Das Thema Personalisierte Ernährung (PE), häufig auch „genbasierte Ernährung“ oder „Gen-Diät“ genannt, hat hohe Aktualität. Auf dem heutigen Wissen­schaftlichen Symposium der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) diskutieren nationale und internationale Expert*innen aus ihrer Forschungsper­spektive den Sachstand und die Zukunftsperspektiven der PE. Über 300 Interes­sierte nehmen online teil. Während Verbraucher*innen die Qualität solcher An­gebote oft nicht einordnen können, sind sich die Expert*innen einig. „Bis heute konnte nicht bewiesen werden, dass Personen aufgrund genbasierter Ernäh­rungsempfehlungen ihr Körpergewicht erfolgreicher reduzieren können oder eine gesündere Ernährungsweise annehmen. Genetische Informationen weisen bis­lang keine nachweisbare Tauglichkeit für sonst stoffwechselgesunde Menschen und für darauf abgestimmte individualisierte Ernährungsempfehlungen auf“, stellt Prof. Dr. Hannelore Daniel, die das Symposium leitet und moderiert, fest. Die DGE-Arbeitsgruppe Personalisierte Ernährung legt daher ein neues Modell der PE vor. Es gewichtet die phänotypischen Merkmale wie Gewicht, BMI usw. sowie das, was gegessen wird, stärker und setzt dafür verschiedene neue Messmetho­den ein. „Die personalisierte Ernährung von Morgen muss den Menschen Hand­lungshilfen in einer immer schwerer zu durchdringenden „Ernährungsumwelt“ bieten. So kann sie dazu beitragen, Gesundheit, Genuss und Umweltbedarfe so­wie sozial gerechten Konsum gleichermaßen zu ermöglichen und dabei die spe­zifische Lebensumwelt des Individuums berücksichtigen“, sagt Daniel. Dafür ist eine bessere Integration der Datenwissenschaften und multidisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich.

Genotyp, Phänotyp und mehr

Im ersten wissenschaftlichen Themenblock zeigt Prof. Murielle Bochud von der University of Lausanne auf, welchen Beitrag PE für die öffentliche Gesundheit leisten kann. Prof. Dr. Ute Nöthlings von der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn spricht über die Entwicklung und den Einsatz von Ernährungserhebungsinstrumenten in Kohortenstudien. Denn eine gute Ernährungserhebung ist für ernährungsepidemiologische Studien und PE gleichermaßen unerlässlich. Bislang ver­wendete Methoden, bei denen Proband*innen aufschreiben sollen, was sie es­sen, sind oft ungenau. Neuere Ansätze setzen Kurz- und Langzeiterhebungsin­strumente kombiniert ein. Nöthlings arbeitet daran, innovative Ernährungserhe­bungsinstrumente wie Apps und eine standardisierte Vorgehensweise für die Analyse von Ernährungsmustern zu entwickeln. Neue Internet- und Telekommunikationstechnologien unterstützen dabei, die verfügbaren Daten zum Lebensmittelkonsum für jede*n Studienteilnehmer*in weiter zu verbessern.

Obwohl es eine genetische Komponente bei der metabolischen Antwort auf eine Mahlzeit gibt, zeigen neuere Studien, dass die Genetik keine so große Rolle spielt wie erwartet. Die „Personalised Responses to Dietary Composition Trial“ (PREDICT 1) Studie mit über 1 000 Teilnehmenden untersuchte im Alltagssetting die postprandialen Glucose- und Lipidantworten nach dem Verzehr von definier­ten Mahlzeiten. Dr. Sarah Berry vom King’s College in London berichtet, welche Anteile z. B. die Genetik und das Mikrobiom sowie die Mahlzeitenzusammenset­zung an den unterschiedlichen Stoffwechselantworten haben.

Dr. Kevin Hall beschreibt in seinem Beitrag mit Blick auf den Energie(stoff)wechsel, was uns unterscheidet und in welchem Umfang sich Stoff­wechselreaktionen auf diätetische Maßnahmen vorhersagen lassen.

Im zweiten Themenblock präsentiert die im Frühjahr 2021 gegründete DGE-Arbeitsgruppe Personalisierte Ernährung die Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit. Unter der Leitung von Prof. Dr. Hannelore Daniel und Prof. Dr. Jakob Linseisen haben 15 Expert*innen sowie DGE-Mitarbeiterinnen das Thema in all seinen As­pekten beleuchtet und bewertet. Die AG hat ein neues Modell der PE erarbeitet, das Prof. Dr. Britta Renner von der Universität Konstanz und Prof. Dr. Anette Buyken von der Universität Paderborn vorstellen. Hier stehen beim ratsuchenden Menschen die individuellen Befähigungen und Begrenzungen sowie das Essens-Umfeld im Mittelpunkt und weniger die biomedizinische Charakterisierung des Individuums. Die neue PE fokussiert somit eher auf den Weg bzw. die Maßnah­men. Mit mobilen Geräten können über entsprechende Werkzeuge wie Apps bei­spielsweise Einkaufs- bzw. Verzehrentscheidungen gezielt beeinflusst werden, indem auf den Bedarf und die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnittene Alter­nativen direkt aufgezeigt werden. Beim Einkauf ist ein Hinweis zu einer eigenen Zubereitung als Ersatz für ein Convenience-Produkt denkbar, mit der Kaufemp­fehlung für die Zutaten inkl. eines Rezeptes. Eine neue PE kann somit wesentlich zu einer nachhaltigeren und gesundheitsfördernden Ernährungsweise beitragen. Die AG geht davon aus, dass mit entsprechend ausgearbeiteten und vertrauens­würdigen Angeboten auch Zielgruppen wie bildungsfernere Personen oder Per­sonen mit Sprachbarrieren erreicht werden können. Denn diesen stehen existie­rende Angebote für PE praktisch nicht zur Verfügung; sie würden aber vermutlich von einer Personalisierten Ernährung besonders profitieren. Damit könnte die neue PE nicht nur einen Nutzen für die Umwelt, sondern auch für die öffentliche Gesundheit liefern. Dazu diskutieren in einer abschließenden Podiumsrunde sie­ben Expert*innen aus verschiedenen Handlungsfeldern von der Wissenschaft, über Verbände und Verbraucherorganisationen und der Wirtschaft das neue PE-Modell.

Den Pressetext finden Sie unter: https://www.dge.de/presse/pm/personalisierte-ernaehrung-neu-gedacht-1/

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