Nach zweijähriger Corona-Zwangspause fand wieder der „Deutsche Tag der Kanalreinigung“ vom 11. bis zum 12. Mai beim IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen statt.

Es war gegen Ende des ersten Tages als Roland W. Waniek, der Geschäftsführer des IKT, zum Mikrofon griff und an ein trauriges Ereignis erinnerte, das viele im Veranstaltungszelt noch in Erinnerung hatten: „Vor zehn Monaten war ein Tag, da war auch so schönes Wetter wie heute, aber die Stimmung war beklemmend. Mirko Salomon und ich waren ins Ahrtal gefahren, um uns die Folgen der Flutkatastrophe anzuschauen. Allen Experten war klar, dass das Kanalnetz in den betroffenen Städten nicht mehr in Ordnung sein konnte.“

Hilfe per Telefon koordiniert

Bei Marco Schlüter, Leiter des Kommunalen Netzwerks der Abwasserbetriebe (KomNetAbwasser) am IKT, klingelte da schon lange das Telefon. Schlüter sollte in diesen Tagen bis spät in die Nacht und am Wochenende die Hilfe koordinieren.

Alle wollten wissen: Wie kann ich helfen? Es waren die Städte, die nicht vom Hochwasser betroffen waren, die beim IKT anriefen. In den Kommunen, wo im vergangenen Sommer Land unter war, war kaum jemand zu erreichen: Die Telefonleitungen waren meist ebenso wie der Mobilfunk zusammengebrochen. „Wir haben“, erinnert sich Waniek, „diejenigen, die Hilfe anboten, mit jenen zusammenbracht, die Hilfe brauchten.“

Aus vielen Städten kam Hilfe, machten sich Kanalexperten mit ihren Fahrzeugen auf den Weg in das Katastrophengebiet, denn ihnen allen war klar: Sollte erneut Starkregen fallen, wären die Folgen bei verwüsteten Kanälen verheerend.

Ehrung der Kanal-Nothelfer

Nun wurden die Helfer, die nicht im Rampenlicht standen, geehrt: Sie kamen aus Rheda-Wiedenbrück, Arnsberg, Dortmund, Münster, Gelsenkirchen, Oer-Erkenschwick, Herne, Haltern, Wolfsburg, Duisburg, Moers und sogar aus Stuttgart. Alle erhielten sie eine Urkunde und einen großen Aufkleber „Wir haben geholfen!“ für ihre Reinigungsfahrzeuge. Die Preisverleihung war einer der Höhepunkte der zweitägigen Veranstaltung.

Digitalisierung der Abwasserbetriebe

Ein weiterer Schwerpunkt war vor allem die Digitalisierung. Die auf den ersten Blick so konservativ erscheinende Kanalbranche entdeckt mit rasender Geschwindigkeit Drohnen, Künstliche Intelligenz (KI) und Betriebsablaufsoftware.

Nadine Krogull von den Wirtschaftsbetrieben Duisburg stellte ein Projekt vor, das die Wirtschaftsbetriebe gemeinsam mit dem Schweizer Unternehmen Hades in Angriff genommen haben. In die Cloud von Hades werden Videos der Abwasserkanäle hochgeladen. Intelligente Software analysiert sie.

Das hat nach Ansicht von Krogull mehrere Vorteile: „Die Software wird bei der Analyse der Kanalvideos nicht müde, ihre Konzentration lässt nicht nach und die Ergebnisse der Arbeit sind objektiver als bei den Fachleuten, die bei der Beurteilung von Schäden oft verschiedener Ansicht sind.“ Aus den Rückmeldungen der Kunden würde die Hades-Software zudem lernen. Die Künstliche Intelligenz nähme zu, je mehr Videos betrachtet wurden.

Deutlich bessere Inspektionsergebnisse

Nach ersten Ergebnissen geht Nadine Krogull davon aus, dass dadurch die Inspektionsleistung um 30 Prozent stieg. Zu 90 Prozent stellte die Software Schäden korrekt fest. Die Teams der Wirtschaftsbetriebe zögen später los, die Mängel zu beseitigen. In Duisburg glaubt man, KI hätte in Zukunft eine Perspektive.

Digitalisierung fängt Personalmangel auf

Konflikte mit den Mitarbeitern gab es während der Testphase übrigens nicht: „Wir konnten“, sagte Krogull, „alle davon überzeugen, dass ihre Jobs durch die neue Technologie nicht gefährdet sind.“ Allerdings sei die Software eine Möglichkeit, durch die hohe Effektivität den drohenden Personalmangel aufzufangen. Ein Problem, das fast alle Unternehmen hatten, die am Tag der Kanalreinigung teilnahmen.

