• Savchenko: "Boykotte sind richtig, aber es bleibt fraglich, ob sie wirklich etwas bringen"
  • Savchenko: Viele russische Freunde "aus meiner Kontaktliste gestrichen"
  • Savchenko über ihren Job in den Niederlanden: "Im Gegensatz zum deutschen Verband ein richtiges Angebot"
  • Savchenko über Valieva: "Komisch, dass es um dieses Thema so still geworden ist…"

Am Mittwoch beginnen im französischen Montpellier die Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften. Für Aljona Savchenko, Olympia-Expertin bei Eurosport, rückt das sportliche Geschehen trotz neuer Aufgaben derzeit in den Hintergrund. Die gebürtige Ukrainerin ist mit ihren Gedanken bei ihrer Familie und ihren Freunden, die in der Region um Mariupol ums Überleben kämpfen. Eurosport.de hat mit der 38-Jährigen über den Krieg in der Ukraine, die Einflussmöglichkeiten des Sports und ihre Kontakte zu russischen Sportlerinnen und Sportlern gesprochen.

Savchenko empfindet es als "unmenschlich", dass Sportler den Auftritt von Wladimir Putin im Moskauer Stadion unterstützt haben oder dazu gezwungen wurden. Auch wenn sie sich für weitere Sperren als Signal ausspricht, fragt sich die Paarlauf-Olympiasiegerin von 2018, ob Boykotte wirklich den Druck auf Putin erhöhen. Mit einem schnellen Ende des Krieges rechnet Savchenko nicht: "Man startet nicht solch einen großen Angriffskrieg, um ihn dann zügig wieder zu beenden."

Abseits des Geschehens in ihrem Geburtsland geht Savchenko beruflich neue Wege, wird Nationaltrainerin der Niederlande. "Der niederländische Verband hat mir im Gegensatz zum deutschen Verband ein richtiges Angebot unterbreitet: Ein geregeltes Einkommen, soziale und gesundheitliche Absicherung, berufliche Perspektive und auch die soziale Absicherung für meine Tochter", sagt Savchenko. Mit Blick auf die deutschen Chancen bei am Mittwoch beginnenden WM sagt sie: "Mit etwas Glück ist vielleicht sogar eine Medaille drin. Aber schon das Erreichen der Top Ten wäre ein toller Erfolg für die Deutschen."

Unten finden Sie ausgewählte Zitate aus dem Interview mit Aljona Savchenko. Sie sind herzlich eingeladen, diese Aussagen mit Nennung der Quelle "eurosport.de" auch in Ihrer Berichterstattung zu nutzen. Über eine Rückverlinkung auf das komplette Interview würden wir uns sehr freuen.

Aljona Savchenko, Olympia-Expertin im Eiskunstlauf bei Eurosport, über…

…den Auftritt russischer Eiskunstläufer bei einer Veranstaltung mit Wladimir Putin im Moskauer Stadion: "Ich war sprachlos, als ich das gesehen habe. Ich konnte kaum meinen Augen trauen. Es ist sehr schmerzhaft, was zwischen der Ukraine und Russland passiert. Kinder und Menschen sterben, Länder gehen kaputt – es ist eine Katastrophe. Und diese Sportler feiern das Ganze und unterstützen diese Gala. Das ist unmenschlich. Allerdings weiß ich nicht, ob sie dahin freiwillig gegangen sind oder nicht. Es gibt Gerüchte, dass sie mussten beziehungsweise dazu gezwungen wurden."

…die Maßnahmen, russische Sportler vom Weltsport weitestgehend auszuschließen: "Ich denke auch, dass noch mehr passieren muss. Dass dort weiter gefeiert und gelacht wird, ist einfach unbeschreiblich. [Man könnte] weitere Sanktionen erlassen und zehn- oder 20-jährige Sperren verhängen. Es ist eine schwierige Geschichte. Mit vielen russischen Athletinnen und Athleten waren wir befreundet und sind es auch noch. Aber diese ganze Situation schürt Hass zwischen den Menschen, obwohl wir diesen Hass eigentlich gar nicht wollen. Zudem weiß man nicht, was noch passieren muss, damit es besser wird. Oder ob es überhaupt wieder besser wird. Die Boykotte sind richtig, aber es bleibt fraglich, ob sie wirklich etwas bringen."

