Der Druck auf die deutsche Bauwirtschaft lässt nicht nach. Die Materialknappheit und die explodierenden Baustoffpreise infolge der Coronapandemie sind noch nicht ausgestanden, da führt der Krieg in der Ukraine nun zu einer weiteren erheblichen Verschärfung der Lage. Darauf weist die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) hin. Deren Hauptgeschäftsführer Michael Gilka spricht von dramatischen Preissteigerungen, die eine massive Belastung für die Bauunternehmen verursachen. Der Verband fordert entsprechend vehement sowohl die öffentlichen als auch die nicht öffentlichen Auftraggeber auf, in ihren Verträgen Preisanpassungsklauseln vorzusehen. Nur so könne eine faire und gerechte Verteilung der finanziellen Beeinträchtigungen erreicht werden. Darüber hinaus sind laut Gilka auch Vertragsregelungen wichtig, die für mögliche Lieferengpässe und Lieferausfälle Vorsorge tragen. Von der Bundesregierung fordert er bei Treibstoffen einen Verzicht auf Steuern.

Dramatische Preissteigerungen und Lieferverzögerungen

„Die Situation ist dramatisch“, beschreibt BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka die Entwicklung der vergangenen Tage. Aus der Ukraine kämen wesentlich mehr Rohstoffe, als man gemeinhin annehmen möchte, so Gilka. Betroffen seien insbesondere Stahl und Baustahl, Aluminium, Roheisen, Stahllegierungen, Bitumen und Rohre. „Der Krieg und die Sanktionen sorgen für eine Verknappung des Stahlangebotes und hohe Preise. Die Kurse an den Rohstoffbörsen haben für alle gehandelten Stahlsorten sowohl für kurzfristige als auch langfristige Verträge um 20% zugelegt“, fasst Gilka zusammen. Laut Experten könne eine Verknappung um 5-10 Mio. Tonnen Stahl in der EU drohen. 30% des Baustahls kämen aus Russland und der Ukraine ebenso ein hoher Anteil von Roheisen (40%). „Das trifft insbesondere mit Blick auf Stahl den Bau von Brücken, alle Bewehrungen oder auch den Spezialtiefbau, der beispielsweise Spundwände braucht“, erklärt Gilka.

Im Straßenbau betreffe die Entwicklung das Bitumen. Für diese besonders volatilen Produkte sollte in den Verträgen die Preisbindung entfallen und durch eine Selbstkostenerstattungsklausel im open-book-Verfahren ersetzt werden.

Ein weiteres Problem seien die stark steigenden Energiekosten, ergänzt der BVMB-Hauptgeschäftsführer. An erster Stelle stehen dabei die massiv steigenden Treibstoffpreise, insbesondere beim Diesel. „Die Bauwirtschaft kommt nicht ohne Baumaschinen und Transporte aus. Die Preiserhöhungen beim Diesel stellen schon nach wenigen Tagen für die Branche ein Riesenproblem dar, weil bei vielen Baustellen, z. B. im Erd-, Straßen- und Gleisbau zehntausende Liter Diesel verbraucht werden und die Kalkulationen diese nicht vorhersehbaren brutalen Kostenerhöhungen nicht beinhalten. „Die Bundesregierung muss hier unverzüglich reagieren und zumindest auf CO2- und Mineralölsteuer verzichten, um die Bauwirtschaft und die Industrie insgesamt zu entlasten“, fordert Gilka. „Ansonsten steuern wir auf eine Insolvenzwelle zu und verlieren massiv Arbeitsplätze“, warnt der Hauptgeschäftsführer.

BVMB fordert Vertragsklauseln für Preisanpassung und Lieferverzögerungen

Trotz dieser für die Bauwirtschaft durchaus bedrohlichen Entwicklungen ist der BVMB eines wichtig: „Die mittelständische Bauwirtschaft verurteilt mit aller Deutlichkeit den Überfall Russlands auf die Ukraine. Die deshalb von der EU verhängten scharfen Sanktionen gegen Russland halten wir uneingeschränkt für richtig“, betont Hauptgeschäftsführer Gilka. Noch dringender erforderlich als bislang bereits infolge der Coronaauswirkungen sei es jetzt allerdings, dass die öffentlichen und nichtöffentlichen Auftraggeber bereit sind, mit den Bauunternehmen partnerschaftlich in der Krise zu kooperieren und nicht vorhersehbare exorbitante Baustoff- und Treibstoffpreiserhöhungen fair zu verteilen. „Es ist nicht einzusehen, dass die Baufirmen diese Preisexplosionen, für die sie zweifelsohne nichts können, alleine in den laufenden Verträgen schultern müssen, indem die Auftraggeber lapidar darauf verweisen, dass die Baufirmen an die Vertragspreise gebunden seien“, wird der Verbandsvertreter deutlich.

Er appelliert zudem an Auftraggeber, Preisanpassungsklauseln für Baustoffe in ihre Verträge mit aufzunehmen. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen müsse dies dringend passieren. Ansonsten werden die Angebotspreise für Bauleistungen vermutlich durch die Decke gehen oder die Auftraggeber werden keine Angebote mehr bekommen, so Gilka. Die von einigen öffentlichen Auftraggebern angekündigte Absage oder Verschiebung von Ausschreibungen hält er für kontraproduktiv, „das ist in der jetzigen Situation Gift für die Bauwirtschaft.“

Ein weiteres wichtiges Anliegen sind für die BVMB Vertragsregelungen, die von vornherein drohende Verzögerungen oder Stillstände durch Knappheit oder fehlende Verfügbarkeit von Materialien bei der Herstellung von Bauwerken auffangen und ebenso gerecht zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verteilen. „Wir haben ja durch Corona schon das Problem, dass zahlreiche Baustoffe einfach nicht lieferbar sind. Ohne Material kann keine Baufirma arbeiten – das führt dazu, dass sich Baustellen verzögern, ohne dass das Bauunternehmen eine Chance hat, diese Verspätungen wieder einzufangen“, erläutert Gilka.

Es könne nicht sein, dass derartige Verzögerungen alleine die Baufirmen auffangen müssten. Das wäre allerdings der Fall, wenn die Auftraggeber stur auf einmal vereinbarte Bauzeitenplä- nen bestünden und nicht bereit seien, auf theoretische Verzugs- und Vertragsstrafenansprüche zu verzichten, wenn verzögerte Materiallieferungen Ursache für Verspätungen seien. Von der Politik erwartet die BVMB ein deutliches Signal zu den dramatischen Preissteigerungen und fordert kurzfristige Gespräche dazu.

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