Mit seiner Klimaschutz-Bilanz vom 11. Januar 2022 hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck deutlich gemacht: Deutschland hinkt seinen Zielen in Sachen „Klimaschutz“ hinterher und muss sein Engagement deutlich steigern, will es diese noch im gesetzten Zeitrahmen erreichen.
Habecks Plan sieht daher vor, den Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2030 erheblich zu steigern – ihr Anteil an der Stromerzeugung soll dann bei 80 Prozent liegen. Gleichzeitig will er die Zahl der E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen auf 15 Millionen erhöhen. Beides ist allerdings nur mit einem massiven Ausbau der Solar- und Windenergie zu schaffen. Und genau hier kommen die Elektrohandwerke ins Spiel. Denn allein um die vom Bundeswirtschaftsminister avisierte Steigerung auf 200 Gigawatt im Photovoltaik-Bereich (PV) zu schaffen – aktuell liegen wir hierzulande bei knapp 60 Gigawatt – und eine etwaige bundesweite PV-Pflicht umzusetzen, braucht es die Unterstützung der 520.000 Beschäftigten in den E-Handwerken! Das gilt auch für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Denn dieser macht die Schaffung von deutlich mehr öffentlichen Ladepunkten, den Ausbau der Stromnetze, vor allem aber auch die Weiterentwicklung der elektrischen Anlagen in Gebäuden und Liegenschaften erforderlich.
Klimaziele: Fachkräftebedarf nicht berücksichtigt
Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) begrüßt Habecks Vorhaben, fordert der Zentralverband doch im Hinblick auf die Energiewende schon seit Langem mehr Tempo und ambitioniertere Ausbauziele. Umso überraschter zeigt sich die elektrohandwerkliche Organisation, dass das Thema „Fachkräftebedarf“ im Programm des Bundeswirtschaftsministers keine Erwähnung findet. Und das, wo es in allen genannten Handlungsfeldern elektrohandwerklicher Kompetenz und Unterstützung bedarf.
Systematischer Ausbau nötig
Um die erhöhten Ziele zu erreichen, ist nach Ansicht des ZVEH ein systematischer Aufbau gut ausgebildeter Fachkräfte im Rahmen eines nachhaltigen, auf den bewährten Strukturen des dualen Ausbildungssystems basierenden, Konzeptes zur Fachkräfteentwicklung notwendig. Hier, wie auch bei weiteren Flankierungsmaßnahmen, ist ganz klar die Politik gefordert!
Kontinuierliches Wachstum der E-Handwerke
Die Elektrohandwerke verzeichnen seit Jahren ein kontinuierliches Wachstum – bei den Beschäftigten auf mittlerweile 520.000, bei den Auszubildenden auf mehr als 45.000. Diesem Wachstum konnte selbst Corona nichts anhaben. Im Gegenteil: Die E-Handwerke legten, gegen den allgemeinen Trend, in puncto Beschäftigte und Auszubildende auch während der Pandemie zu. Das Wachstum ist einer nachhaltigen Nachwuchsarbeit zu verdanken sowie der Tatsache, dass die e-handwerklichen Berufe abwechslungsreich, absolut zukunftssicher und sinnstiftend sind. Zudem sind gerade in den letzten Jahren viele neue und hochspannende Geschäftsbereiche wie zum Beispiel E-Mobilität, Photovoltaik oder Smart Home entstanden. Gleichzeitig hat die elektrohandwerkliche Organisation die Attraktivität ihrer Ausbildung durch die Novellierung der Ausbildungsberufe 2021 und die Schaffung des ganz auf die Herausforderungen von Energiewende und Digitalisierung ausgelegten neuen Berufes „Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration“ gesichert.
Fachkräftebedarf steigt trotzdem weiter
Trotz des organischen Wachstums, einer engagierten Nachwuchsarbeit und aller weiteren Bemühungen nimmt der Fachkräftebedarf in den E-Handwerken zu. Gründe für den zunehmenden Bedarf sind neue Geschäftsfelder (z. B. Smart Home), die Digitalisierung sowie die mit der Energiewende einhergehende zunehmende Elektrifizierung (Installation von PV-Anlagen, Energiemanagementsystemen, Batteriespeichern, Wärmepumpen). So geben in aktuellen Umfragen 60 Prozent der Betriebe im E-Handwerk an, offene Stellen zu haben. So sorgt vor allem die zunehmende Akademisierung dafür, dass sich immer weniger Schulabgänger für eine Ausbildung entscheiden. Der bevorstehende demografische Wandel wird die Situation weiter verschärfen. Fazit: Das bisherige Wachstum der Branche reicht für die neuen Ziele und zusätzlichen Aufgaben bei weitem nicht aus – trotz gesteigerter Effizienzpotentiale durch die Digitalisierung.
