„Wir haben über mehrere Monate in engagierten und oft kontroversen Diskussionen nach gemeinsamen Positionen und einigermaßen verbindlichen Regeln gesucht. Am Ende müssen wir aber feststellen, dass das Erzielte aus Sicht der Mieter und Mieterinnen Berlins nicht reicht für eine Unterschrift unter eine Vereinbarung, für deren wenige Vorteile der Mieterverein dann aber mit in die Verantwortung genommen würde“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.

„Wir attestieren der Berliner Landesregierung, dass sie mit großem Engagement und schnellen Schritten zu einer freiwilligen Vereinbarung kommen wollte, die auch den Mieterschutz an zentraler Stelle im Auge hatte“, so Wild. Dabei geht der Senat über das Hamburger Bündnis und auch das von Seiten der Bundesregierung geplante Bündnis deutlich hinaus. Für diesen Ansatz bedanken wir uns. Allerdings sind mit dem Bündnis von Teilen der Landesregierung Erwartungen geknüpft worden, die wir aufgrund früherer Vereinbarungen auf freiwilliger Basis und der unverbindlichen Haltung der Immobilienwirtschaft skeptisch bewertet haben.

Die Berliner Landesregierung bleibt mit der Bündnisvereinbarung an diversen Stellen hinter ihrer Koalitionsvereinbarung zurück. Das verwundert nicht, ermutigt aber auch nicht. Wer jedoch an den zentralen Punkten mehr Verbindlichkeit erhofft hatte, als in den teilweise guten Zielen der Koalitionsvereinbarung genannt wurden, der muss sich leider getäuscht sehen.                          

Der Berliner Mieterverein hat in Erahnung der bevorstehenden Schwierigkeiten schon zu Beginn der Bündnisgespräche die Bedeutung eher im Dialog gesehen. Dieses Angebot halten wir dem Berliner Senat auch weiter aufrecht und sind bereit, die im Bündnis diskutierten Themen als Gast auch weiter zu begleiten.

Die Berliner Bündnisvereinbarung macht aber erneut deutlich, dass der Weg über freiwillige Vereinbarungen extrem beschwerlich ist und gesetzliche Regelungen – sei es durch das Land oder den Bund – nicht ersetzen kann. Wenn insoweit auch zukünftig jedwede Regulierung zugunsten der Mieter und Mieterinnen von der Immobilienwirtschaft als Konfrontation verstanden werden will, dann wird sich der Interessenkonflikt über „Kooperation statt Konfrontation“ nicht auflösen.             

Konkret reicht das Verhandlungsergebnis aus zwei Gründen nicht:

1. Für einen besseren Mieterschutz und auch für mehr preisgünstigen Neubau gibt es keine verbindlichen Aussagen mit breiter Wirkung:

