Corona hat der allgemeinen Hoffnung auf ein persönliches Wiedersehen erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht. Trotzdem bot dieser 11. Baustoff-Technik-Tag des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) wieder einen bunten und reichhaltigen Strauß an Themen rund ums Bauen, wenngleich auch „nur“ online. Mehr als 70 zugeschaltete Gäste aus Unternehmen, Verwaltung, Politik und Wissenschaft konnten sich über Aktuelles aus der Branche informieren: vom Straßenbau über die Ersatzbaustoffverordnung bis hin zu neuen Produkten und Nachhaltigkeitsthemen. Blicke in die Zukunft auf einem inzwischen traditionellen Fachforum zu Beginn eines jeden Jahres.

Oliver Mohr, Vizepräsident des ISTE, lobte denn auch die Treue der Teilnehmer zum Baustoff-Technik-Tag: „Seit über einem Jahrzehnt bieten wir hier eine Plattform für den fachlichen Austausch zwischen Experten.“ Mohr unterstrich die Bedeutung der Rohstoffindustrie für den Infrastrukturbau, den Wohnungsbau und für die Energiewende: „Leider haben noch nicht alle verstanden, dass für dies alles mineralische Rohstoffe nötig sind und deshalb Abbaustätten erweitert werden müssen“, stellte er fest.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen des Straßenbaus im Südwesten beleuchtete Vera Schmitt vom baden-württembergischen Verkehrsministerium. Vor dem Hintergrund der Koalitionsverträge in Bund und Land erläuterte sie die Schwerpunkte der Verkehrspolitik in den kommenden Jahren. So spiele Klimaschutz und nachhaltige Mobilität eine immer bedeutendere Rolle. Ein leistungsfähiges Radwegenetz, PV an Verkehrsflächen und die verstärkte Nutzung von Recyclingmaterialien im Straßenbau gehörten in dieses Themenfeld, sagte sie. Das Land arbeite außerdem intensiv daran, die Digitalisierung im Verkehrswegebau zu beschleunigen sowie Forschungen und Pilotprojekte bei temperaturabgesenkten oder modifizierten Asphalten zu fördern, um gleichzeitig die Qualität im Straßenbau zu erhöhen.

Björn Beutinger von der Niederlassung Südwest der Autobahn GmbH in Stuttgart zog Bilanz nach einem Jahr der Existenz dieser nunmehr zentralen Bundesverwaltung. Trotz der enormen Größe dieses Projektes, welches die bisherige Bundesauftragsverwaltung der Länder ablöste und nun ein bundesweites Netz von 13.000 Autobahnkilometern zentral betreut, habe man sowohl den Unterhalt und die Sanierung als auch die Pflege dieser Verkehrswege sicherstellen können. Entlastungseffekte, etwa durch bessere Ressourcennutzung oder den Austausch von Wissen, dürfe man erst in den kommenden Jahren erwarten. Obgleich der Personalbestand im Südwesten auf 950 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsenen sei, verspüre man auch bei der Autobahn GmbH den Mangel an Fachkräften, insbesondere bei den Ingenieuren.

Die Auswirkungen der im vergangenen Jahr verabschiedeten Mantelverordnung und speziell der Ersatzbaustoffverordnung auf die Praxis beleuchtete ISTE-Referent und QRB-Geschäftsführer Dr. Bernd Susset. Es gelte, die Schnittstellen zwischen den in dieser Verordnung geregelten Umweltanforderungen und bautechnischen Anforderungen zu erkennen und zu beachten. Es seien praktische Auswirkungen auf Beprobung und Güteüberwachung sowie auf Klassifizierung und Einbau von Ersatzbaustoffen zu erwarten, sagte Susset. In diesem Zusammenhang stellte er die Informationen des ISTE und des QRB vor, insbesondere die QEB.APP. Es sei außerdem ein Handbuch für Praktiker in Arbeit. „Die neue Ersatzbaustoffverordnung müssen wir uns alle zusammen in der Praxis erarbeiten“, sagte er.

Um Innovationen und Anwendungen ging es in einem zweiten Themenblock dieses Baustoff-Technik-Tages. Markus Holder, Geschäftsführer der „Kies- und Sand-Vertrieb Biberach GmbH & Co. KG“ und Dr. Henry Böttner, Gutachter für Steinbrüche und mineralische Bau- und Industriestoffe aus Schluderns, stellten „Flexystone“ vor – eine innovative Fugenlösung für hochbeanspruchte Pflasterbeläge. „Die Fuge hält das Pflaster“ lautete ihre Botschaft. Mit den sehr widerstandsfähigen und temperatur-, streusalz- und säurebeständigen Polyurethan-Fugen könne man viel befahrene gepflasterte Flächen umweltfreundlich und nachhaltig sichern. Dieses System habe sich seit mehreren Jahrzehnten in vielen Ländern bereits bewährt.

