- Glückwunsch an Florian Heinzen-Ziob, Jakob Krese, Maria Mohr, Bettina Timm und Marcin Wierzchowski
- Insgesamt 100.000 Euro für die Entwicklung von fünf Kinodokumentarfilmen
- In Anwesenheit von Elisabeth Ruge und Boris Ruge
Die Film- und Medienstiftung NRW vergab heute zum 21. Mal das Gerd Ruge Stipendium für die Entwicklung von anspruchsvollen Kinodokumentarfilmen. Das 2002 ins Leben gerufene Stipendium ist mit insgesamt 100.000 Euro pro Jahr ausgestattet und deutschlandweit einzigartig. Es unterstützt Filmemacher:innen, Projekte für die große Leinwand zu realisieren. Es war die erste Verleihung ohne den Namensgeber und Schirmherrn Gerd Ruge, der im Oktober 2021 im Alter von 93 Jahren verstarb. An seiner statt waren seine Tochter Elisabeth Ruge und sein Sohn Boris Ruge als Ehrengäste anwesend.
„Herzlichen Dank für die spannenden Einreichungen und herzlichen Glückwunsch den diesjährigen Stipendiat:innen. Die Jury war beeindruckt von der Vielfalt der Themen und Angänge, und Gerd Ruge wäre begeistert gewesen von ihren kreativen Ideen.“, so Petra Müller, Geschäftsführerin Film- und Medienstiftung NRW. „Es ist die erste Stipendien-Vergabe ohne Gerd Ruge. Wir werden die Förderung für den Kinodokumentarfilm in seinem Andenken weiterführen. Es war uns eine große Freude, dass Elisabeth und Boris Ruge uns bei der Verleihung der Stipendien unterstützt haben.“
In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden insgesamt 108 Entwicklungs-Stipendien vergeben. Nach der Zusage haben die Stipendiat:innen 18 Monate Zeit zu recherchieren, ihre Stoffe auszuarbeiten und die Umsetzung vorzubereiten. So konnten bis heute bereits 52 Dokumentarfilme realisiert werden.
2022 wurden 17 Filmideen eingereicht. Die Jury wählte fünf Projekte aus, die überzeugten und inhaltlich wie formal eine eigene Handschrift der Filmemacher:innen erwarten lassen. Neben der Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, Petra Müller (Vorsitz) waren die Regisseur:innen und Produzent:innen Corinna C. Poetter und Mareike Wegener (beide ehemalige Gerd Ruge Stipendiatinnen) sowie Produzent Tobias Büchner und Carl-Ludwig Rettinger (Regisseur und Produzent) Mitglieder der diesjährigen Jury.
Zu den Projekten im Einzelnen:
„Schlagbaum“, Marcin Wierzchowski, 30.000 Euro
„Schlagbaum“ sucht in der Gegenwart nach den Spuren der deutsch-polnischen Vergangenheit. Die filmische Reise führt vom Westen durch den Osten Polens bis ins ukrainische Grenzgebiet. Besucht werden sollen Menschen und Orte, an denen alte Konflikte sichtbar werden, die bis heute fortwähren und sich in jüngster Zeit wieder zuspitzen. Es werden wieder Grenzzäune verstärkt und der Nationalismus erlebt eine neue Phase in einem brüchigen Europa, das lange Zeit zusammenzuwachsen schien. Der Frankfurter Regisseur und Produzent studierte Film an der Kunsthochschule in Mainz. Schon während des Studiums gründete er seine eigene Produktionsfirma „Milk and Water“, mit der er Image- und Kampagnenfilme sowie künstlerische Film-Installationen dreht, schneidet und produziert. Für seinen Dokumentarfilm „Hanau – eine Nacht und ihre Folgen“, der 2021 im Ersten ausgestrahlt wurde, begleitet Wierzchowski die Angehörigen der Opfer des rassistischen Anschlags. Nächstes Jahr wird dann ausgehend aus der Langzeitbeobachtung, sein erster abendfüllender Kino-Dokumentarfilm Premiere feiern.
