Angesichts der Inflation und der durch den Ukraine-Krieg steigenden Energiekosten fordern Erwerbslosengruppen und Nationale Armutskonferenz gezielte Hilfen für in Armut lebende Haushalte.

"Während Erwerbstätige einen Energiekostenzuschlag von 300 Euro erhalten, bekommen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung gerade einmal 200 Euro. Das wird in den wenigsten Fällen ausreichen, die ansteigenden Stromkosten aufzufangen", kritisiert Jürgen Schneider vom Koordinierungskreis der Nationalen Armutskonferenz. Schneider ergänzt: "Damit ist auch noch lange nicht die Inflation ausgeglichen. Die drei Euro Regelsatzerhöhung, die es am Anfang des Jahres gab, ist weit hinter den tatsächlichen Kostensteigerungen zurückgeblieben." Schon vor Inflation, Pandemie und Ukraine-Krieg hätte der Regelsatz nach Berechnungen von Sozialverbänden mindestens 160 Euro höher liegen müssen, so Schneider.

Die Erfahrungen mit Energieschulden in der Beratungspraxis der Selbsthilfeorganisationen sind laut Helga Röller vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum drastisch. "In den Fallbesprechungen mit dem Beratungsteam häufen sich die Fälle, wo Ratsuchende die eingehenden Rechnungen nicht mehr bezahlen können", so Röller. Strom- und Gassperren seien die Folge. Die Jobcenter würden die Lücken in vielen Fällen nicht ausgleichen: "Die wegen des Nicht-bezahlen-könnens der stark erhöhten Jahresenergieabrechnung kontaktierten Behörden leiten deswegen oft ein formales Verfahren ein wegen vorgeblichen oder tatsächlich überhöhten Verbrauchs. Im Raum steht der Vorwurf des sogenannten ‚unwirtschaftlichen‘ Verhaltens."

Ulrich Franz von der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppe im DGB KV Bonn/Rhein-Sieg schlägt "einen notwendigen aber auch gangbaren Weg für die Politik" vor, die Energie-Armut zumindest zu mindern." Hierzu gehören laut Franz "die Übernahme der Nachforderungen der Energieversorger und die Berücksichtigung der erhöhten Abschläge bei den Heizkosten insbesondere durch Jobcenter und Sozialämter". Der notwendige Energieverbrauch müsse auch tatsächlich übernommen werden. So fordere das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ aus bundesweiten Erwerblosengruppen und Beratungsstellen "die Herausnahme der Stromkosten aus dem Regelsatz und stattdessen die Übernahme eines existenzsichernden Volumens an Kilowattstunden, das sich an dem realen Verbrauch von armen Menschen, die im Regelfall nicht über energieeffiziente Geräte verfügen, orientiert. Dieses Volumen muss den individuellen Bedarf berücksichtigen."

Ulrich Franz kritisiert die jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung, die die besondere Situation von in Armut Lebenden ignorieren würden: "Das neue Maßnahmenpaket ist sozial unausgewogen. Die geplante 300 Euro Energiepauschale für alle Erwerbstätigen, also auch für die Gutverdienenden, zeige, dass nicht zielgerichtet für die Bedürftigen in diesem Land, sondern nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen wird. Was wir brauchen, ist einen existenz- und teilhabesichernden Regelsatz, anstatt der politischen Kleinrechnerei der Vergangenheit."

Weitere Informationen:

Energiearmut: Kritik an Gießkannenprinzip bei Energiehilfen – Blog – Wissensportal (diakonie-wissen.de):
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