nachhaltig unterbinden.

Die wichtigsten Anforderungen des kommenden Hinweisgeberschutzgesetzes sind:

  • Internes Meldesystem: Unternehmen müssen ein internes System einrichten, über das Hinweise schriftlich, telefonisch, persönlich oder über ein Whistleblowing-Portal gemeldet werden können.
  • Wahlmöglichkeiten: Wer einen potenziellen Missbrauch melden möchte, muss wählen können, ob er oder sie es schriftlich, telefonisch oder mündlich tut.
  • Vertraulichkeit von Daten: Die Identität der hinweisgebenden Person darf nur denjenigen bekannt sein, die für die Bearbeitung der Meldung zuständig sind. Auch anonyme Meldungen müssen möglich sein.
  • Unabhängige Bearbeitung: Die Personen, die Meldungen entgegennehmen, müssen soweit unabhängig sein, dass für sie kein Interessenkonflikt entsteht. Sie sind zu Verschwiegenheit verpflichtet.

Technik, Kommunikation und Prozesse im Vorfeld klären

Um ein Hinweisgebersystem erfolgreich im Unternehmen einzuführen, sollten folgende Punkte bereits im Vorfeld geklärt werden, rät Compliance-Expertin Astrid Meyer-Krumenacker:

  1. Kommunikationskonzept erstellen und umsetzen: Nur wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon wissen und das System annehmen, kann es seinen Zweck erfüllen. Dabei sollten die Vorteile des Systems klar herausgestellt werden.
  2. Prozesse gestalten: Wer muss bei der Einführung beteiligt werden, wie werden Meldungen bearbeitet, was geschieht bei besonders kritischen Hinweisen?
  3. Zugriffe klären: Da häufig auch Externe involviert sind, empfiehlt Astrid Meyer-Krumenacker, dass auch Personen außerhalb des eigenen Unternehmens Hinweise in das Meldesystem eingeben können.
  4. Datenschutz sicherstellen: Für den Umgang mit vertraulichen Informationen ist ein Datenschutzkonzept notwendig. Erste Erfahrungen zeigten, dass die vorhandenen Datenschutzkonzepte hinsichtlich der Aufbewahrungsfristen und absoluten vertraulichen Behandlung überprüft und eventuell angepasst werden müssen, so die Expertin.
  5. Digitale Lösung rechtzeitig einrichten: „Digitale Meldesysteme haben viele Vorteile“, betont Astrid Meyer-Krumenacker. „Sie ermöglichen es, anonym mit Personen zu kommunizieren, Dokumente hochzuladen und sich automatisch an fristgerechte Eingangsbestätigungen und Rückmeldungen erinnern zu lassen. Aber um davon zu profitieren, müssen solche Systeme frühzeitig angeschafft und installiert werden.“
  6. Schulungen organisieren: Mitarbeitende, die das System aufsetzen und pflegen oder aber mit der Bearbeitung von Hinweisen befasst sind, müssen vor Einführung und ggf. auch fortlaufend geschult werden.

Vertrauliche Meldesysteme für Whistleblower können dazu beitragen, Gesetzesverstöße zu stoppen und Schäden vom Unternehmen abzuwenden, ebenso kann es das Vertrauen von Mitarbeitenden oder Geschäftskontakten in das Unternehmen stärken. Es gibt also gute Gründe unabhängig von drohenden Bußgeldern, sich rechtzeitig mit der Einrichtung und Pflege eines solchen Systems zu befassen. Die Kommunikation spielt dabei eine zentrale Rolle: Schließlich nutzt niemand ein Meldesystem, von dessen Existenz er oder sie nicht weiß.

Konkrete Hilfestellung zum Aufbau eines Hinweisgebersystems gibt ein entsprechendes Seminar im Online Campus der TÜV NORD Akademie: https://www.tuev-nord.de/de/weiterbildung/seminare/seminar-ihr-hinweisgebersystem-so-gelingt-die-umsetzung-a/ 

Mehr zum Compliance-Management im Wissens-Blog der TÜV NORD Akademie: https://www.tuev-nord.de/de/unternehmen/bildung/wissen-kompakt/moderne-arbeitswelt/compliance-management-im-unternehmen/

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