Kanal-Drohnen in Baden-Baden

Von unterirdischen Flügen berichtete Matthias Sopper von den Stadtwerken Baden-Baden. Als die einen Kanal unter einer Hauptverkehrsstraße in der Innenstadt untersuchen wollten, standen sie vor einer großen Herausforderung: Mit einer Höhe von nur 1,30 Metern war er für eine Begehung zu niedrig und für den Einsatz eines Kamerabootes war die Fließgeschwindigkeit des Abwassers zu hoch. Die Stadt hatte zudem klar gemacht, dass der Verkehr immer nur kurzfristig behindert werden dürfe.

Ein Dilemma, für das Sopper und seine Kollegen eine noch ausgefallene Lösung fanden: „Ein Ingenieurbüro bot uns an, den Kanal mit einer Drohne zu befliegen.“ Innerhalb von fünf Stunden konnten so 500 Meter kontrolliert werden. Der Verkehr musste immer nur kurz eingeschränkt werden, für jeden der einzelnen Abschnitte benötigte das von einem Piloten gesteuerte Fluggerät gerade einmal sieben bis acht Minuten. Da noch Wasser im Kanal war, räumt Sopper ein, hätte man die Sohle nicht im Blick gehabt: „Aber große Schäden der Sohle wären uns aufgefallen.“

Mitarbeiter-Motivation durch Digitalisierung

Digitalisierung war auch das Thema des Vortrags von Daniela Fiege vom Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen (SAL). Seit zwei Jahren arbeitet der SAL an der Digitalisierung seiner Prozesse. Wie schon in Duisburg wurden die Mitarbeiter von Anfang an in den Prozess eingebunden. „Wir haben alle mitgenommen. Im Rahmen dieses Prozesses haben wir sehr genau erfahren, was wir programmieren lassen mussten.“

Ziel war es, den Überblick über den Zustand der Kanäle zu verbessern, schneller notwendige Arbeiten in Auftrag geben zu können und die Mitarbeiter „an der Front“ alles dokumentieren zu lassen, was sie getan haben und was ihnen aufgefallen ist. „Jeder sieht jetzt, was geleistet wurde und dass in Auftrag gegebene Arbeiten auch erledigt wurden“, erklärte Fiege. „Das motiviert die Mitarbeiter ungemein.“ Ausgestattet sind sie vor Ort mit modernen Tabletts, die über eine intuitive Benutzeroberfläche und schnelle Datenverbindungen verfügen: „Wenn man zehn Minuten warten muss, bis eine Eingabe angenommen wird, ist das nur enttäuschend. So was wollten wir auf gar keinen Fall.“

Konkurrenz mit Privatwirtschaft um Fachkräfte

Und Mitarbeiter enttäuschen kann und will sich kein Abwasserbetrieb leisten. Denn der Fachkräftemangel ist überall sehr deutlich zu spüren. Dies sagten alle Diskutanten des Forumsgesprächs „Unser Kanalbetrieb 24/7“. Bei Neueinstellungen konkurriere man heftig mit der Privatwirtschaft, die zum Teil das Dreifache bezahle. Ein Ausweg sei es, selber Ausbildungsbetrieb zu werden und die vorhandenen Mitarbeiter durch Weiterbildung aufzuwerten.

Auf ein Neues im nächsten Jahr

Als sich Mirko Salomon, der Leiter der Weiterbildung beim IKT am Donnerstagnachmittag von den Teilnehmern verabschiedete, gab es viel Applaus und auch gut gelaunte Gesichter. Alle waren froh, sich nach zwei Jahren wieder einmal persönlich getroffen, voneinander gelernt und ausgetauscht zu haben. Wenn kein Virus dazwischen kommt, wird man sich im kommenden Jahr wiedersehen.

IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur

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Über IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur gGmbH

Das IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen ist ein neutrales, unabhängiges und gemeinnütziges Forschungs-, Prüf- und Schulungsinstitut. Es arbeitet praxis- und anwendungsorientiert an Fragen des unterirdischen Leitungsbaus. Schwerpunkt ist die Kanalisation. Für Bau, Betrieb und Sanierung unterirdischer Infrastruktureinrichtungen führt das IKT Forschungsprojekte, Prüfungen, Warentests, Beratungen und Seminare durch.

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