…ihre Kontakte nach Russland: "Ehrlich gesagt, habe ich viele aus meiner Kontaktliste gestrichen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass einige diesen Krieg befürworten. Andere sind gegen den Krieg, äußern sich aber nicht dazu. Es gibt viele Menschen, die mir negative Nachrichten schreiben. Es melden sich aber auch viele, die gegen den Krieg sind. Allerdings schreiben sie mir, dass sie nichts dagegen machen können. Wenn sie dagegen protestieren, würden sie dies mit hohen Gefängnisstrafen oder gar ihrem Leben bezahlen. Sie haben einfach alle große Angst, sodass selbst diejenigen, die dagegen sind, nichts unternehmen werden. Sie wissen selbst nicht, wie sie richtig reagieren sollen. Andererseits denke ich, dass man sich äußern sollte, wenn man eine eigene Meinung hat. Aber ich bin natürlich auch nicht vor Ort und kann daher nicht beurteilen, wie die Lage in Russland ist. Ich weiß, dass man da selbst für die Verwendung des Wortes ‚Krieg‘ in den Sozialen Medien hart bestraft wird. Aus meiner Sicht wird es aber schwierig für die Menschen, sich dort wieder in die Augen schauen zu können."

…den Fall Valieva: "Meines Wissens nach wurde es ihr allerdings auch verboten, sich zu äußern. Nach den Olympischen Spielen hatte sie sich ja auf Instagram zu Wort gemeldet und geschrieben, dass sie das beste Team und die beste Unterstützung habe. Zu diesem Post kursieren jedoch Berichte, dass ihr diese Worte vorgegeben wurden, sie den Text also gar nicht selbst verfasst hat. Dass man seitdem plötzlich nichts mehr von ihr hört, finde ich komisch. Ich finde es komisch, dass es um dieses Thema [die positive Dopingprobe] so still geworden ist. Klar, der Krieg ist aktuell das Schlimmste. Aber dieser Vorfall ist natürlich auch schlimm für den Sport."

…ihre neue Aufgabe als niederländischen Nationaltrainerin: "Der niederländische Verband hat mir im Gegensatz zum deutschen Verband ein richtiges Angebot unterbreitet: Ein geregeltes Einkommen, soziale und gesundheitliche Absicherung, berufliche Perspektive und auch die soziale Absicherung für meine Tochter. Ich möchte das niederländische Eiskunstlaufen wieder zurück nach oben führen. Dort wo es in den 1960er-Jahren schon einmal war. Ich bekomme hier die Chance etwas Ähnliches aufzubauen wie im Eisschnelllauf und im Schwimmen, wo die Niederlande zur absoluten Weltspitze gehören. Die Voraussetzungen dafür sind gut und der Wille ist ebenfalls vorhanden."

…die Chancen der deutschen Starter:innen bei den Weltmeisterschaften: "Für sie geht es vor allem darum, eine gute Leistung zu zeigen und saubere Programme zu laufen. Eine genaue Platzierung ist schwer zu planen. Ich wünsche ihnen natürlich das Beste und hoffe, dass sie so gut wie möglich abschneiden. Und wer weiß, mit etwas Glück ist vielleicht sogar eine Medaille drin. Aber schon das Erreichen der Top Ten wäre ein toller Erfolg für die Deutschen. Für Nikita Starostin dürfte dies in der Herren-Konkurrenz aber schwierig werden."

Sendehinweis: Eurosport überträgt die Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften vom 23. bis 26. März täglich live im Free-TV bei Eurosport 1 und im kostenlosen Livestream mit Eurosport bei Joyn. Alle Sessions inklusive des Schaulaufens am 27. April sind auch ohne Werbeunterbrechungen live bei Eurosport mit JoynPLUS+ zu sehen.

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