Politik in der Pflicht
Hier ist nach Ansicht des ZVEH die Politik dringend gefordert. Denn für ein systematisches Wachstum braucht es langfristige und klare Zielvorgaben. Der Verband hat daher schon vor Jahren gefordert, die Ziele der Energiewende ernst zu nehmen und frühzeitig an deren Umsetzung zu arbeiten, weil kurzfristiges Nachsteuern nicht nur Investitionen, sondern auch einen enormen zusätzlichen Fachkräftebedarf auslöst. Gerade letzterer muss jedoch angesichts des demographischen Wandels und der guten Auftragslage aufgrund der steigenden Elektrifizierung und Digitalisierung frühzeitig geplant werden.
Auch dürfen Ziele nicht permanent verändert werden, denn das Handwerk und seine Betriebe brauchen vor allem eines: Planbarkeit und Verlässlichkeit. Das gilt auch für die anderen, an der Energiewende beteiligten Gewerke. Alle betroffenen Handwerke und deren Organisationen und Verbände gilt es, an einen Tisch zu holen, denn die Fachkräfteplanung und -qualifizierung für die Energiewende ist eine gewerkeübergreifende Aufgabe!
Wie schädlich kurzfristige politische Kehrtwenden sein können, hat nicht zuletzt die Deckelung des Erneuerbare-Energien-Ausbaus gezeigt, durch den der PV-Ausbau seinerzeit fast zum Erliegen kam. Des Weiteren muss es darum gehen, den Aufwand für die Umsetzung der Klimaziele möglichst gering zu halten. Ein gutes Beispiel ist, nicht nur die Solaranlagen, sondern auch die Ladeinfrastruktur bereits bei der Planung von Neubauten und umfassenden Sanierungen „mitzudenken“ – und das sowohl in Bezug auf die entsprechende Infrastruktur als auch auf die Dimensionierung der elektrischen Anlage. Zudem sollte der Bürokratie- und Verwaltungsaufwand für alle Maßnahmen so gering wie möglich gehalten werden.
Was die E-Handwerke konkret fordern
Und last but not least braucht es erhebliche politische Flankierungsmaßnahmen, die helfen, die Zahl der Elektrofachkräfte langfristig weiter deutlich zu steigern. Denn der benötigte Fachkräfteausbau erfolgt nicht über Nacht, sondern nur über viele Jahre hinweg und ist daher nicht mit kurzfristigen Maßnahmen zu lösen.
Die elektrohandwerkliche Organisation fordert daher als konkrete Maßnahmen:
- die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Ausbildung, um die handwerkliche Ausbildung attraktiv zu halten.
- eine Analyse seitens der Politik, wie viele zusätzliche Fachkräfte im Handwerk zur Umsetzung der Energiewende benötigt werden. Diese sollte unter Einbindung einschlägiger Handwerksinstitute sowie des ZVEH erfolgen.
- Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen für Elektrofachkräfte.
- Investitionen, um die Qualität und technische Ausstattung der beruflichen Bildungsstätten zu verbessern. Zudem muss die Qualität der Ausbildung dadurch weiter verbessert werden, dass die Anzahl der Lehrkräfte in den Berufsschulen gesteigert sowie die Qualifikation der Lehrenden (digitale Kompetenzen etc.) sichergestellt wird.
- Investitionssicherheit, damit handwerkliche Betriebe ihre Mitarbeiter in Zukunftsthemen im Bereich der Energiewende aus- und weiterbilden können.
- Fördersysteme im Bereich der Energiewende müssen einfach ausgestaltet, verlässlich und langfristig angelegt sein, sodass die Energiewende für Kunden attraktiv ist und auch vom Handwerk als attraktiv wahrgenommen wird.
Was macht die elektrohandwerkliche Organisation?
Für den ZVEH hat das Thema „Fachkräftebedarf“ mit Hinblick auf die Energiewende in den kommenden Monaten auch in der Verbandsarbeit oberste Priorität. Er wird daher das Gespräch mit Politik-Vertretern suchen, um sie auf die mit der Fachkräfteentwicklung verbundenen Herausforderungen hinzuweisen, und sich darüber hinaus auch ganz konkret in die Suche nach Maßnahmen und Konzepten einbringen.
„Die Pläne von Robert Habeck sind ambitioniert, aber nicht unerreichbar. Unabdingbar für den Erfolg ist jedoch, dass die Zahl der für die Energiewende benötigten Fachkräfte schnell steigt. Vor uns liegen entscheidende Jahre für den Klimaschutz. Wir müssen daher möglichst schnell die Weichen für eine konsequente und langfristige Fachkräfteentwicklung stellen“, so ZVEH-Präsident Lothar Hellmann.
Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) vertritt die Interessen von 49.949 Unternehmen aus den drei Handwerken Elektrotechnik, Informationstechnik und Elektromaschinenbau. Mit 515.715 Beschäftigten, davon 45.284 Auszubildende, erwirtschaften die Unternehmen einen Jahresumsatz von 68,4 Milliarden Euro. Dem ZVEH als Bundesinnungsverband gehören zwölf Landesverbände mit 313 Innungen an.
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