Digitale Gesundheitsanwendungen können seit mehr als einem Jahr an Patient:innen in Deutschland verordnet werden. Was bei der Einführung niemand wissen und höchstens erahnen konnte: dass DiGA zu einem Paradebeispiel für die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit all Ihren facettenreichen Debatten werden würden. Und dass ein gutes Jahr später Deutschland als Vorreiter in ganz Europa und darüber hinaus für diesen neuen Zulassungs- und Erstattungsweg gesehen wird.

Das Jahr hat uns aber auch gezeigt: es gibt relevante Themenbereiche rund um DiGA, für die in öffentlichen Debatten häufig wenig Zeit oder Raum für Detailtiefe bleibt. Als Auftakt einer Serie wollen wir als Erstes das Zusammenspiel von DiGA mit Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen beleuchten. Unsere Perspektive bezieht sich dabei auf die gesamte Entwicklungskette von DiGA – von der Antragsstellung und dem Zulassungsverfahren bis hin zum Versorgungsalltag.

Was ist unsere Vision von einer gemeinsamen digitalen und menschlichen Versorgung?
Viele angehende und bereits gelistete DiGA-Hersteller sehen große Vorteile in hybriden Versorgungsformen, das heißt einer Kombination aus digitaler und menschlicher Versorgung. In Studien konnten positive Aspekte dieser Art der Versorgung ebenfalls nachgewiesen werden. Im Digitale-Versorgung-Gesetz wird der Einbezug von Leistungserbringer:innen folgendermaßen gefasst: DiGA sind “Medizinprodukte niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht und die dazu bestimmt sind, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch die Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten (…) zu unterstützen”. Hiermit wollte der Gesetzgeber DiGA einen breiten Rahmen setzen. Er ermöglicht beispielsweise, dass Patient:innen durch DiGA Anleitungen und Informationen erhalten, die durch das Mitwirken der Patient:innen zu einem positiven Versorgungseffekt führen (“bei den Versicherten”). Aber auch, dass Patient:innen mithilfe von DiGA therapierelevante Parameter erheben, die dann gemeinsam mit Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen in Therapien eingebunden werden und zur Evaluation oder für Therapieentscheidungen zur Verfügung stehen (“oder in der Versorgung durch die Leistungserbringer”). Häufig anders diskutiert, gesetzlich aber klar formuliert: Das Digitale-Versorgung-Gesetz sieht ein Zusammenwirken von Leistungserbringer:innen und DiGA explizit vor.

Leistungserbringer:innen sollten flexibel eingebunden werden
Entscheidend im Verfahren ist, dass DiGA positive Versorgungseffekte nachweisen. DiGA entfalten ihre Wirkung dabei häufig – anders als zum Beispiel ein Arzneimittel – durch unterschiedliche Komponenten. Hierzu kann gehören, dass die Gesundheitskompetenz bei Patient:innen verbessert wird, indem Nebenwirkungen besser eingeschätzt werden. Positive Effekte können aber auch durch eine kontinuierliche, optimierte digitalen Therapiebegleitung entstehen, die zu einer verbesserten Informationslage bei Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen führt. Ein positiver Effekt beschränkt sich demnach nicht per se singulär auf Patient:innen, sondern auf das gesamte Versorgungsnetzwerk. Auch im Bereich der Diagnostik und des Monitorings ist ein hybrider Ansatz häufig sinnvoll. Der Effekt der DiGA selber kann natürlich trotz Einbezug eines Leistungserbringers gemessen werden. Hier spielt eine adäquate Wahl der Vergleichsgruppe eine wichtige Rolle, z.B. indem die DiGA-Studiengruppe mit einer Patientengruppe verglichen wird, die eine Standardbehandlung durch Leistungserbringer:innen ohne Zuhilfenahme einer DiGA erhält. Bei vielen komplexen chronischen Erkrankungen sind Leistungserbringer:innen elementarer Bestandteil von Behandlungspfaden – natürlich auch bei digitalen Gesundheitsanwendungen, die in diesen Feldern Versorgungslösungen anbieten. In Studien sollte ein Outcome-basierter Gesamtnutzen einer DiGA im Vordergrund stehen und ein flexibler Einbezug von Leistungserbringer:innen ermöglicht werden.

Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen brauchen die richtigen Rahmenbedingungen
Neben dem Nachweis von positiven Versorgungseffekten, den DiGA erbringen müssen, sind weitere Faktoren für eine Verankerung in der Versorgung entscheidend. So muss sichergestellt sein, dass für die im BfArM-Verzeichnis aufgeführten erforderliche vertragsärztliche Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Nutzung der DiGA eine entsprechende Vergütung erfolgt. Im Digitale-Versorgung-Gesetz ist festgehalten, dass innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme einer DiGA in das Verzeichnis entweder der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (bei dauerhaft aufgenommenen) anzupassen ist oder die Partner der Bundesmantelverträge (bei vorläufig gelisteten DiGA) eine Vergütung vereinbaren. Während bislang bei dauerhaft aufgenommenen DiGA die 3-Monatszeitspanne beachtet wurde, gibt es derzeit noch immer keine einzige vorläufig gelistete DiGA mit einer spezifischen Vergütung für ärztliche Leistungen. Hier ist dringender Nachbesserungsbedarf an dem derzeit vorgesehen Prozess erforderlich. Für eine Verankerung in der Versorgung müssen Leistungserbringer:innen die erforderlichen Tätigkeiten bei der Nutzung einer DiGA verlässlich vergütet bekommen.

Leistungserbringer:innen spielen aus unserer Sicht auch bei DiGA eine entscheidende Rolle. Wir laden jeden herzlich ein, mit uns in den Dialog zu treten und gemeinsam an der Einbindung von DiGA in die Versorgung zu arbeiten – mit dem Ziel, den größtmöglichen Nutzen in der Gesundheitsversorgung zu etablieren (kontakt@digitalversorgt.de).

Über den Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V.

Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung ist der maßgebliche Branchenvertreter für E-Health-Unternehmen in Deutschland. Er wurde im Dezember 2019 gegründet und vereint über 160 E-Health-Unternehmen. Anspruch des Verbandes ist es, die Interessen der jungen Branche im Gesundheitssystem gegenüber Politik, Akteuren der Selbstverwaltung und weiteren Institutionen auf Augenhöhe zu vertreten. Mehr Informationen erhalten Sie unter digitalversorgt.de sowie auf LinkedIn und Twitter.

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