Als Brückenbauerin zwischen Forschung und Industrie stellte sich Dr. Aurelia Zirner von der „Mensch Next Big Thing GmbH“ aus München vor. Sie zeigte auf, wie Unternehmen erfolgreich Fördermittel einwerben können. Es gelte, die Lücke zwischen Forschung und Wirtschaft zu schließen und durch einen Förderdschungel zu führen, der alles andere als transparent und nutzerfreundlich gestaltet sei, sagte sie. Dies gelte für nationale wie für internationale Förderprogramme. Mit der richtigen Fördermittelberatung jedoch ließen sich gute Ideen erfolgversprechend formulieren und die Chancen auf Investitionszuschüsse der öffentlichen Hand erheblich steigern, so Aurelia Zirner.

Alternative Antriebe von Arbeitsmaschinen stellte Patrick Hildenbrand von der Putzmeister Holding GmbH in Aichtal anhand der ersten fahrbaren Betonpumpe mit Hybrid-Antrieb seiner Firma vor. Unter dem Titel „Iontron“ verfolge das Unternehmen eine konsequente Elektrifizierungsstrategie mit dem Ziel, nachhaltige Baustellen zu ermöglichen. Geringe CO2– und Lärm-Emissionen sowie höherer Arbeitsschutz würden so ermöglicht. Sein Unternehmen stelle eine starke Kundennachfrage nach dieselelektrischen oder rein elektrischen Betonpumpen fest. In der näheren Zukunft dürfe man auch elektrisch betriebene Fahrmischer erwarten.

Mit dem Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Netzwerke“ blickte dieser Baustoff-Technik-Tag auch in die Zukunft. Andreas Tuan Phan vom Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie (BTB) präsentierte neue Zusatzmodule beim Concrete Sustainability Council (CSC), einem inzwischen gut akzeptierten Zertifizierungssystem für nachhaltige Produkte und Prozesse in der Zement-, Beton- und Gesteinsindustrie. Er stellte insbesondere Möglichkeiten vor, R-Beton und CO2-minimierte Betone als Beiträge zum nachhaltigen Bauen zu zertifizieren und zu dokumentieren. Es sei festzustellen, dass eine immer größere Anzahl an nachhaltig zertifizierten Gebäuden entstehe, weil Architekten und Bauherren genau danach verlangten, erläuterte Phan.

Mit dem Blick auf ökonomische und ökologische Chancen von Photovoltaikanlagen auf Betriebsflächen der Rohstoff- und Baustoff-Industrie beschloss Felix Pircher von „Wolff und Müller Energy“ die Nachhaltigkeitsthematik. „Ihre Branche ist für den Einsatz von PV prädestiniert“, lautete seine klare Botschaft. Dies gelte für Freiflächen genauso wie für Photovoltaikanlagen auf Baggerseen. Es rentiere sich besonders, den erzeugten Strom im Betrieb zu verbrauchen. Es gelte, die von der baden-württembergischen Landesregierung angestrebte Vorreiterrolle beim Einsatz von Photovoltaik auch in den Unternehmen zu nutzen. Hier liege eine klare Chance für die Zukunft, so Pircher.

Einen „Querbeet-Technik-Tag, bei dem man über den Tellerrand hinausblickte“ nannte ISTE-Referent Dr. Michael Aufrecht abschließend diesen Baustoff-Technik-Tag, den er zusammen mit seiner Kollegin Daniela Budach moderiert hatte.

Über den Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V.

In Baden-Württemberg gibt es rund 500 Unternehmen, die mineralische Rohstoffe gewinnen, weiterverarbeiten oder gebrauchte mineralische Rohstoffe recyceln. Insgesamt geschieht dies in rund 800 Werken mit 15.000 Beschäftigten. Diese Branche erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 5 Milliarden Euro pro Jahr im Land.

Pro Einwohner und Jahr müssen rund 10 Tonnen Material der Erde entnommen werden, damit Häuser, Bürogebäude, Straßen, Bahnlinien und Radwege gebaut werden können. Insgesamt werden so jährlich 100 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen und benötigt. Ziemlich genau entspricht das einem Kilogramm mineralische Rohstoffe pro Einwohner und Stunde. Gebrauchte Baustoffe werden durch Baustoffrecycling im Kreislauf gehalten. So wird bereits heute ca. 90 Prozent des Bauschuttes und Straßenaufbruchs recycelt.

Der ISTE wurde bereits sechs Jahre vor dem Land Baden-Württemberg im März 1946 als "Fachverband Steine und Erden Württemberg und Baden e.V." gegründet. Seitdem hat er sich zu einem modernen, dienstleistungsorientierten Wirtschafts- und Arbeitgeberverband entwickelt.

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