Dieses Jahr hat mit einem schwierigen Start für nachhaltige Anlagen begonnen: Der Russland-Ukraine-Konflikt, der Superzyklus im Energiesektor und die grüne Prämie haben nachhaltige Investments massiv unter Druck gesetzt. Doch es ist nicht alles schlecht: Mehrere Taxonomien schaffen neue Rahmenbedingungen, unter denen wir nachhaltige Aktivitäten einführen, aufbauen und regulieren können; immer mehr Unternehmen, Organisationen und Regierungen verpflichten sich zu Netto-Null; und eine Kombination aus aktiver Auseinandersetzung und Veräußerungen könnte die größten Emittenten effektiv in Richtung grünerer Wiesen führen. Lassen Sie uns die bedeutenden Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit anschauen und diskutieren, was uns in den kommenden Monaten erwartet. 

Ehrgeizig komplexe Regulierung 

In den vergangenen Jahren hat sich bei der Regulierung im Bereich Nachhaltigkeit eine wahre Revolution vollzogen. Dasselbe gilt für nachhaltiges Anlegen. Insbesondere Europa hat mit seinem „EU Green Deal“ eine Vorreiterrolle übernommen und eine ganze Menge Vorschläge, Richtlinien und Bestimmungen vorgelegt, um den Übergang zu einer grünen und CO2-neutralen Zukunft anzustoßen, zu koordinieren und zu überwachen. Wenngleich dieser erhöhte rechtliche Druck komplex und zuweilen regelrecht verwirrend erscheinen mag, gehört er dennoch zu den effizientesten Instrumenten, um dringend benötigte Kapitalflüsse in nachhaltiges und inklusives Wachstum umzuleiten. 

Das Kernstück der ganzen Bestimmungen des Green Deal bildet die „EU-Taxonomie“, ein Klassifizierungssystem, das klarstellt, welche Investments ökologisch nachhaltig sind. Auch wenn sie heute zu den bekanntesten Beispielen gehört, ist sie bei weitem nicht die einzige „nachhaltige Taxonomie“. Denn bereits bestehende und noch zu erwartende Taxonomien werden bald nahezu den halben Globus abdecken und regulieren – eine regelrechte „Taxonomanie“.  

Dabei sollten wir jedoch nicht vergessen, dass effektive Regulierung mit „klaren, hochwertigen und vergleichbaren Daten“ einhergeht. Nachhaltige Ziele wirken oft ihrem Wesen nach qualitativ und sind somit schwer messbar. Die vielen verschiedenen Benchmarks, Ziele und Definitionen bilden heute einen bedeutenden Stolperstein und stiften nur noch zusätzliche Verwirrung bei einer ohnehin schon schwierigen Thematik. Der zunehmende Mangel an Konformität und die Komplexität, wenn es um Daten geht, sollte man unbedingt im Auge behalten, da sie leicht genutzt werden könnten, um Greenwashing zu betreiben und echtes Engagement für den Wandel zu vermeiden. Ein Lichtblick: die Corporate Sustainability Reporting Directive – eine Änderung der bereits vorhandenen Non-Financial Reporting Directive – wird ein gutes Stück dazu beitragen, dieser Datenproblematik Herr zu werden. Zudem wird auch das International Sustainability Standards Board eine globale Basis von Standards für nachhaltigkeitsbezogene Veröffentlichungen zur Verfügung stellen und objektive Informationen über nachhaltigkeitsbezogene Risiken von Unternehmen liefern.  

Auflösen des Energie-Superzyklus 

Ein Superzyklus ist definiert als eine anhaltende Phase der Expansion, die in der Regel von einem robusten Wachstum der Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen getragen wird. In diesem Fall bezieht sich der Energie-Superzyklus speziell auf das anhaltende Wachstum der Nachfrage nach Energie aus fossilen Brennstoffen. Laut dem jüngsten Bericht des IPCC sind die Treibhausgasemissionen bisher noch nicht zurückgegangen – das Gegenteil ist sogar der Fall. Und obwohl erneuerbare Energien in den vergangenen Jahren ein enormes Wachstum verzeichnet haben, ist die Nachfrage nach Energie heute immer noch größer als das Angebot an Erneuerbaren.  

Glücklicherweise ist ein grünes Licht am Ende des Tunnels erkennbar. Erstens ist der jüngste Anstieg der Energiepreise ein starker Anreiz, den Übergang zu erneuerbaren Energieträgern weiter zu beschleunigen. Dann werden auch der zunehmende Druck durch Regulierung und die Anforderungen an das Berichtswesen (d. h. „doppelte Wesentlichkeit“) diese grüne Transformation weiter vorantreiben. Und da sich ein immer größerer Teil der Welt zu Netto-Null verpflichtet, wird der Sektor fossiler Brennstoffe schließlich auf lange Sicht seinen Nachhaltigkeitsansatz drastisch anpassen oder ganz den Platz räumen müssen.  

