Der Preis für europäisches Aluminium ist seit Anfang 2022 um etwa 15 % gestiegen und hat damit seinen bisherigen historischen Höchststand von Oktober 2021 überschritten. Im Vergleich zum Januar 2021 beträgt der Anstieg mehr als 60 %. Dies mag nach einer positiven Nachricht für Aluminiumproduzenten klingen, der Kreditversicherer Credendo sieht aber genau das Gegenteil. Tatsächlich treibe nicht nur starke Nachfrage, sondern auch der Produktionsrückgang in Europa und China die Preise in die Höhe, während die Aluminiumbestände historisch niedrig seien. Den Hauptgrund für den Produktionsrückgang sieht Credendo in den steigenden Energiepreisen. Hinzu kam der Plan Chinas, im Vorfeld der Olympischen Winterspiele die Luftverschmutzung und die Kohlendioxidemissionen zu verringern. China muss nun Aluminium in großem Umfang importieren, um die inländische Knappheit auszugleichen. 

Da Energie mehr als ein Drittel der Produktionskosten ausmacht, hat der starke Anstieg des Gaspreises enorme Auswirkungen auf die Rentabilität der Unternehmen, insbesondere in Europa, wo der Erdgaspreis zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 laut Weltbank um fast 550 % gestiegen ist. 

In der Folge sieht Credendo die europäischen Aluminiumproduzenten vor einer schwierigen Wahl. Entweder sie schließen Hütten oder reduzieren die Produktion, auch wenn das bedeutet, mit Verlust zu produzieren. Für die zweite Option hat sich Europas größte Hütte Ende 2021 entschieden. Aluminium Dunkerque France hatte angekündigt, die Produktion von Primäraluminium zu kürzen. In Galizien (Spanien) hat hingegen Alcoa beschlossen, seine Primäraluminiumhütte, die zweitgrößte in Europa, für zwei Jahre (bis Ende 2023) vollständig zu schließen. Das Umschmelzen von Aluminium wird jedoch weiterhin für Kunden aus der Pharma- und Lebensmittelindustrie efolgen. In Rumänien wurde Ende Dezember angekündigt, die Produktion der Alro-Hütte um 60 % zu kürzen angesichts der hohen Energiepreise. In der Slowakei wird die Produktion der Slovalco-Hütte (im Besitz von Norsk Hydro) auf 60 % ihrer Kapazität reduziert. 

All diese Kürzungen werden sich auf nachgelagerte Werke negativ auswirken, da diese Primäraluminium benötigen. Weniger leiden sollten laut Credendo Werke mit integrierter Produktion von Primäraluminium, aber auch diese leiden unter hohen Energiekosten. 

Die aktuellen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine sieht der Kreditversicherer bereits im europäischen Gaspreis berücksichtigt. Im Falle einer russischen Aggression gegen die Ukraine könnten aber Gaslieferungen eingeschränkt werden. Auch werden amerikanische und europäische Sanktionen gegen Russland erwartet, das ein großer Rohstofflieferant und nach China auch zweitgrößter Aluminiumproduzent der Welt ist. Wie 2018, als RUSAL von Sanktionen betroffen war, würden neue Sanktionen den europäischen Aluminiumsektor ernsthaft treffen. Während die Aluminium-Wertschöpfungskette (Bauxit und Tonerde) bereits stark von Energieknappheit betroffen ist, befürchet Credendo durch neue Handelshemmnisse einen tödlichen Schlag für die europäische Industrie. 

Zusammenfassend erklärt Credendo, dass die Nachfrage nach Aluminium voraussichtlich stark steigen wird, wenn man bedenkt, dass es ein wesentliches Metall für den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft ist. Außereuropäische Gießereien profitieren vom Anstieg der Aluminiumpreise. Das Gesamtwachstum der Produktionsmenge ist aber durch die Energiepreise und den Wunsch nach Senkung des Kohlendioxidausstoßes begrenzt oder gar gefährdet. Während Aluminium benötigt wird, um Emissionen in Zukunft zu senken, wird derzeit die Produktion verlangsamt, um Emissionen zu vermeiden. Ein Paradoxon.  

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