In der Vereinbarung fehlt jedwede Zusage der Immobilienwirtschaft für eine verbesserte Mietpreisbremse bei Wiedervermietung, für einen geringeren Mietenanstieg nach Modernisierung und für eine Begrenzung der Heizkosten bei energetisch schlechten Wohngebäuden. Für Mieterhöhungen in bestehenden  Mietverhältnissen ist das von Senator Geisel angekündigte Mietenmoratorium, für das der BMV in einem bundesweiten Bündnis eintritt, schon vorab von der Landesregierung „abgeräumt“ worden. Allerdings soll es als Ersatz bei großen privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohneinheiten eine Kappung der Mieterhöhung bei 2% pro Jahr für WBS-berechtigte Haushalte geben. Diese Regelung ist ebenso wie die vorgesehene Kappung der Mieterhöhungen für WBS-Berechtigte bei 30% des Haushaltsnettoeinkommens als Härtefallregelung vorgesehen. Nach den vorliegenden Erfahrungen mit solchen Regelungen bei den Landeswohnungsunternehmen, im Sozialen Wohnungsbau und bei der Deutschen Wohnen wissen wir über deren Wirkungslosigkeit, weil Mieter und Mieterinnen unter Wahrung ihrer Würde die Miete aus eigener Kraft zahlen wollen. In Berlin gibt es rund 1,67 Mio. Mietwohnungen, 20% davon gehören kommunalen Wohnungsunternehmen, für die ohnehin eine spezielle Vereinbarung gilt. Ob diese Bündnis- Regelung für die rund 250.000 genossenschaftlichen Wohnungen zur Anwendung kommt, ist ungewiss, da die Genossenschaften  in den Verhandlungen immer wieder auf rechtliche Probleme verwiesen. Es verbleiben gut 1 Mio. private ungebundene Wohnungen. Rund 350.000 davon gehören Privatpersonen, bei denen niemand davon ausgeht, dass sie sich der Bündnisvereinbarung anschließen. Es verbleiben etwa 510.000 Wohnungen privatwirtschaftlicher Unternehmen, von denen rund 270.000 zu den großen Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gehören. Knapp 55% der Mieter und Mieterinnen sind WBS-berechtigt, bei den privaten sind es sicher nicht mehr als 30%. So kämen rund 150.000 Mieter und Mieterinnen theoretisch in den Genuss der neuen Mietenkappung, wovon vermutlich mehr als ein Drittel bei Vonovia/Deutsche Wohnen leben, die diese Kappung schon haben. Ungenügend ist die Regelung auch, weil sie nur auf die Kappung der Nettokaltmiete abstellt, die massiven Wohnkostensteigerungen in den nächsten Jahren aber auch sehr stark auf den Anstieg der Heiz- und Warmwasserkosten zurückzuführen sein werden.  Der Vorschlag, dass große Wohnungsunternehmen 30% der freien Wohnungen an WBS-Berechtigte vergeben sollen, ist aus drei Gründen nicht der große Wurf: 1. Es fehlt dazu eine Mietenkappung. 2. Der Prozentsatz ist zu niedrig weil die WBS-Berechtigung inzwischen auf fast 55% der Haushalte angewendet wird. 3. Vonovia/Deutsche Wohnen vergeben aufgrund der Struktur des Bestandes in Siedlungsbauten ohnehin eine gewissen Anteil ihrer Wohnungen schon heute an WBS-Berechtigte.   

Auch die Neubauregelungen bringen nicht die erhoffte Wende. Die notwendige Konzentration auf die Neubauten im unteren und mittleren Marktsegment erfolgt nicht. Die Anzahl der neu zu errichtenden Sozialwohnungen ist unverbindlich, einzig im kooperativen Baulandmodell wird der geförderte Wohnungsbau gestärkt. Eine Einlassung darauf, wie der angepeilte restliche Gemeinwohlanteil von 5.000 Neubauwohnungen jährlich zusätzlich zu den Sozialwohnungen erzielt werden kann, wurde abgelehnt. Das aus Sicht des Mietervereins problematische Grundkonzept, über möglichst viel und teuren Neubau die Wohnungsmarktentspannung zu erreichen, wurde nicht hinterfragt. 

2. Die Bündnisvereinbarung ist an vielen Punkten zu unverbindlich und nimmt zentrale Anforderungen nicht auf.

Die Unverbindlichkeit besteht nicht nur darin, dass bei vielen Themen Lösungen nur „angestrebt“ oder als wenig präzises Ziel benannt werden, sondern vor allem darin, dass die unterschreibenden Verbände ihre Mitglieder nur ermuntern oder auffordern können, daran mitzuwirken. An Kooperationsvereinbarungen mit den Unternehmen, die einklagbar oder verbindlich für die einzelnen Mieter und Mieterinnen sind – also eine drittschützende Wirkung haben –  ist nicht gedacht.

Ein sehr großes Manko besteht auch darin, dass der energetischen Verbesserung der bestehenden Wohngebäude und der Wärmewende mit sozial verträglichen Mieten trotz der dringenden Klimaschutzanforderungen praktisch gar kein Stellenwert eingeräumt wird. Auch für Milieuschutzgebiete wird der Konflikt von Sozialverträglichkeit und Klimaschutz nicht angegangen.         

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