Veräußerung oder Engagement: das falsche Dilemma

Damit kommen wir zum nächsten Punkt: Wie können wir am besten unsere Abhängigkeit von CO2-intensiven Mitteln der Energieerzeugung verringern? Viele sind dafür, Unternehmen im Bereich fossiler Brennstoffe durch Veräußerungen einfach die finanzielle Unterstützung zu entziehen, da sich die Angelegenheit damit von selbst erledigt. Andere bevorzugen eine Methode des Engagements, um diese Energieanbieter zu einer nachhaltigeren Energieerzeugung zu bewegen und die Gefahr von „Stranded Assets“, also wertlos gewordenen Investitionen zu vermeiden. Wenngleich beide Seiten grundsätzlich gegensätzliche Ansichten zu vertreten scheinen, ist es gar nicht so schwer, einen Mittelweg zu finden. Wenn man einen gelungenen Mittelweg zwischen den beiden findet und auf eine Kombination aus Veräußerungen und aktivem Engagement baut, erhält man möglicherweise das Beste aus beiden Lagern. 

Doch Unternehmen im Bereich fossile Brennstoffe sind nicht untätig und bereiten seit geraumer Zeit ihren eigenen Übergang vor. Hierzu fällt einem das Beispiel von TotalEnergies ein. Das Unternehmen, das früher als ein multinationaler französischer Öl- und Gasriese bekannt war, hat beschlossen, sein Geschäftsmodell grundlegend zu überarbeiten. Es hat seine Strategien, Projekte und künftigen Aktivitäten neu konzipiert, um sicherzustellen, dass nachhaltige Entwicklung im Mittelpunkt steht. Diese Wende beruht nicht einfach nur auf leeren Versprechen, denn TotalEnergies ist bereits zu einem der weltweit größten Akteure bei Solarenergie geworden. 

Doch wir sind definitiv noch lange nicht aus dem Schneider. Laut der internationalen Organisation „Transition Path Initiative“ werden zurzeit nur drei große Energieanbieter (nämlich TotalEnergies, ENI und Occidental) dem im Pariser Abkommen dargelegten 1,5°C-Szenario gerecht. Obwohl TotalEnergies auf dem richtigen Weg zu sein scheint, berücksichtigt seine aktuelle Strategie keine „Scope-3“-Emissionen (d. h. die Konsequenzen der Aktivitäten eines Unternehmens aus Quellen, die es nicht selbst besitzt oder kontrolliert). Dieses Defizit stieß auf der jüngsten Hauptversammlung auf massive Ablehnung seitens institutioneller Anleger. Wir müssen ganz klar selektiv und kritisch bleiben, wenn es um die großen Versprechen der großen Ölunternehmen geht. 

Bei aktivem Engagement über die Daten hinausblicken  

Die sogenannte „grüne Prämie“ bezieht sich auf die zusätzlichen Kosten, die man letztendlich für saubere Technologie im Vergleich zu einer, die mehr Treibhaugase emittiert, bezahlt. Sie kann auch das Ergebnis einer Regulierung sein, die anfänglich Investitionen in offensichtlich grüne Unternehmen lenkt („die üblichen Verdächtigen“). Doch da die EU-Taxonomie ihren Geltungsbereich ausweitet und andere Ziele mit einbezieht, vergrößert sich auch das entsprechende Anlageuniversum, die Voreingenommenheit gegenüber Sektoren wird nachlassen, und die grüne Prämie wird schrumpfen.  

„Um die Auswirkung der grünen Prämie zu begrenzen und nicht nur die üblichen Verdächtigen zu identifizieren, muss man „über die heutigen Daten hinaus“ auf die zukünftige Entwicklung blicken. Insbesondere ESG-Daten neigen dazu, sich auf Entwicklungen in der Vergangenheit zu konzentrieren, ohne künftiges Potenzial und Momentum ausreichend zu berücksichtigen. Dies lässt sich zum Teil ausgleichen, indem man sich auf Maßnahmen wie etwa die Investitionsausgaben eines Unternehmens fokussiert, die stärker zukunftsorientiert sind.  

Abschließend sei gesagt, dass wir ganz klare Überzeugungen haben: Eine aktive Auseinandersetzung mit Unternehmen oder Regierungen und ein starkes qualitatives und fundamentales Research sind von entscheidender Bedeutung für einen Anleger, der über „die üblichen Verdächtigen“ hinausgehen möchte.“ 

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