„Wird wieder einmal entschieden, ohne die Auswirkungen auf die Praxis zu berücksichtigen? Es scheint, als sollen alle in den vergangenen Jahren erreichten enormen Fortschritte in der Versorgung psychisch kranker Menschen in Deutschland gerade vom grünen Tisch des Gemeinsamen Bundesausschusses gewischt werden“, sagt VKD-Präsident Dr. Josef Düllings.

„Die psychiatrische und psychosomatische Versorgung in Deutschland ist in Gefahr.“ So bewertet die VKD-Fachgruppe psychiatrische Versorgung die aktuell vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorangetriebene Weiterentwicklung der Psychiatrie- und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL), in der es um die Personalausstattung in diesem Bereich geht.

„Mit der Richtlinie soll die Versorgung unserer Patienten verbessert werden. Leider geht das Ganze vollkommen nach hinten los. Genau das Gegenteil wird erreicht“, sagt Holger Höhmann, Vorsitzender der Fachgruppe.

Vor den erheblichen Auswirkungen der Richtlinie wird von den Praktikern aus den Kliniken seit langem mit guten Argumenten gewarnt. Dennoch bleibt die durch die Erkenntnisse der ersten Zeit der Anwendung belegbare Kritik von Politik und G-BA weitestgehend unbeachtet.

Unabhängig von den noch immer großen Belastungen für die Kliniken durch die Corona-Pandemie, die extreme Teuerung, den gravierenden Personalmangel, arbeitet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zurzeit dennoch an der Weiterentwicklung der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL). „Fachkliniken und -abteilungen, denen es mit einer besonderen Vielfalt an Angeboten gelingt, psychisch erkrankte Menschen wohnortnah und indikationsspezifisch in den verschiedenen Settings zu behandeln und deren bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, sind aus unserer Sicht in der derzeitigen Lage stark gefährdet“, schreiben die Führungskräfte psychiatrischer und psychosomatischer Kliniken und Abteilungen in einem Offenen Brief an die Mitglieder des Bundestags-Gesundheitsausschusses.

Zur Weiterentwicklung der Richtlinie hat der G-BA den Praktikern aus dem VKD keine Gelegenheit für eine Stellungnahme eingeräumt, obwohl es die im Verband organisierten Managementbereiche sind, von denen in der Praxis die Richtlinie umgesetzt werden muss. Die Auswirkungen der Richtlinie auf die Versorgung psychisch erkrankter Menschen und die wirtschaftliche Lage der Einrichtungen könnten nicht größer sein, so die Einschätzung aus der Praxis.

Neben der fachlichen Fehlsteuerung erachtet die VKD-Fachgruppe weitere finanzielle Belastungen, etwa durch Sanktionen, als unzumutbar. Es werde schon in diesem Jahr, verschärft aber 2023, zu einem massiven Ungleichgewicht zwischen der Personal- und Sachkostenentwicklung und der Entwicklung der Erlöse kommen. Das verschlechtere die wirtschaftliche Situation der Einrichtungen existenzgefährdend. Hinzu komme, dass die Kostenträger auch in diesem Jahr ihre Pflicht zur Finanzierung des notwendigen Personalbedarfs nicht nachkommen. Die Erfüllung von Personal-Mindestvorgaben sei aber nur möglich, wenn das notwendige Personal auch eingestellt und refinanziert werden könne.

Wesentliche Regelungen, die aus Sicht des Managements in den Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik schädlich für die Versorgung sind, werden in dem Offenen Brief angesprochen und Änderungen angeregt. So sollten die Einrichtungen u. a. die Möglichkeit haben, die Qualitätsanforderungen des G-BA jederzeit zu erfüllen, ohne die Versorgung einschränken zu müssen. Das Finanzierungssystem (Bundespflegesatzverordnung/PEPP) sei so zu reformieren, dass es den Qualitätsanforderungen und der fachlichen Weiterentwicklung der Versorgung gerecht werde, so die Forderung. Maßnahmen zur Durchsetzung der Richtlinie müssten maßvoll und als sinnvoller Anreiz ausgestaltet sein. Entsprechend sei der gesetzliche Rahmen dringend zu überarbeiten. Der G-BA müsse aufgefordert werden, Sanktionen vorerst auszusetzen, bis ein wirklich sinnvolles System gefunden wurde. Der durch die Richtlinie verursachte Bürokratieaufwand wird in den Einrichtungen als unverhältnismäßig hoch und nicht zweckdienlich eingeschätzt und müsse begrenzt werden.

Der Offene Brief im Wortlaut unter www.vkd-online.de

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