„Whatever it takes“ – vor ziemlich genau 10 Jahren, am 26. Juli 2012, sprach der damalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, diese berühmten Worte, welche die Wende in der Eurokrise bringen sollten. Laut Dr. Volker Schmidt, Senior Portfoliomanager bei Ethenea Independent Investors S.A., ist ein solcher Moment angesichts der aktuellen Inflationszahlen erneut notwendig. Die Zinserhöhung um 50 Basispunkte könne hierbei ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Auch sein Kollege Christian Schmitt, ebenfalls Senior Portfoliomanager bei Ethenea, sieht ein neues Zeitalter der Geldpolitik im Kommen.

„Es war bereits seit längerem an der Zeit, dass die EZB die Geldpolitik der letzten zehn Jahre für beendet erklärt und damit beginnt, konsequent und glaubhaft Maßnahmen zu ergreifen, um die Inflation einzudämmen“, so Schmidt. „Die wichtigsten Instrumente im Repertoire einer Notenbank lauten nämlich nicht Anleihenkäufe oder Leitzinsen, sondern Integrität und Glaubwürdigkeit.“ 

Anleger haben den Zauberkasten der Notenbanken zelebriert

Streng genommen habe die neu gewonnene Dominanz der Notenbanken bereits vor dem Jahr 2012 begonnen. Bis zur globalen Finanzkrise 2008/2009 hätten sowohl die EZB als auch die Fed besonders auf eine aktive Steuerung des Leitzinses gesetzt. Dieses Kernelement wäre darauf ausgelegt gewesen, die Preisstabilität zu gewährleisten. „Dies änderte sich mit der Finanzkrise, als nicht wenige am Fortbestand des Weltfinanzsystems zu zweifeln begannen und die Notenbanken große Verwerfungen zu bekämpfen hatten“, erläutert Schmitt. „Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurden zahlreiche Sondermaßnahmen ergriffen, die sich im Nachgang der akuten Krise jedoch nicht so einfach wieder rückgängig machen ließen und fortan zum festen Instrumentenkasten der Notenbanken gehörten.“

Insbesondere diverse Anleihekaufprogramme hätten sich hier steigender Beliebtheit erfreut. In Abgrenzung zu den zuvor verfolgten konventionellen Maßnahmen seien die zunächst als einmalige Sondermaßnahmen gedachten Methoden im Laufe der Zeit als unkonventionelle Maßnahmen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. „Dieser neue, erweiterte Instrumentenkasten entpuppte sich als wahrer Zauberkasten und die Anleger haben das zelebriert“, erläutert Schmitt. Rasante Kurserholungen nach Krisen seien zur Regel geworden, kein Problem schien mehr ernsthaft zur Bedrohung zu werden. 

Störenfried Inflation macht dem Zentralbank-Put den Garaus

Plötzlich war der sogenannte Zentralbank-Put wieder in aller Munde: Die Notenbanken würden es im Zweifel schon richten und die Kurse stützen. Das alles hätte für Investoren weiterhin eine exzellente Anlegerwelt bleiben können, „wenn da nicht im vergangenen Jahr plötzlich nach all den Jahren und Geldspritzen doch noch die Inflation auf Werte von deutlich über zwei Prozent geschossen wäre“, so Schmitt. 

Die Ableitung aus der nachhaltig erhöhten Inflation in Kombination mit der gegenwärtigen Vollbeschäftigung sei für Anleger so einfach wie hart: Der Zauberkasten der Notenbanken, der in den letzten 13 Jahren so schöne Dienste für nahezu alle Anlageklassen geleistet habe, werde auf absehbare Zeit erstmal im Schrank bleiben müssen, und damit auch der beliebte Notenbank-Put.

„Die geldpolitische Wende war bereits vor der Zinserhöhung durch die EZB eingeläutet“, meint Schmidt. Die Schweizerische Nationalbank habe den Leitzins bereits um 0,5 Prozent erhöht, obwohl die Inflationsrate mit 2,9 Prozent zwar ein Vierjahreshoch erreicht hatte, aber deutlich geringer ausfalle als in den europäischen Nachbarländern. 

Auch die US-Notenbank habe den Zielkorridor der sogenannten Fed Funds Rate zuletzt zweimal um 0,75 Prozent auf nunmehr 2,25 – 2,50 Prozent angehoben, die Bank of England (BoE) habe trotz wachsender Rezessionssorgen den Leitzins zum fünften Mal in Folge um 0,25 Prozent auf 1,25 erhöht.

„Die EZB hat in den letzten Jahren viel verspielt, doch es nicht zu spät, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen“, betont Schmidt. „Dafür braucht es nun eine konsequente geldpolitische Wende, einen zweiten ‚Whatever it takes‘-Moment.“ Die Leitzinserhöhung zehn Jahre nach dem originalen ‚Whatver it takes‘-Moment könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. 

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