„Das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland konnte sich auch im Februar weiter konsolidieren. Die aktuellen EMI-Daten zeigen, dass nicht nur die Binnenkonjunktur floriert, sondern auch das Auslandsgeschäft“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Donnerstag in Eschborn. Angesichts des seit 24. Februar tobenden Krieges in der Ukraine und des daraufhin erfolgten Anstiegs der Energiepreise sei jedoch zu befürchten, dass die Industrie in den kommenden Monaten aufgrund wachsender Probleme in ihren Lieferketten und Beschaffungsmärkten in einen Abwärtstrend geraten könnte.
„Laut jüngsten PMI ist die Stimmung in der deutschen Industrie (noch) gut. Allerdings wurden die Umfragen vor dem Ukraine-Krieg getätigt, so dass jetzt schon absehbar ist, dass sich die Stimmung zumindest kurzfristig verschlechtern wird. Je nach Dauer und Intensität des Krieges muss mit Abschlägen beim Wachstum und Zuschlägen bei der Inflation gerechnet werden. Die Sanktionen werden den Güter- und Kapitalverkehr erheblich beeinträchtigen“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Donnerstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Solange es jedoch nicht zu einem umfassenden Energielieferstopp kommt, sei nicht mit einer Rezession zu rechnen, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
„Der Krieg in der Ukraine ist überwiegend in den Februar-Umfragen des EMI noch nicht berücksichtigt. Hier ist in den kommenden Monaten mit einer moderaten Eintrübung aufgrund der dämpfenden Effekte auf die Konjunktur zu rechnen“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Donnerstag dem BME.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Donnerstag dem BME folgende Einschätzung: „Zwar zeigt der EMI-Index noch eine insgesamt sehr erfreuliche Entwicklung und vor allem geringere Lieferverzögerungen an; es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Umfrage vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine erfolgte. Mittlerweile sind größere Störungen der Lieferketten aufgetreten. So muss Audi aufgrund fehlender Lieferungen von Kabelbäumen die Produktion in einigen Modellreihen reduzieren; denn die Ukraine hatte sich zu einem großen Kabelkonfektionierungsstandort entwickelt. Dies hat Minderabrufe bei etlichen Zulieferern zur Folge. Zudem belasten die stark angezogenen Erdöl- und Erdgaspreise erheblich. Auch wenn Russland bisher noch keine Lieferungen gestoppt hat: Mitten im Krieg ist dieses Risiko real. Daher sehen wir kurzfristig einen weiteren Preisanstieg, der auch andere russische Rohstoffe wie Eisenerz, Nickel und Aluminium betreffen könnte.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Befeuert von der kräftigen Nachfrage wurde die Produktion in der Industrie auch im Februar ausgeweitet, Die Steigerungsrate gab gegenüber dem 5-Monatshoch von Januar etwas nach, war aber immer noch die zweithöchste seit August 2021. Die leichte Eintrübung lag teilweise an krankheitsbedingten Personalausfällen bei einigen Unternehmen. Alle drei Teilsektoren verzeichneten Zuwächse, angeführt vom Konsumgüterbereich.
Auftragseingang: Im Gegensatz zur Produktion wuchsen die Neuaufträge stärker als im Vormonat. Der saisonbereinigte Teilindex stieg den zweiten Monat in Folge an und erreichte den höchsten Stand seit August 2021, obgleich er damit immer noch deutlich unter den Höchstwerten der ersten zwei Quartale des vergangenen Jahres lag. Laut Umfrageteilnehmern zog sowohl die Binnenkonjunktur als auch die Auslandsnachfrage an.
Auftragseingang Export: Ebenfalls kräftiger als zuletzt wuchsen die Exportaufträge. Die zweite Steigerung hintereinander beförderte den entsprechenden Teilindex auf den höchsten Wert seit August 2021. Vor allem in den USA und Südeuropa hat die Nachfrage zugenommen, wie einige Befragte berichteten. Das Plus blieb jedoch hinter dem des Gesamtauftragseingangs zurück.
Jahresausblick: Die deutschen Hersteller bewerteten ihre Geschäftsaussichten auch im Februar äußerst optimistisch; allerdings wurde die Umfrage vor Ausbruch des Ukraine-Krieges abgeschlossen. Rund 44 Prozent der Befragten rechnen mit einem Anstieg der Produktion binnen Jahresfrist. Ihre Zuversicht stützen die meisten dabei auf die weiter anziehende Nachfrage sowie den Rückgang der Lieferengpässe. Lediglich neun Prozent erwarten, dass die Geschäftstätigkeit schrumpft. Dennoch gab der Teilindex erstmals seit vier Monaten leicht nach, was größtenteils den Entwicklungen im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zugeschrieben werden kann.
Beschäftigung: Das hohe Tempo beim Beschäftigungsaufbau wurde auch im Februar beibehalten, da viele Hersteller nach wie vor bestrebt sind, ihre Kapazitäten zu erweitern. Auch wenn die Zuwachsrate im Vergleich zum Vormonat leicht zurückging, gehörte sie immer noch zu den höchsten in der Umfragegeschichte. Am größten fiel das Stellenplus im Investitionsgüterbereich aus, gefolgt vom Vorleistungsgüterbereich.
Einkaufspreise: Auch im Februar bewegte sich die Inflationsrate der Einkaufspreise auf einem hohen Niveau. Zahlreiche Umfrageteilnehmer meldeten insbesondere bei Metallen und Kunststoffen teils kräftige Anstiege sowie höhere Kosten für Energie und Transport. Immerhin, der saisonbereinigte Teilindex gab den vierten Monat in Folge etwas nach und notierte auf dem niedrigsten Stand seit März 2021.
Verkaufspreise: Aufgrund der höheren Kosten im Einkauf und um die Gewinnmargen zu halten, sahen sich viele Hersteller veranlasst, ihre Verkaufspreise anzuheben. Die Inflationsrate zeigte sich gegenüber Januar nahezu unverändert und blieb damit eine der Höchsten in der Geschichte dieser Datenreihe (seit September 2002). Markante Preissteigerungen wurden in allen drei von der EMI-Umfrage erfassten Teilbereichen gemessen.
Über den EMI: Der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird vom Anbieter von Unternehmens-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen IHS Markit mit Hauptsitz in London erstellt und beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (Markit U.S.-PMI).
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