Corona-Pandemie, tiefgreifende agrarpolitische Entscheidungen auf allen Ebenen, ein großes Auf-und-Ab an den globalen Märkten und eine beispiellose Betriebsmittelpreissteigerung – für Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern ist die aktuelle Situation der Branche mehr als herausfordernd, für die Schweinehalter sogar katastrophal. Viele Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern stellen deshalb mit Blick auf die eigene berufliche Perspektive die Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland. „Politische und ökonomische Rahmenbedingungen setzen Landwirte immer stärker unter Druck“, beschreibt Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die Situation der Bäuerinnen und Bauern im Land. „Wir erzeugen hochwertige und sichere Lebensmittel, wir erbringen auch immer mehr Leistungen im Umwelt-, Klima- und Artenschutz. Im Gegenzug werden wir mit immer strengeren Auflagen und einer überbordenden Bürokratie konfrontiert.“

Düngelandesverordnung
Das Dilemma, in dem die Landwirte stecken, spiegelt sich aktuell am deutlichsten in dem Konflikt um die Düngelandesverordnung von Mecklenburg-Vorpommern wider. Nachdem das Oberverwaltungsgericht im November 2021 die alte Düngelandesverordnung für ungültig erklärt hatte, präsentierte das Ministerium in der vergangenen Woche den Entwurf einer Folge-Verordnung. Doch die vom Gericht kritisierte fehlende Plausibilitätsprüfung bei der Zuordnung landwirtschaftlicher Flächen zu nitratbelasteten (roten) Gebieten fehlt erneut. Stattdessen verzichtet das Ministerium in der neuen Verordnung komplett auf eine Regionalisierung.  Die Folge: Statt der bislang 13 Prozent werden jetzt fast 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Mecklenburg-Vorpommern als rote Gebiete ausgewiesen.

„Das Maß an Ungerechtigkeit ist damit um ein Vielfaches größer geworden“, so Detlef Kurreck. „Wir sind zutiefst enttäuscht. Wir sind davon ausgegangen, dass das Ministerium das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes mit etwas mehr Demut und Achtung annehmen und dem Auftrag nachkommen würde, die Verordnung nachzubessern“, sagte der Präsident des Bauernverbandes. Doch anstatt das bisherige Verfahren zu plausibilisieren, sei die Regionalisierung über Bord gekippt und ein vereinfachtes Verfahren angewendet worden. „Das ist politische Willkür und führt zum absoluten Vertrauensverlust in politisches Handeln“, so Detlef Kurreck. „Wir müssen zu einem fairen Dialog und fachlich begründeten Entscheidungen zurückkehren.“

Um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wird der Bauernverband auf allen politischen Ebenen um Unterstützung bitten und zugleich mit Aktionen auf der Straße für Aufmerksamkeit sorgen. „Wir wollen das Grundwasser schützen und brauchen dafür eine fachlich korrekte, verursacherbasierte Düngelandesverordnung“, macht Detlef Kurreck deutlich. Mit dem neuen Entwurf werde genau dies verfehlt. „Hier richtet sich politische Willkür gegen den Berufsstand.“

Und die Auswirkungen sind enorm. Tritt der neue Entwurf in Kraft, dürfen Landwirte auf fast der Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Mecklenburg-Vorpommern nur noch 20 Prozent unter Bedarf düngen und rechnen dadurch mit deutlichen Ernteeinbußen. Dabei ist in vielen Fällen gar nicht klar, wer die erhöhten Nitratmesswerte verursacht hat. Landwirt Daniel Bohl, Vorsitzender des Bauernverbandes Nordwestmecklenburg, bringt den komplexen Sachverhalt in ein anschauliches Beispiel: „Im Durchschnitt ist eine Familie übergewichtig. Tatsächlich wiegt allerdings nur der Vater zu viel“, beschreibt er. „Wenn ich jetzt der Frau und den Kindern ebenso wie dem Vater 20 Prozent weniger zu essen gebe, als sie eigentlich brauchen, müssen drei Leute ohne triftigen Grund hungern und die Gesundheit des Mannes wird trotzdem nicht gezielt verbessert.“

Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP)
Entscheidende Weichen für die Zukunft der Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern stellt die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP).  Und auch hier müssen die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern mit massiven Einbußen rechnen. Durch Umschichtungen in die zweite Säule verlieren die wichtigen Direktzahlungen deutlich an Einkommenswirksamkeit. Ein Ausgleich durch die freiwilligen Eco-Schemes ist für viele Betriebe, beispielsweise mit intensiv genutztem Grünland, mit Sonderkulturen oder mit Ökoanbau, kaum möglich. Die niedrige Dotierung der Eco-Schemes macht sie insgesamt unattraktiv. Im Klartext bedeutet das für die Landwirte: Mehr Vorschriften für weniger Geld.

