36 Prozent der knapp 4.000 Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg bezahlen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits heute nach Tarif. Weitere 37 Prozent werden den gesetzlichen Vorgaben entsprechend ab dem 1. September 2022 nachziehen und ihre Beschäftigten ebenfalls in Tarifhöhe bzw. in Höhe von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen bezahlen. Das ist das Ergebnis der Meldungen, die alle ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen bis zum 30. April 2022 an die Landesverbände der Pflegekassen abgeben mussten.

„Damit ist die Bezahlung mindestens auf Tarifniveau in knapp 75 Prozent der Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg aktuell in der Umsetzung oder bereits vollzogen“, sagt Jürgen Graf, Unternehmensbereichsleiter Versorgung bei der AOK Baden-Württemberg. „Klärungsbedarf gibt es noch mit den Pflegeeinrichtungen, die bisher keine Rückmeldungen an die Pflegekassen abgegeben haben, obwohl sie dazu verpflichtet waren.“ Der AOK-Bundesverband hat die Zusammenführung und Plausibilisierung der Rückmeldungen der Pflegeeinrichtungen übernommen.

Versorgungsverträge nur noch bei Bezahlung in Tarifhöhe

Die Regelungen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) sehen vor, dass die Landesverbände der Pflegekassen ab 1. September Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeinrichtungen schließen dürfen, die mindestens in Tarifhöhe bezahlen. Etwa ein Viertel (27 Prozent) der Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg haben den Pflegekassen bis zum 30. April 2022 noch keine Rückmeldung gegeben, wie sie die Vorgaben zur tariflichen Bezahlung in der Pflege ab September umsetzen wollen. Diese Einrichtungen werden derzeit von den Landesverbänden der Pflegekassen angeschrieben und aufgefordert, die ausstehende Mitteilung als Voraussetzung für die Anpassung ihres Versorgungsvertrages nachzureichen. „Auch nach dem 30. April sind noch zahlreiche Korrekturen und Nachmeldungen von Pflegeeinrichtungen eingetroffen. Allein im Mai und Juni waren es 247 allein in Baden-Württemberg, die jetzt geprüft werden. Weitere werden bis September noch folgen“, so Graf.

Im GVWG ist vorgesehen, dass die Pflegeeinrichtungen mit der Rückmeldung zur künftigen Bezahlung ihres Personals auch automatisch einen Antrag auf Anpassung ihres Versorgungsvertrags stellen. Einige Einrichtungen, von denen noch keine Rückmeldung vorliegt, haben Widerspruch gegen diese automatische Anpassung des Versorgungsvertrags beim jeweiligen Landesverband der Pflegekasse eingelegt. „Laut Gesetz müssen auch diese Einrichtungen rechtzeitig vor dem 1. September einen individuellen Antrag auf Anpassung des Versorgungsvertrags stellen. Für die Pflegekassen und die Pflegeeinrichtungen sind die gesetzlichen Regelungen zur Tariftreue mit einem erheblichen Aufwand verbunden“, sagt Jürgen Graf. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Umsetzung bis zum 1. September gelingt.“

Knapp zwei Drittel wollen regional übliches Entgeltniveau zahlen

Die bis Ende April erfolgen Rückmeldungen der knapp 1.500 Pflegeeinrichtungen im Südwesten, die aktuell noch nicht an einen Tarif oder kirchliche Arbeitsrechtsregelung gebunden sind, machen auch transparent, welche der beiden gesetzlich vorgegebenen Optionen zur tariflichen Bezahlung diese Einrichtungen künftig nutzen wollen: Knapp zwei Drittel (60 Prozent) dieser Einrichtungen gaben an, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig auf Basis des regional üblichen tariflichen Entlohnungsniveaus bezahlen zu wollen. Dabei handelt es sich um tarifliche Durchschnittswerte von Stundenlöhnen von Vollzeitbeschäftigten für die verschiedenen Beschäftigtengruppen, die bereits im Februar 2022 auf Basis einer bundesweiten Abfrage bei den bereits an Tarif oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundene Einrichtungen veröffentlicht wurden. Der Rest (38 Prozent) der heute nicht tarifgebundenen Einrichtungen will sich demnach bei der Bezahlung in Zukunft an einem bereits bestehenden konkreten Tarifvertrag oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung in ihrer Region orientieren.

Südwestkasse warnt vor höheren Eigenanteilen für Pflegebedürftige

Die finanziellen Auswirkungen der neuen Tariftreue-Regelungen sind noch unklar. „Fest steht aber, dass höhere Löhne auch zu höheren Kosten führen werden. Es besteht die Gefahr, dass sie in Form höherer Eigenanteile auf die Pflegebedürftigen abgewälzt werden“ warnt Jürgen Graf. „Angesichts der dramatischen Finanzlage der Pflegeversicherung, die ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, sind dringend nachhaltige Finanzierungslösungen notwendig.“

Rückmeldungen der Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg zur Bezahlung in Tarifhöhe (Stichtag: 30. April 2022):

Gesamtzahl der Pflegeeinrichtungen (ambulant, stationär, teilstationär): 3.935

Einrichtungen, die laut Eigenangabe bereits an einen Tarifvertrag oder an eine kirchliche Arbeitsrechtsregelung gebunden sind: 1.433 (36%)

Einrichtungen, die laut Eigenangabe bisher nicht an einen Tarifvertrag oder eine kirchliche Arbeitsrechtsregelung gebunden sind. Davon:

  • Einrichtungen, die laut Rückmeldung künftig auf Basis des regional üblichen tariflichen Entgeltniveaus bezahlen wollen: 878 (60%)
  • Einrichtungen, die laut Rückmeldung künftig in Höhe eines Tarifvertrages oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung bezahlen wollen: 554 (38%)
  • Einrichtungen, aus deren Rückmeldung nicht erkennbar war, welchen Weg sie künftig gehen wollen: 24 (1,65%)

Einrichtungen, die zum 30. April 2022 noch keine Meldung zur Tarifbindung abgegeben haben: 1.046 (27%)

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