Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat ein Wissenschaftsteam unter der Federführung der „Gesundheit Österreich GmbH“ in Wien die Frage untersucht, ob pflanzliche Mittel bei wiederkehrender Blasenentzündung helfen.

Das Fazit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Der präventive Einsatz von Cranberry-Präparaten kann bei Frauen mit unkomplizierter wiederkehrender Blasenentzündung sinnvoll sein. Denn im Vergleich mit einer Placebo-Behandlung ergibt sich auf Basis mehrerer randomisiert kontrollierter Studien ein Hinweis darauf, dass der Infekt dann nicht oder erst später wiederkehrt.

Ob der vorbeugende Einsatz von anderen pflanzlichen Mitteln (Phytopräparaten) bei unkomplizierten Blasenentzündungen ebenfalls vorteilhaft sein kann, ist wegen der Vielzahl an Mixturen und Gebinden kaum sicher zu beurteilen. Immerhin liegt auf Basis einer kleinen Studie im Vergleich zu  Placebo für ein Präparat aus Bärentraubenblättern und Löwenzahn ein Anhaltspunkt für einen  Nutzen vor hinsichtlich der Rezidivrate binnen eines Jahres.

Zum Einsatz von Cranberry-Präparaten oder anderen Phytopräparaten zur Akutbehandlung von symptomatischen Episoden bei Frauen mit unkomplizierter wiederkehrender Blasenentzündung sind nur wenige Daten verfügbar, aus denen sich keine Nutzenaussage ableiten lässt.

Die jetzt vorgelegte finale Fassung der  Gesundheitstechnologie-Bewertung ( Health Technology Assessment = HTA) „Blasenentzündung – Helfen pflanzliche Mittel bei wiederkehrender Blasenentzündung?“ wurde im Rahmen des IQWiG-Verfahrens ThemenCheck Medizin erstellt. Die Fragestellungen dieser HTA-Berichte gehen stets auf Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern zurück.

Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer

Bei einer unkomplizierten Blasenentzündung entzündet sich die Schleimhaut der Harnblase. Die Entzündung wird normalerweise von Bakterien verursacht, die über die Harnröhre in die Blase aufsteigen und sich dort vermehren. Harnwegsentzündungen kommen bei Frauen wesentlich häufiger vor als bei Männern. Typische Symptome sind schmerzhafter, häufiger oder unbeherrschbarer Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen und Schmerzen oberhalb des Schambeins. Bei zwei oder mehr symptomatischen Episoden pro Halbjahr bzw. drei oder mehr Episoden innerhalb eines Jahres spricht man von wiederkehrender oder „rezidivierender“ Blasenentzündung.

Behandlungsoptionen für Blasenentzündungen umfassen sowohl antibiotische als auch nicht-antibiotische Therapien wie zum Beispiel verschiedene pflanzliche Mittel. Antibiotika helfen bei akuten Blasenentzündungen recht schnell und verkürzen die Krankheitsdauer. Dennoch sind sie nicht immer notwendig; unkomplizierte Blasenentzündungen heilen bei 30 bis 50 von 100 Frauen auch ohne Antibiotika innerhalb einer Woche ab. Die eingesetzten pflanzlichen Mittel werden unter anderem hergestellt aus Cranberry, Bärentraubenblättern, Kapuzinerkressekraut oder Meerrettichwurzel. Sie sollen eine keimhemmende, entzündungshemmende oder harntreibende Wirkung haben und so die Dauer einer akuten Blasenentzündung verkürzen oder das Wiederauftreten vermeiden.

Anfrage einer Bürgerin als Ausgangspunkt des HTA-Berichts

Ausgangspunkt des HTA-Berichts war die beim ThemenCheck Medizin des IQWiG gestellte Frage einer Bürgerin, ob es für Frauen mit einer unkomplizierten wiederkehrenden Blasenentzündung eine Alternative zur Behandlung mit Antibiotika gibt. Sie führte an, dass die häufige Einnahme von Antibiotika von vielen Menschen kritisch gesehen wird.