Michael Drews, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft eG Köchelstorf, hat anhand der jetzt vorliegenden Zahlen und Modelle für seinen Betrieb einen Verlust von rund 280.000 Euro allein im nächsten Jahr kalkuliert. Bis 2027 wachse diese Summe entsprechend der abnehmenden Direktzahlungen sogar noch an. „Wir müssen mit fast 30 % Einbußen im Vergleich zum Vorjahr rechnen“, erläutert Michael Drews – Geld, das der Genossenschaft und damit den 70 Familien der angestellten Mitarbeiter und auch den Familien der investiven Mitglieder, die hinter der Genossenschaft stehen, schlicht fehlt. Acht Mitarbeiter ließen sich von der Summe ein Jahr lang in Vollzeit beschäftigen.

Als Milchviehbetrieb ist die Agrargenossenschaft in der Wahl der Eco Schemes nicht frei. „Ich muss in erster Linie Qualitäts-Futter für die Kühe erzeugen“, erklärt Michael Drews. Für Grünland gebe es jedoch kein attraktives Angebot. Nach ersten Kalkulationen plant der Geschäftsführer Altgrasstreifen auf einem relativ weit entfernten Grünland sowie eine extensive Dauergrünlandbewirtschaftung mit mindestens vier regionalen Kennarten. Circa 30 Hektar könnte die Genossenschaft außerdem als Stilllegung innerhalb der Eco Schemes deklarieren. Sie kommen allerdings zu den 120 Hektar hinzu, die der Betrieb bereits stilllegen muss, um dem EU-Standard für einen guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) zu entsprechen und damit überhaupt erst die Voraussetzung für Direktzahlungen zu erfüllen. „Diese Fläche darf ich zwei Jahre lang nicht bearbeiten, ich darf sie auch nicht begrünen“, so der Landwirt. Weitere 30 Hektar plant er für Blühstreifen ein. Doch damit sei die Möglichkeiten zur Teilnahme an den Eco Schemes endgültig ausgeschöpft. „Wenn wir auf noch mehr Flächen die Produktion aufgeben, würde das zulasten der Belegschaft gehen.“

„Die neue GAP kommt den Landwirten teuer zu stehen und setzt sie zusätzlich unter Druck“, fasst Bauernpräsident Detlef Kurreck zusammen. Sie biete für Umweltleistungen nur Dumpingpreise, anstatt betriebswirtschaftlich attraktive Möglichkeiten. „Das wird unserer Rolle in der Gesellschaft nicht gerecht. Wir wollen Lebensmittel in höchster Qualität produzieren und unsere Verantwortung für den Umwelt- und Klimaschutz tragen. Das alles hat aber seinen Preis.“

Schweinehalter kämpfen um das Überleben
Besonders katastrophal ist die aktuelle Situation für die Schweinehalter im Land. „Extrem niedrige Erzeugerpreise, hohe Kosten, ständig wachsende Anforderungen beim Tierwohl, fehlende Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen, unüberbrückbare Hindernisse bei Stallbaugenehmigungen – damit kämpfen die Schweinebauern in MV jeden Tag“, beschreibt Bauernpräsident Kurreck die Situation.  Hinzu kommt, dass das Land die von vielen Schweinehaltern dringend benötigten Corona-Beihilfen auf Eis gelegt hat. Noch im Dezember 2021 hieß es aus dem Landesförderinstitut MV, dass mit Hochdruck an der Bearbeitung der Anträge gearbeitet wird. Jetzt wartet das Institut auf eine Anweisung vom Bund zur einheitlichen Bearbeitung in allen Bundesländern. Für die Schweinehalter zähle jedoch jeder Tag, so der Bauernverband MV.

Gute Nachrichten gab es in dieser Woche für die schweinehaltende Landwirtschaft im Landkreis Rostock: das Landwirtschaftsministerium hat nach Verhandlungen mit der EU-Kommission in Brüssel erwirkt, dass die Restriktionen rund um den ASP-Ausbruchsbetrieb in Lalendorf (Landkreis Rostock) zum 15. Januar 2022 aufgehoben werden können. Das ist einen Monat früher als in einem EU-Durchführungsbeschluss ursprünglich festgelegt. Mit der Aufhebung der Sperrzone gilt das Gebiet um Lalendorf wieder als frei von ASP und schweinehaltende Betriebe in diesem Gebiet können ihre Tiere wieder uneingeschränkt verbringen und vermarkten.

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