Auf Baggerseen schwimmende Photovoltaik-Anlagen, die Strom für den Maschinen- und Fuhrpark der Kieswerke produzieren; Elektro-Lastwagen, die auf kurzen Wegen die heimischen Rohstoffe zu den Zement- und Betonwerken bringen; neue Zementsorten, bei deren Herstellung deutlich weniger Treibhausgase entstehen; Baggerseen als wertvolle Biotope, Naherholungsgebiete und Lernorte, an denen allen Generationen die Natur und die heimische Rohstoffwirtschaft näher gebracht wird. Das sind nur einige der Ansätze, die Mitgliedsunternehmen der Initiative KiWi, unter dem Dach des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) am Oberrhein und im ganz Land im Kampf gegen die Klimakrise gerade verfolgen. Vorgestellt wurden sie beim KiWi-Forum Umwelt in Baden-Baden Ende Mai 2022. Dabei wurde deutlich, dass die Verwirklichung dieser Ideen nicht einfach ist – und dass es nicht immer an den Unternehmen liegt.

KiWi steht für die Kieswirtschaft am Oberrhein. Die Initiative von baustoffproduzierenden- und verarbeitenden Unternehmen aus den Branchen Sand und Kies, Asphalt, Recycling, Transportbeton und Betonfertigteile sucht mit Veranstaltungen wie dem KiWi-Forum den Dialog mit Bürger:innen, Behörden und Politiker:innen. In Baden-Baden diskutierten Unternehmer:innen, Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und die Umweltaktivistin und Nachhaltigkeitsexpertin Rebecca Freitag über die Frage „Mit Vollgas in die Klimafalle?“. „Floating PV“, schwimmenden Photovoltaik-Anlagen, wurde dabei von ganz ein großes Potenzial zur Beschleunigung der Energiewende in Baden-Württemberg zuerkannt.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg hat ergeben, dass im Land zahlreiche Wasserflächen, viele davon Baggerseen, für schwimmende PV-Anlagen besonders geeignet sind. Auf der Fläche von zusammengerechnet 2000 Hektar könnte rund ein Gigawatt Strom erzeugt werden. Das würde der Leistung eines Kohle-Kraftwerks entsprechen. Deswegen will das Umweltministerium des Landes möglichst schnell weitere Pilotprojekte starten, wie Staatssekretär Dr. Andre Baumann beim KiWi-Forum Umwelt ankündigte – weshalb sich das Land erfolgreich im Bund dafür eingesetzt hat, die bislang geplante Flächenbegrenzung von maximal 15 Prozent der Wasserfläche für eine solche PV-Anlage zu streichen.

Ein Pilotprojekt gibt es im Südwesten bereits: Auf dem Maiwaldsee bei Renchen werden seit Mitte 2019 mit der damals größten schwimmenden PV-Anlage Deutschlands Erfahrungen gesammelt. Kieswerksbetreiber Armin Ossola hat – gemeinsam mit der Erdgas Südwest GmbH – eine Anlage mit 2300 PV-Modulen realisiert, die mehr als 800.000 Kilowattstunden Sonnenstrom pro Jahr erzeugt. Bis zu 75 Prozent davon fließen in den Eigenverbrauch. Er konnte so seine Stromkosten reduzieren und jedes Jahr Hunderte von Tonnen CO2 einsparen.

Konstantin Ilgen vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE ist Wissenschaftler und am Maiwaldsee der Frage „Wie umweltverträglich ist PV auf Baggerseen?“ nachgegangen. Der Maiwaldsee der Ossola GmbH hat eine Fläche von 37 Hektar und ist bis zu 70 Meter tief. Die PV-Anlage ist rund 7500 Quadratmeter groß und bedeckt etwa zwei Prozent der Seefläche. Das bisherige Ergebnis von Ilgens aufwändigen Messungen zu Sonneneinstrahlung, Wassertemperatur in unterschiedlichen Tiefen, Windstärken oder Sauerstoffgehalt zusammengefasst: „Die Anlage hat keine signifikanten Auswirkungen auf die Konzentration von gelöstem Sauerstoff und die thermische Schichtung.“ Und: „Floating PV hat das Potenzial, den Auswirkungen des Klimawandels auf Seen entgegenzuwirken.“ Jetzt will Armin Ossola sein schwimmendes PV-Kraftwerk von aktuell 750 Kilowatt Peak (kWp) auf 1,2 Megawatt Peak (MWp) ausbauen, wie er beim KiWi-Forum ankündigte.

Thomas Peter ist Vorsitzender der Initiative Kieswirtschaft im Dialog, Geschäftsführender Gesellschafter der Hermann Peter KG und würde auf seinem 60 Hektar großen Baggersee bei Breisach-Niederrimsingen auch gerne eine Floating PV-Anlage schwimmen und Strom produzieren lassen. Dafür gebe es vor Ort sogar von Bürgerinitiativen eine Riesenzustimmung, erzählte er, was auch der Bürgermeister von Breisach, Oliver Rein, bestätigen konnte. Die Planung stand, 8 MWp-Leistung fragte er bei der Bundesnetzagentur an. Die Antwort war ernüchternd, sagte er beim KiWi-Forum: Die Agentur genehmigt ihm maximal 1,1 MWp, für mehr reiche die Stromleitungsinfrastruktur bei Weitem nicht aus.

