Der Thinktank Agora Verkehrswende plädiert auf Basis einer Studie für eine rasche und strukturelle Reform der Kfz-Steuer und der Dienstwagenbesteuerung. Beide Fiskalinstrumente passten in ihrer aktuellen Form nicht zu den Zielen der Bundesregierung, bis 2030 die Zahl reiner Elektroautos in Deutschland auf 15 Millionen zu steigern und die CO2-Emissionen im Verkehrssektor fast zu halbieren. Sie sollten so angelegt werden, dass weniger emissionsintensive und mehr emissionsarme Fahrzeuge gekauft werden. Dafür müsse die Kfz-Besteuerung auf die Erstzulassung konzentriert und hoch angesetzt sowie nach CO2-Ausstoß und Gewicht differenziert werden. Die bisherigen finanziellen Vorteile bei der privaten Nutzung von Dienstwagen als Gehaltsbestandteil sollten komplett entfallen.

„Mit der Reform der Steuern auf Pkw und die private Nutzung von Dienstwagen kann die Bundesregierung die dringend notwendige fiskalpolitische Wende im Verkehrssektor einläuten“, sagt Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. „Die Fehlanreize, die durch überholte Privilegien und Subventionen für Verbrennerfahrzeuge entstehen, gefährden den notwendigen Markthochlauf der Elektromobilität und die Verlagerung von Mobilität auf Bus, Bahn, Fahrrad, geteilte Fahrzeuge und Fußverkehr. Deshalb gilt es jetzt, die Struktur der Besteuerung zu überdenken und ökonomisch effizient für mehr soziale Ausgewogenheit und Klimaschutz im Straßenverkehr zu sorgen. Das Reformpaket gehört als essenzieller Bestandteil in das Klimaschutzsofortprogramm, das die Bundesregierung bis Mitte Juli vorlegen muss.“

Bisherige Besteuerung setzt kaum Anreize zur Transformation der Pkw-Flotte

Die Studie, die vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Universität zu Köln (FiFo Köln) und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI Essen) im Auftrag von Agora Verkehrswende erstellt wurde, analysiert zum einen die Wirkungen der bestehenden Kfz- und Dienstwagenbesteuerung, unter anderem über eigene Haushaltsbefragungen; zum anderen zeigt sie, wie die Besteuerung neu gestaltet werden kann, um den klima- und sozialpolitischen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Kfz-Steuer in ihrer bisherigen Form, mit einem jährlichen Volumen von rund 10 Milliarden Euro, eigne sich zum Beispiel trotz bereits bestehender CO2-Komponente kaum dazu, zum Kauf eines möglichst emissionsarmen Autos anzuregen, weil sie über Jahre verteilt und niedrig angesetzt ist. Umfragen zeigen, dass die Kfz-Steuer für die meisten Menschen, die ein Auto kaufen, keine Rolle bei ihrer Entscheidung für ein bestimmtes Modell spielt. Die Dienstwagenbesteurung führt bei Unternehmen und Beschäftigten dazu, besonders große und leistungsstarke Autos anzuschaffen und diese, häufig mit Tankkarte vom Arbeitgeber, auch privat ausgiebig zu nutzen. Das kostet den Staat zwischen drei und sechs Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommt, dass vor allem einkommensstarke Haushalte vom Dienstwagenprivileg profitieren

Weniger Privilegien, mehr Fairness

Eine klimapolitisch wirksame Kfz-Besteuerung setzt nach Einschätzung von Agora Verkehrswende direkt bei der Erstzulassung ein starkes Preissignal für den Kauf von emissionsarmen Pkw. Die Höhe der Steuer richtet sich vor allem nach dem CO2-Ausstoß und zusätzlich nach dem Gewicht eines Fahrzeugs: Je mehr CO2 ein Fahrzeug ausstößt und je mehr es wiegt, desto höher der Steuersatz. Durch einen progressiven Tarifverlauf würde für besonders emissionsintensive Verbrenner eine hohe Steuer fällig werden.

