Die vielfältigen Aufgaben von modernen wissenschaftlich geführten Zoos haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Trotzdem nehmen die wenigsten Menschen zoologische Einrichtungen als Ort der Wissenschaft wahr. Mit der Beteiligung an einer Forschungsarbeit über die Herkunft einer bedrohten Hausziegenrasse konnte Hellabrunn den Nachweis über ihre genetische Herkunft erbringen und die Bedeutung der Forschung in Zoos stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.

Abgesehen von Aufklärungs- und Bildungsarbeit vor Ort finden viele Aspekte der zoologischen Arbeit hinter den Kulissen statt. Dazu zählen zum Beispiel die Koordination und Umsetzung von Europäischen Erhaltungszuchtprogrammen zum Artenschutz, die im Rahmen von sogenannten Ex-situ-Maßnahmen außerhalb der natürlichen Lebensräume und somit im Zoo stattfinden. Der zweite Baustein des Artenschutzes besteht aus In-situ-Programmen, durch die Zoos zur Erhaltung der Biodiversität im natürlichen Lebensraum der Tiere beitragen und Schutzprogramme sowie Projektpartner vor Ort unterstützten. Daneben stellt die zoologische Forschungsarbeit zu wissenschaftlichen Fragestellungen einen wichtigen Teil des Aufgabenspektrums dar. Gemeinsam sammelt das Zoologen-, Tierärzte- und Tierpfleger-Team unentwegt Daten, die weltweit mit den Ergebnissen anderer Zoos zusammengetragen und ausgewertet werden. Dank der zoologischen Einrichtungen entstehen allein im deutschsprachigen Raum jährlich insgesamt über 200 wissenschaftliche Studien aus den Bereichen Tiermedizin, Biologie und Verhaltensforschung.

So beteiligte sich Hellabrunn zuletzt maßgeblich an der Forschung zur Herkunft der Girgentanaziege, wie bereits zu Beginn des Jahres im Fachmagazin „Der Zoologische Garten“ vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) publiziert wurde. Gegenstand der Forschungsarbeit war die Frage nach der Abstammungslinie der bedrohten Ziegenrasse. Anders als bei allen anderen weltweit vorkommenden Hausziegenrassen, die nach aktuellem Wissensstand von der Bezoarziege abstammen, wurde ihre Herkunft lange in Frage gestellt. „Aufgrund ihrer markanten, korkenzieherartigen Hörner und der starken morphologischen Ähnlichkeit wurde gemutmaßt, die Girgentanaziege könnte von dem asiatischen Markhor abstammen“, erklärt Dr. Maike Lücht, die in Hellabrunn als Tierärztin tätig ist und sich als Autorin an der Forschungsarbeit beteiligte. Da in Hellabrunn sowohl Girgentanaziegen als auch die Wildziegenart Markhor gepflegt werden, konnten einige für die Studie unverzichtbare Proben zur genetischen Untersuchung bereitgestellt werden. Der mit Spannung erwartete Ausgang der Studie brachte Gewissheit und zeigte ein überraschendes Ergebnis: „Es gibt keinen genetisch nachweisbaren Beleg, dass Girgentanaziegen vom Markhor abstammen. Damit konnten wir bestätigen, dass sie wie alle anderen Hausziegenrassen auf die Bezoarziege als Stammform zurückgehen“, so Dr. Lücht.

Tierparkdirektor Rasem Baban betont die wissenschaftliche Relevanz der Umsetzung von Forschungsprojekten in Zoos: "Unsere zentrale Aufgabe ist es, die Verbindung von Ex-situ und In-situ-Projekten herzustellen, damit wir die Natur besser verstehen und die Tiere besser schützen können. Forschungsprojekte dieser Art geben uns Aufschluss über die genetische Herkunft bestimmter Tierarten. Durch die Haltung von seltenen Haustierrassen in Hellabrunn und die Beteiligung an Forschungsarbeiten leistet der Tierpark einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der genetischen Vielfalt von bedrohten Arten.“

Für die Wissenschaft bildet die Sammlung von Tierdaten in Zoos einen enormen Datenschatz, auf dessen Grundlage auch gezeigt werden kann, wie sich die Lebensbedingungen der Tiere stetig verbessern. Der Hellabrunner Podcast „Mia san Tier“ widmet sich in Episode 54 weiteren Anwendungsbeispielen und beschreibt anschaulich, warum Zoos Daten erheben und Forschung betreiben.

Weitere Informationen zur tragenden Rolle von Zoos in Wissenschaft und Forschung gibt es beim Verband der Zoologischen Gärten unter: www.vdz-zoos.org/themen/wissenschaft-und-forschung 

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