Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie sind die Eigenkapital-Reserven und damit die liquiden Mittel vieler mittelständischer Unternehmen geschrumpft. Zwar ist das Infektionsgeschehen derzeit deutlich abgeflaut und die meisten Corona-Restriktionen wurden aufgehoben, doch fast nahtlos traten neue Herausforderungen für Unternehmen auf den Plan. Materialmangel, explodierte Energiepreise, steigende Inflation – all das wurde und wird durch den Krieg in der Ukraine zusätzlich verschärft und hemmt die wirtschaftliche Erholung massiv. Laut Zahlen des ifo-Instituts wird die Inflationsrate dieses Jahr auf 6,8 Prozent steigen – den höchsten Wert seit 1974. Die Erhebung „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Frühjahr 2022“ der Creditreform Wirtschaftsforschung zeigte zudem, dass jeder dritte Befragte von Ertragseinbußen betroffen ist. Über 53 Prozent der Umfrageteilnehmer sehen gar ihre Unternehmensstabilität in Gefahr. Für fast 72 Prozent der 1.300 befragten Unternehmen sind die massiven Preissteigerungen dabei die wohl größte Herausforderung dieses Jahr. Darauf folgen Probleme wie Lieferengpässe und Fachkräftemangel.
Längst nicht alle KMU haben die nötigen Reserven für diese neue Qualität der Krise: Die Umfrage hat gezeigt, dass annähernd 31 Prozent der Befragten eine zu geringe Eigenkapital-Ausstattung von unter zehn Prozent im Verhältnis zur Bilanzsumme haben. Zudem ist die Tendenz zur Inanspruchnahme längerer Zahlungsfristen durch Kunden erkennbar.
Verband rät zu Umsatzfinanzierung
„In dieser herausfordernden Situation sehen wir in der Umsatzfinanzierung über Factoring ein wirkungsvolles Instrument für mittelständische Unternehmen. Schließlich wird durch den Verkauf von Forderungen dringend benötigte Liquidität innerhalb von wenigen Werktagen frei. Das ist ein großer Unterschied zu den üblichen Zahlungszielen, die in manchen Branchen bis zu drei Monate betragen können“, erklärt Michael Ritter, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand (BFM). „In Zeiten steigender Inflation wünscht man sich das Geld eben lieber sofort.“
Gerade Unternehmen, deren Eigenkapitalausstattung unter Corona gelitten hat, sind zunehmend auf alternative Bezugsquellen für liquide Mittel angewiesen. Dabei ist es egal, ob es um Projektvorfinanzierung, den gestiegenen Aufwand in der Materialbeschaffung oder die wieder bedeutsam gewordene Lagerhaltung geht. Die Kosten sind branchenübergreifend gestiegen, Energie ist teuer wie selten zuvor. Der Aufwand kann aber oftmals nicht direkt oder nur verspätet an Kunden weitergegeben werden. Die Auswirkungen sind mitunter schwerwiegend.
Insolvenzgefahr in bestimmten Branchen steigt
Zahlen des ifo-Instituts legen nahe, dass in einigen Branchen infolge von Corona und Ukraine-Krieg immer noch bedrohliche Zustände herrschen. Dazu zählen etwa die Druckbranche und die Textilindustrie, wo sich mehr als 21 beziehungsweise fast 36 Prozent der Unternehmen Existenzsorgen ausgesetzt sehen. Laut dem Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle lag die Zahl der Firmenpleiten im Mai 2022 14 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats. Das Insolvenzgeschehen wird dabei stark von der Industrie bestimmt – zudem war die Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze im letzten Monat doppelt so hoch wie im Mai 2021. Den Studienmachern zufolge seien das aber noch nicht die Auswirkungen des Ukraine-Krieges, sondern gehe auf Unternehmen zurück, die bereits länger mit Herausforderungen kämpften. Es ist also mit einer weiteren Zuspitzung zu rechnen.
Umsatzfinanzierung in Restrukturierung oder Insolvenz
Diese Entwicklung nährt die Befürchtung vieler Experten, die eine verspätete Insolvenzwelle nicht ausschließen. „Staatliche Corona-Hilfsmaßnahmen haben das Geschehen bei den Insolvenzen in den letzten beiden Jahren verzerrt. Nun enden die meisten der Hilfen und die Rückzahlzungen beginnen, das könnte manches KMU zusätzlich in Existenznot bringen“, sagt Michael Ritter. Factoring könne Abhilfe schaffen und erweise sich dabei laut Michael Ritter als besonders krisentauglich: „Bei einem Forderungsverkauf kommt es in den meisten Fällen auf die Bonität der Abnehmer an, denn sie sind es, die eine bevorschusste Forderung am Ende beim Factor begleichen. Die Kreditwürdigkeit des forderungsverkaufenden Unternehmens kann hingegen etwas in den Hintergrund treten. Dadurch ist es für Firmen in Restrukturierungsprozessen und sogar in der gerichtlichen Sanierung leichter, an eine Factoring-Lösung zu gelangen als beispielsweise an ein Bankdarlehen.“ Factoring kann zudem durch den Ausfallschutz der Forderungen ein wichtiger Baustein im Risikomanagement sein und es komme dabei nicht zu einer langfristigen Neuverschuldung. Das Geld stammt beim Factoring direkt aus den Umsätzen, die das Unternehmen ohnehin erwirtschaftet – die Mittel stehen nur früher zur Verfügung. Anfallende Gebühren werden in der Regel gleich im Rahmen der jeweils bevorschussten Forderung abgerechnet.
„Factoring ist aber nicht nur in der Talsohle eine hilfreiche Unterstützung: Erholt sich ein Unternehmen, kann es neue Aufträge an Land ziehen und seine Umsätze steigern, dann können auch mehr Forderungen an den Factor verkauft werden. Somit steht mehr Liquidität unmittelbar zur Verfügung. Wächst das Unternehmen, dann wächst Factoring mit“, sagt Michael Ritter.
Über den BFM
Der Bundesverband Factoring für den Mittelstand (BFM) ist die zentrale Interessenvertretung mittelständischer Factoring-Gesellschaften in Deutschland. In dem Verband haben sich qualitätsorientierte, oft inhabergeführte Gesellschaften organisiert, die auf die Umsatzfinanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen spezialisiert sind.
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