In Kombination mit den Kaufprämien für Elektrofahrzeuge entstehe durch die reformierte Kfz-Besteuerung ein Bonus-Malus-System mit hoher ökologischer Lenkungswirkung für den Autokauf: Emissionsintensive Fahrzeuge werden teurer, emissionsarme Fahrzeuge werden günstiger. Das sei auch aus sozialen Gründen sinnvoll. Die Einnahmen aus der Kfz-Steuer bildeten ein fiskalisches Gegengewicht zu den Ausgaben für die Kaufprämie. Nach der aktuellen Regelung müssten alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, auch Geringverdienende, für die E-Auto-Prämien aufkommen.

Bei der Reform der Dienstwagenbesteuerung ist es aus Sicht von Agora Verkehrswende das wichtigste Ziel, steuerliche Neutralität herzustellen. Ob jemand einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen bekommt oder ein monetäres Gehaltsplus, mit dem das gleiche Auto privat angeschafft und genutzt werden kann, sollte steuerlich keinen Unterschied machen. Dafür müsse der zu versteuernde geldwerte Vorteil für die private Nutzung eines Dienstwagens neu bemessen werden.

Wenn gleichzeitig die Kfz-Steuer grundlegend reformiert wird, sollte sich der Wert auch an der erhöhten Kfz-Besteuerung bei Erstzulassung und am Umfang der privaten Nutzung orientieren, nicht mehr nur am Listenpreis. Bleibt eine solche Reform der Kfz-Steuer sowie die Einführung einer nutzungsabhängigen Komponente aus, sollte die steuerliche Bemessung nach Listenpreis deutlich angehoben werden: Für Verbrenner würde das eine Anhebung des monatlich zu versteuernden Vorteils von ein auf mindestens zwei Prozent bedeuten.

Fehlende Impulse durch EU-Flottengrenzwerte

Agora Verkehrswende versteht die Reform von Kfz- und Dienstwagenbesteuerung als Teil einer Gesamtstrategie für faire, das heißt sozial ausgewogene und klimapolitisch nachhaltige Preise im Straßenverkehr. Bei der Festlegung der neuen Steuertarife komme es darauf an, die Wechselwirkungen mit weiteren politischen Instrumenten zu berücksichtigen – von den EU-Flottengrenzwerten und dem CO2-Preis auf Kraftstoffe bis zu einer zukünftig notwendigen fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut. Je niedriger die Ambitionen an einer Stelle sind, umso ambitionierter müssten die anderen Instrumente sein. Deshalb dienen die in der Studie verwendeten Zahlen vor allem dazu, das vorgeschlagene Reformmodell zu veranschaulichen. Für einen abschließenden Vorschlag für neue Sätze in der Kfz- und Dienstwagenbesteuerung müsste auch der politische Kurs bei den damit zusammenhängenden Instrumenten bestimmt werden.

„Ohne die Reform der Kfz- und Dienstwagenbesteuerung wird es nicht gelingen, die Klimaziele im Verkehr zu erreichen und Deutschland aus der Ölabhängigkeit zu führen“, sagt Carl-Friedrich Elmer, Projektleiter Verkehrsökonomie bei Agora Verkehrswende. „In den vergangenen Jahren haben vor allem die EU-Flottengrenzwerte dazu beigetragen, den CO2-Ausstoß von Neuwagen zu senken. Ein weitestgehendes Aus für Neuzulassungen von Verbrenner-Pkw bis 2035 ist zwar ein wichtiger Schritt, aber in den Jahren bis 2030 wird das Ambitionsniveau der Grenzwerte die Elektromobilität kaum weiter beflügeln. Für die deutschen Klimaschutzziele ist es zu niedrig. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, dass die Bundesregierung mit nationalen fiskalischen Reformen die richtigen Anreize für die Transformation der Pkw-Flotte in Deutschland setzt. Kfz-Steuer und Dienstwagenbesteuerung haben dabei den größten Einfluss darauf, welche Autos in Deutschland gekauft werden.“

Die Zusammenfassung der Studie „Steuersignale zur Transformation der Pkw-Flotte. Reformoptionen für eine faire und klimagerechte Kfz- und Dienstwagenbesteuerung“ steht online unter https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/steuersignale-zur-transformation-der-pkw-flotte/ kostenlos zum Download zur Verfügung.

Über Agora Verkehrswende

Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Mitte 2016 mit Sitz in Berlin von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. www.agora-verkehrswende.de

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