Hinweis auf einen Nutzen von Cranberry im Vergleich zu Placebo

Für die Beantwortung der Frage, ob pflanzliche Mittel bei wiederkehrenden unkomplizierten Blasenentzündungen helfen, identifizierte das vom IQWiG beauftragte Wissenschaftsteam 15 geeignete Studien, deren Verzerrungspotenzial allerdings meist als hoch eingestuft wird.

Die meisten der eingeschlossenen Studien untersuchten dabei Präparate, die Cranberry enthalten. Hier zeigt sich ein Hinweis auf einen  Nutzen von Cranberry im Vergleich zu  Placebo – sowohl was die Rezidivrate der Harnwegsinfektion angeht als auch bezüglich des Zeitraums bis zum ersten Wiederauftreten (Rezidiv). Aus dem Vergleich von Cranberry-Präparaten zur Rezidivvermeidung mit einer antibiotischen Langzeitbehandlung zur Rezidivvermeidung zeigt sich ein Anhaltspunkt für einen geringeren Nutzen der Cranberry-Präparate. Die Gabe von Antibiotika zur Rezidivvermeidung als antibiotische Langzeitbehandlung wird in der S3-Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen der Deutschen Gesellschaft für Urologie allerdings erst nach dem Versagen von anderen Maßnahmen wie Verhaltensänderungen, nicht antibiotischen Präventionsmaßnahmen sowie bei einem hohen Leidensdruck der Patientinnen für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten empfohlen.

In Hinblick auf die Vermeidung von Rezidiven gibt es neben den Cranberry-Präparaten für ein Präparat aus Bärentraubenblättern und Löwenzahn Anhaltspunkte für einen Nutzen im Vergleich zu Placebo sowie für ein Präparat aus Liebstöckelwurzel, Rosmarinblättern und Tausendgüldenkraut (in der Kombination mit Antibiotika) Anhaltspunkte für einen  Zusatznutzen, also einen Mehrwert, im Vergleich zu der alleinigen Behandlung mit Antibiotika.

Zum Einsatz von Cranberry-Präparaten oder anderen Phytotherapeutika zur Akutbehandlung von symptomatischen Episoden bei Frauen mit unkomplizierter wiederkehrender Blasenentzündung sind keine aussagekräftigen Daten verfügbar.

„Der  HTA-Bericht fasst die Ergebnisse zum Nutzen pflanzlicher Präparate bei der Prävention und Behandlung der wiederkehrenden Blasenentzündung umfassend zusammen und zeigt auf, dass insbesondere Cranberry-Präparate bei Frauen mit unkomplizierter wiederkehrender Blasenentzündung eine Rolle bei der Rezidivvermeidung spielen können“, kommentiert das IQWiG im Herausgeberkommentar zum Bericht. „Wenn die Einnahme bestimmter pflanzlicher Präparate so auch zu einem geringeren Einsatz von Antibiotika – sowohl bei der Behandlung einer akuten Blasenentzündung als auch bei der Prävention – und damit zu einer Verringerung von Antibiotikaresistenzen beitragen könnte, wäre dies zu begrüßen.“

Der ThemenCheck Medizin

Interessierte Einzelpersonen können im Rahmen des ThemenCheck Medizin Vorschläge für die Bewertung von medizinischen Verfahren und Technologien einreichen. In einem zweistufigen Auswahlverfahren, an dem auch Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind, werden aus allen eingereichten Vorschlägen jedes Jahr bis zu fünf neue Themen ausgewählt. Laut gesetzlichem Auftrag sollen dies Themen sein, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von besonderer Bedeutung sind.

Die HTA-Berichte im Rahmen des ThemenCheck Medizin werden nicht vom IQWiG selbst verfasst, sondern von externen Sachverständigen. Deren Bewertung wird gemeinsam mit einer allgemein verständlichen Kurzfassung (HTA kompakt) und einem IQWiG-Herausgeberkommentar veröffentlicht.

Über Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können.

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