Die Geschäftsführer Gunda Röstel, Ralf Strothteicher und viele Mitarbeiter der Stadtentwässerung haben aufregende Wochen hinter sich. Das Unternehmen leistete schnelle Hilfe für Partner in der Ukraine. Seit mehr als 15 Jahren engagieren sich die Dresdner, damit kommunale Unternehmen in der Ukraine eine ordentliche Abwasserentsorgung aufbauen können. Zuletzt hat die Stadtentwässerung im vergangenen Jahr mit den Berliner Wasserbetrieben und dem Stadtentwässerungsbetrieb Köln ein Partnerschaftschaftsprojekt gestartet, um dem Wasser- und Abwasserbetrieb Voda-Kanal in der westukrainischen Metropole Lviv und den Städten Ternopil und Nadvirna zu helfen.

Am 24. Februar 2022 überfällt Russland die Ukraine. Bereits am 28. Februar kommt der erste Hilferuf aus Lviv, berichtet Geschäftsführer Strothteicher. Das Partnerunternehmen Voda-Kanal befürchtet, dass die Großstadt bei einem kompletten Stromausfall, einem Blackout, nicht mehr mit Wasser versorgt werden kann und bittet um schnelle Lieferung von Notstromaggregaten. Schließlich hat Lviv, das nur 80 Kilometer hinter der polnischen Grenze liegt, über 720.000 Einwohner. Zudem fliehen viele andere Bewohner aus Gebieten, die die Russen angegriffen haben, dorthin. Auch die anderen ukrainischen Partner aus Ternopil und Nadvirna bitten um Hilfe. „Da durfte nicht lange überlegt werden“, sagt Strothteicher. „In so einer Notsituation ist es für uns selbstverständlich, unsere Partner zu unterstützen.“

Allerdings ist das nicht einfach, erläutert der Geschäftsführer. Das Unternehmen hat selbst Notstromaggregate, die bei einem Blackout die Anlagen im Kaditzer Klärwerk und an den Pumpstationen weiter mit Strom versorgen. Mit öffentlicher Ausschreibung und den folgenden Verfahren dauere es etwa ein halbes Jahr, bis eine derartige neue Anlage auf dem Hof steht. „Doch in so einer Ausnahmesituation müssen wir viel schneller sein“, sagt er.

Geschäftsführerin Gunda Röstel, die deutschlandweit über beste Beziehungen verfügt, aber auch weitere Mitarbeiterinnen wie Kristin Michalek-Götz aus der Marketingabteilung telefonieren und schicken viele E-Mails, um Unternehmen aus der Branche und andere Kommunen um Unterstützung zu bitten. Mit Erfolg. Binnen weniger Tage kommen Notstromaggregate, mobile Pumpwerke und weitere technische Anlagen aus ganz Deutschland – unter anderem aus Köln, Hamburg, Leipzig, Chemnitz, Plauen und Hannover. Das für die Abwasserentsorgung zuständige Schwester-Unternehmen aus Bremen hat zudem noch einen finanziellen Beitrag für die Beschaffung der angefragten Materialien geleistet.

Währenddessen stellt Teamleiter Thomas Würfel, der auch für den Fuhrpark der Stadtentwässerung zuständig ist, bereits die Schwertransporte zusammen. „Aber es war sehr kompliziert, Speditionsunternehmen zu finden, die ins Kriegsgebiet fahren“, verweist Strothteicher auf eine besondere Hürde. Dabei helfen Ukrainer, die hier leben. Letztlich gelingt es ihnen, Speditionen mit Fahrern aus ihrem Land zu finden, die das übernehmen. Und das binnen kurzer Zeit.

Vier Tage nach dem ersten Hilferuf starten die Schwertransporte am Freitagabend – zwei in Dresden, zwei weitere in Kiel, wo gebrauchte Anlagen schnell gekauft werden konnten. Auf den Tiefladern stehen zehn große und auch kleine Notstromaggregate, die teilweise fahrbar sind und wie Lkw-Anhänger aussehen, mit einer Leistung von bis zu 500 Kilowatt. Mit verladen sind Schaltschränke, Trafos, gewaltige Kabel und weitere Elektroanlagen. In Kaditz hatten viele Kollegen bis Freitagnacht um elf gearbeitet, damit der Hilfskonvoi zur über 800 Kilometer langen Tour starten kann.

Die Schwertransporte müssen zwar lange an der polnisch-ukrainischen Grenze warten. Doch am Montagmorgen meldet sich der Voda-Kanal-Chef Dmytro Vankovich aus Lviv, der sich über den eingetroffenen Konvoi freut und sich für die ungewöhnlich schnelle Dresdner Hilfe bedankt. Eine Woche später startet der zweite Transport mit Notstromaggregaten, der ebenfalls nach drei Tagen ankommt. „Das war ein Kraftakt“, sagt Strothteicher. Es sei eine gewaltige Herausforderung gewesen, das alles in so kurzer Zeit zu schaffen.

Die Hilfe ist dringend nötig. Lviv ist durch vor dem Krieg geflohene Ukrainer fast zur Millionenstadt geworden. Mindestens 200.000 Flüchtlinge wurden allein bis zur vergangen Woche dort gezählt – und Tag für Tag kommen viele weitere. Zwar blieb die Stadt selbst lange von russischen Angriffen verschont. Aber in der vergangenen Woche wurde Lviv zum Ziel russischer Raketen.

Stadtentwässerungs-Chef Strothteicher erlebte selbst am Telefon, welche Konsequenzen russische Angriffe haben. Regelmäßig telefoniert er mit einem Ukrainer, der das Unternehmen bei dem Partnerschaftsprojekt vor Ort unterstützt. Als Strothteicher mit ihm an einem Tag spricht, muss der Ukrainer das Gespräch jäh abbrechen und in den Schutztraum fliehen. Luftalarm signalisiert einen drohenden russischen Angriff. Doch kurze Zeit später kommt der Rückruf des Ukrainers. Die Gefahr ist vorbei – Strothteicher ist erleichtert.

Die Hilfe für Betriebe der Branche in der Ukraine sei auch weiter nötig. Jetzt kümmert sich jedoch der Verband kommunaler Unternehmen deutschlandweit darum.

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