Solche Hemmnisse ärgern auch die bei der Veranstaltung mitdiskutierenden Landespolitiker. „Genau für diese Themen müssen wir eine Lösung finden“, sagte beispielsweise der Vorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Schwarz. „Wir müssen da noch wesentlich schneller unterwegs sein.“ Auch der Landtagsabgeordnete Raimund Haser (CDU) forderte, die Verfahren und auch die Denkweisen einer genauen Prüfung zu unterziehen. „Wir brauchen jede Technologie, jede Kilowattstunde, jeden Rohstoff.“ Ähnlich äußerten sich Daniel Karrais (FDP) und Gernot Gruber (SPD): „Wir müssen schneller werden, bei den Verfahren einfacher und ehrlicher.“

Sand und Kies sind die Grundzutaten für Baustoffe aller Art, gerade auch für die Zement- und Betonindustrie, die wegen ihres hohen CO2-Ausstoßes immer wieder in der Kritik steht. Ulrich Nolting, Geschäftsführer der Informationszentrums Beton GmbH, zeigte beim KiWi-Forum Umwelt den „Weg der Zement- und Betonindustrie zur Klimaneutralität und Dekarbonisierung“ auf. Zemente sollen bis 2050 klimaneutral hergestellt werden, Grundlage dafür ist der 5C-Ansatz der Europäischen Zementvereinigung. 5C steht dabei für Klinker (Englisch: Clinker), Zement (Cement), Beton (Concrete), Bauen (Construction) und Carbonatisierung (Carbonation). Ansätze auf dem Weg zur Klimaneutralität sind beispielsweise die Speicherung von aus dem Kalkstein herausgepresstem CO2 in unterirdischen Lagern oder der zunehmende Einsatz von klinkerreduzierten Zementen. Klinker ist der Hauptbestandteil von Zement und wird bei hohen Temperaturen, also auch bei hohem Energieeinsatz, aus Ton und Kalk gebrannt. Je niedriger der Klinkeranteil ist, desto weniger CO2-Emissionen entstehen bei der Produktion. In diesem Jahr kommt laut Nolting eine neue klinkereffiziente Zementgeneration auf den Markt. Auch an Beton als CO2-Speicher wird geforscht.

Bei der ganztägigen KiWi-Veranstaltung, an der rund 100 Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, aus der Verwaltung, von Verbänden und aus der Forschung teilnahmen, wurde auch immer wieder die dezentrale Struktur der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg hervorgehoben, die kurze und inzwischen auch mit E-Lkw zu bewältigende Transportwege ermögliche. Hauptrednerin war die ehemalige UN-Jugenddelegierte, Umweltwissenschaftlerin und – aktivistin Rebecca Freitag, die unter anderem anregte: „Wir müssen wieder lokal werden, dürfen das Globale dabei aber nicht vergessen.“

Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein – www.kiwi-oberrhein.de

Dialog schafft Vertrauen! Genau das will die Initiative KIWI – Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein – ins Gespräch kommen mit Nachbarn, Partnern, Kritikern.

KiWi – das sind über 20 Unternehmen der Kies-, Asphalt- und Betonwirtschaft vom Oberrhein. Diese bilden einen Arbeitskreis im Ausschuss Öffentlichkeitsarbeit des ISTE. Sie alle setzen sich für eine nachhaltige Gewinnung  und Nutzung dieser wichtigen Rohstoffe und Materialien ein: als Wirtschaftsmotoren, als Arbeitgeber, als Ausbilder – verankert in der Region und der Gesellschaft.

Über den Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V.

In Baden-Württemberg gibt es rund 500 Unternehmen, die mineralische Rohstoffe gewinnen, weiterverarbeiten oder gebrauchte mineralische Rohstoffe recyceln. Insgesamt geschieht dies in rund 800 Werken mit 15.000 Beschäftigten. Diese Branche erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 5 Milliarden Euro pro Jahr im Land.

Pro Einwohner und Jahr müssen rund 10 Tonnen Material der Erde entnommen werden, damit Häuser, Bürogebäude, Straßen, Bahnlinien und Radwege gebaut werden können. Insgesamt werden so jährlich 100 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen und benötigt. Ziemlich genau entspricht das einem Kilogramm mineralische Rohstoffe pro Einwohner und Stunde. Gebrauchte Baustoffe werden durch Baustoffrecycling im Kreislauf gehalten. So wird bereits heute ca. 90 Prozent des Bauschuttes und Straßenaufbruchs recycelt.

Der ISTE wurde bereits sechs Jahre vor dem Land Baden-Württemberg im März 1946 als "Fachverband Steine und Erden Württemberg und Baden e.V." gegründet. Seitdem hat er sich zu einem modernen, dienstleistungsorientierten Wirtschafts- und Arbeitgeberverband entwickelt.

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