Über die Hälfte der derzeit bundesweit anfallenden Lebensmittelabfälle sind vermeidbar. Vom Acker bis zum Teller sind dies pro Sekunde zwischen 217 und 313 Kilogramm. Deutschland hat sich dem Ziel verpflichtet, bis 2025 die Lebensmittelabfälle um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2030 um 50 Prozent. Um das zu erreichen, fordern die Umweltschutzorganisation WWF und das Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster (iSuN) „eine Kombination aus gemeinsam gestalteten Vereinbarungen und verbindlichen Zielen“. In einem gemeinsamen Hintergrundpapier kritisieren die Autorinnen die weiter unzureichende Datenlage zu Lebensmittelverlusten in Deutschland vom Acker bis zum Teller. Und sie fordern die Einrichtung einer bundesweit zuständigen, unabhängigen Kompetenzstelle im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.

Die letzte Regierung setzte mit der am 20. Februar 2019 vorgestellten „Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ ausschließlich auf freiwillige Branchenvereinbarungen. Lediglich der Bereich Außer-Haus-Verpflegung hat seitdem eine derartige Vereinbarung vorgelegt. Die Zielvereinbarungen für Handel, Weiterverarbeitung und Produktion stehen noch aus. Stand heute ist unklar, wie die Zielvereinbarungen umgesetzt werden und wie die Berichterstattung dazu erfolgen soll. „Aktuell stellt sich die Frage, ob sich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ausreichend Unternehmen beteiligen werden, um tatsächlich ein verändertes Handeln in der gesamten Branche zu erreichen“, betonen Tanja Dräger vom WWF und Silke Friedrich vom iSuN in ihrem Hintergrundpapier. WWF und FH Münster plädieren daher für einen zusätzlichen gesetzlichen Rahmen, an dem sich alle Unternehmen orientieren könnten und müssten.

Zuletzt hatte sich der Bundesrat für eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen eingesetzt, die für alle Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen gelten sollte. Auch die Europäische Kommission überprüft derzeit die Einführung von rechtsverbindlichen Reduktionszielen für die Mitgliedstaaten. „Die Bundesregierung sollte den Beschluss des Bundesrates aufgreifen und konkrete Umsetzungsvorschläge für eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen erarbeiten. Außerdem muss sich Cem Özdemir auf europäischer Ebene für verbindliche Reduktionsziele einsetzen“, sagt WWF-Lebensmittelexpertin Tanja Dräger.

Gefordert wird im Hintergrundpapier zudem die Einrichtung einer bundesweit zuständigen, unabhängigen Kompetenzstelle im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. „Diese kann Daten aus den einzelnen Branchen systematisch erfassen und Unternehmen in den Lieferketten bestmöglich bei der Datenerhebung unterstützen. Das ist wichtig, um aus Absichtserklärungen messbar Tonne für Tonne weniger Lebensmittelverschwendung zu machen“, sagt Silke Friedrich vom iSuN.

Für Klarheit muss die neue Bundesregierung außerdem dringend in der Frage sorgen, wie Deutschland jährlich über das Ausmaß von Lebensmittelabfällen an die Europäische Kommission berichten wird. Der erste Bericht ist dieses Jahr einzureichen. WWF und FH Münster befürchten, dass die derzeitigen Abfallstatistiken zu ungenau sind. Da in den Abfallstatistiken Lebensmittelabfälle bisher nicht gesondert erfasst werden, basieren die Zahlen auf nicht repräsentativen Stichproben. Sie sind nur eine Abschätzung. Sie geben außerdem zu wenig Einblick in die gesamte Wertschöpfungskette. Werden konkreten Zahlen aus den Unternehmen im Rahmen der Zielvereinbarungen erhoben und einbezogen, kann das helfen, Entwicklungstrends besser darzustellen.

Eine massive Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ist ein wirksamer Beitrag zu mehr Klimaschutz. 38 Millionen Tonnen schädliche Klimagase könnte allein Deutschland einsparen, wenn die Lebensmittelabfälle um 50 Prozent reduziert werden. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen aus der deutschen Landwirtschaft im Jahr 2020, so der WWF. 
 
Im Anhang: Hintergrundpapier WWF Deutschland und FH Münster, „Messbare Trends statt Schätzungen. Drei Jahre-Strategie gegen Lebensmittelverschwendung 
Was es jetzt braucht: verbindliche Ziele und Maßnahmen und eine gute Beratungsstruktur“ 

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