Credendo sieht ein hohes Risiko für eine Eskalation und hält weitere Sanktionen seitens der USA und der EU für wahrscheinlich. Berichten zufolge bereiten die USA Sanktionen vor, die auf die Finanzinstitute abzielen und / oder Exportkontrollen bedeuten würden, die den Zugang zu westlicher Technologie einschränken und / oder das Land vom internationalen SWIFT-Zahlungssystem abschneiden würden. Letzteres sieht der Kreditversicherer aber als eher unwahrscheinliches Szenario an. Russland würde auf neue Sanktionen sicher mit Gegenmaßnahmen reagieren, die die EU-Wirtschaft treffen würden, die bereits unter den hohen Energiepreisen leidet.
Credendo sieht durch die wachsende Unsicherheit ein verschlechtertes Geschäftsumfeldrisiko, das das Risiko eines Schuldnerausfalls erhöht. Hintergrund ist die Abwertung der ukrainischen Griwna und des russischen Rubels. Andere Indikatoren blieben bisher weitgehend unbeeinflusst, auch wenn die Konjunktur sich abschwächen dürfte. Der Kreditversicherer erwartet aber nur eine leichte Verlangsamung des BIP-Wachstums – sofern der Konflikt nicht eskaliert. Prognosen der Weltbank sehen ein Wachstum des realen BIP in Russland um 2,4 % in 2022 (nach 4,5 % in 2021) und in der Ukraine um 3,2 % (nach 3,4 %). In beiden Ländern ist die Inflationsrate gestiegen – auf 8,4 % in Russland und 10 % in der Ukraine im Dezember 2021. Dieser Anstieg hatte jedoch bereits vor Ausbruch des aktuellen Konflikts begonnen. Infolgedessen erhöhten beide Zentralbanken im Jahr 2021 ihre Leitzinsen.
Credendo weist aber auch darauf hin, dass die makroökonomischen Fundamentaldaten Russlands sehr stark sind. Die Liquidität des Landes ist ausgezeichnet, mit geringer kurzfristiger Auslandsverschuldung und hohen Devisenreserven. Zudem sind die öffentlichen Finanzen sehr solide. Die Staatsverschuldung lag 2021 unter 20 % des BIP. Die Leistungsbilanz weist einen Überschuss auf, der Bankensektor ist nicht von externer Finanzierung abhängig. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten der Ukraine können da nicht mithalten, sie sind aber viel besser als noch 2014. Der Wechselkurs ist jetzt flexibel, was bedeutet, dass die Devisenreserven im Falle eines externen Schocks nicht mehr unter starkem Druck stehen. Auch die Zentralbank ist nun unabhängiger. Dank der Genehmigung der (stark verzögerten) ersten Tranche der IWF-Bereitschaftsvereinbarung im November 2021 und der SZR-Zuweisung im August 2021 sind die Bruttodevisenreserven im Dezember 2021 auf 29,4 Milliarden US-Dollar gestiegen. Das Bilanzdefizit dürfte sich in diesem Jahr auf 2,7 % des BIP (von 0,1 % in 2021) ausweiten. Auch die öffentlichen Finanzen sind in besserer Verfassung als 2014, die Staatsverschuldung erreichte 2021 etwa 50 % des BIP. Gleiches gilt für den Bankensektor, der jetzt über eine positive Auslandsvermögensposition verfügt.
Vor diesem Hintegrund passt Credendo aktuell die Länderrisikoklassifizierungen nicht unmittelbar an, aber der Ausblick für das Geschäftsumfeldrisiko ist negativ. Der Kreditversicherer beobachtet die Situation weiterhin genau und behält sich eine Anpassung der Länderrisikoklassifizierungen vor.
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