„Solastalgia“, Florian Heinzen-Ziob, 20.000 Euro
Die Inuit in einem Dorf in Labrador warten auf das Meereis, um wieder reisen und jagen zu können. Auf der anderen Seite der Welt warten die Farmer im australischen Wheatbelt auf den lang ersehnten Regen, damit ihr Weizen wächst. Doch wegen des Klimawandels bleiben Eis und Regen aus. Inuit und Farmern droht der Verlust ihrer Landschaft und damit ihrer Identität und Existenzgrundlage. „Solastalgia“ ist das Heimweh, das der Mensch in einem Zuhause empfindet, das nicht mehr existiert. Geboren 1984 in Duisburg, aufgewachsen in Düsseldorf, arbeitete Florian Heinzen-Ziob zunächst als Regieassistent am Düsseldorfer Schauspielhaus und als Cutter und Animator in Hamburg, bevor er Medienkunst und Filmregie an der Kölner KHM studierte. Nach dem Studium realisierte er als Autor, Regisseur und Produzent die beiden abendfüllenden Kino-Dokumentarfilme „Original Copy“ und „Klasse Deutsch“. Seine Filme waren u.a. auf dem Rotterdam Film Festival, Hot Docs Toronto, dem Sheffield Doc/Fest, sowie im deutschen Kino zu sehen und wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Sein aktueller Film "Dancing Pina" hat seine Weltpremiere auf dem diesjährigen Dok.fest München und kommt im September in die Kinos. Florian Heinzen-Ziob ist Mitbegründer der Fontäne Filmproduktion, er lebt und arbeitet in Köln.
„The Gods must be mistaken“, Jakob Krese, 20.000 Euro
Grundlage des Dokumentarfilms „The Gods must be mistaken“ bildet die Geschichte einer Familie und eines Landes, die es heute beide nicht mehr gibt. Ein Sohn versucht mit aller Kraft, sich ein Bild aus den übriggebliebenen Scherben zu bauen. Der Film erzählt die persönliche Gedankenwelt einer Familie über ein halbes Jahrhundert (post-)jugoslawischer Geschichte, geprägt von Umbrüchen, Hoffnungen, Zerstörung und Neuanfängen. Jakob Krese studierte Cinematography und Regie in Berlin, Havanna und Sarajevo. Seine Arbeiten als Regisseur, Kameramann und Produzent liefen auf internationalen A-Festivals wie IFFR, Rotterdam, CPH DOX, DOK-Leipzig und Visions du Réel. Sein erster Langfilm „Lo que queda en el camino“ ist für den deutschen Kamerapreis nominiert und kommt Ende des Jahres in die nordamerikanischen und deutschen Kinos. Der in Berlin lebende Filmemacher ist Mitbegründer der Produktionsfirma Majmun Films.
„Ich bin dann morgen mal schlank“, Bettina Timm, 15.000 Euro
Bodyshaming verboten! Ein Film über Lust und Last der Fülligen und den Kampf darum, sich selbst zu gefallen. Der Film interessiert sich dafür, woher die Grenzen kommen, die man für sich selber zieht, und fragt, wie weit hängt das eigene Selbstbild und Selbstgefühl vom Außenblick der anderen, von Angelerntem und Erlebtem ab. Nach dem Germanistik-Grundstudium wechselte Bettina Timm an die Hochschule für Fernsehen und Film, München. 2000 gründete sie zusammen mit Alexander Riedel die Filmproduktion Pelle Film. Ihr Kurzfilm „Cosmic Station“ wurde 2008 mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold ausgezeichnet. Seit 2010 ist sie Mitglied der Deutschen Filmakademie. Die Produzentin und Regisseurin lebt in München.
„Hefezeit“, Maria Mohr, 15.000,- Euro
Gären die Traumata der NS-Zeit bis in die heutige Zeit? Diese Frage stellt sich Maria Mohr und macht sich auf die Suche nach geografischen, historischen und persönlichen Spuren einer Familie aus Rheinhessen. „Hefezeit“ will zeigen, wie Körper- und Weltbilder ineinander wirken und wie Menschen an diesen Bildern zerbrechen können. Drei Männer einer Linie nahmen sich das Leben. Die Frauen der Familie als Überlebende – die Großmutter, ihre Töchter, die Enkelinnen – haben sehr unterschiedliche Strategien, mit dem dreifachen Erbe umzugehen. Bipolare Anlage, Verlusttrauma, NS-Prägung – wer wählt wann Flucht, Aufstand, Lähmung oder Wiederholung? Die in Mainz geborene und in Berlin lebende und arbeitende Regisseurin hat Architektur in Darmstadt und Paris studiert sowie Experimentelle Mediengestaltung an der UDK Berlin. Für ihren Kurzfilm „Cousin Cousine“ erhielt Maria Mohr den Deutschen Kurzfilmpreis in Silber und den 3sat-Förderpreis im Rahmen der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.
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