Im Audi Dieselskandal rund um die 3,0 und 4,2 Liter Motoren tickt die Uhr. Bereits mit Ablauf des 31.12.2021 können Schadensersatzansprüche gegen die Audi AG in vielen Fällen verjähren. Betroffene bangen daher um ihre Rechte und sind teilweise geneigt, sich vermeintlich unkomplizierten und risikolosen sogenannten Sammelklagen anzuschließen. Doch es ist Vorsicht geboten. „Solche Verfahren führen oftmals aus verschiedenen Gründen nicht ans Ziel. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte besser seine Ansprüche bald und individuell durchsetzen“, warnen Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert, Partner der im Verbraucherschutzrecht tätigen Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte aus Nürnberg.

Schätzungsweise rund 250.000 Stück der mit einem 3,0 Liter V6 oder 4.2 Liter V8 Dieselmotor der Audi AG bestückten Fahrzeugmodelle der Marken Audi, Porsche und Volkswagen sind nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgerüstet. Bei vielen Modellen ergingen demgemäß bereits im Jahr 2018 Rückrufe des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) und in deren Folge Rückrufschreiben der Hersteller. Danach wird nach der derzeitigen Rechtsauffassung vieler Gerichte bereits Ende 2021 die dreijährige Verjährungsfrist ablaufen. „Wer bislang noch nichts unternommen hat, sollte vor dem Hintergrund zahlreicher positiver Schadensersatzurteile gegen die Audi AG im gesamten Bundesgebiet auf jeden Fall sehr schnell handeln, um am Ende nicht leer auszugehen“, mahnt Rechtsanwalt Dr. Marcus Hoffmann.

Bei Massenschäden scheinen Massenverfahren auf den ersten Blick ein probates Mittel zur Durchsetzung von Rechten geschädigter Verbraucher gegenüber Großunternehmen zu sein. Das deutsche Zivilprozessrecht sieht für Besitzer betroffener Autos, die Ansprüche gegen den Hersteller rechtssicher durchsetzen wollen, jedoch schlicht keine Sammelklage vor. Hieran ändert auch die mit Blick auf eine etwaige Verjährung im VW Dieselskandal eilig zusammengeschusterte Musterfeststellungsklage nichts. Denn in diesem Verfahren werden keine Schadensersatzansprüche ausgeurteilt, sondern lediglich bestimmte Tatsachen durch das Gericht festgestellt.

Daher gibt es insbesondere im Zusammenhang mit dem Dieselskandal mannigfaltige Bestrebungen, diese Rechtstatsache zu umgehen. Insbesondere wird versucht, im Wege von Abtretungskonstruktionen die Ansprüche auf Zweckgesellschaften zu bündeln, wobei immer mit einer kostenlosen und völlig risikolosen Rechtsdurchsetzung geworben wird. Wenn die Sammelklage keinen Erfolg hat, muss der Verbraucher nichts zahlen. Im Erfolgsfalle sollen „faire“ und „angemessene“ Beteiligungen für den Prozessfinanzierer im Bereich zwischen 20 und 35 Prozent des wirtschaftlichen Gewinns anfallen. Für den Verbraucher erweisen sich derartige Anpreisungen leider oftmals als nichts anderes als eine reine Milchmädchenrechnung.

Wenn im Wege des sog. großen Schadensersatzes auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich des Nutzungsersatzes für die gefahrenen Kilometer gegen Rückgabe des Kfz geklagt wird, bestimmt sich der wirtschaftliche Vorteil für den Geschädigten aus der Differenz zwischen dem zugesprochenen Schadensersatzbetrag (Kaufpreis abzüglich Nutzungsersatz) und dem aktuellen Wiederverkaufswert des Fahrzeugs. 

Diese Differenz entspricht erfahrungsgemäß genau der Erfolgsbeteiligung des Prozesskostenfinanzierers. Damit steht der Autobesitzer wirtschaftlich betrachtet in vielen Fällen genau so da, als wenn er sein Auto schlicht und einfach verkauft hätte. „Warum also sollte der jeweils Betroffene den Prozess überhaupt führen lassen, nachdem die einzigen, die an dem Verfahren regelmäßig verdienen, die Anwälte und die Prozessfinanzierungsgesellschaften sind“, fragt sich Rechtsanwalt Mirko Göpfert. 

Ebenso – jedenfalls für den Geschädigten – wirtschaftlich wenig zielführend werden sich aller Voraussicht nach Konstruktionen erweisen, in denen auf den sog. kleinen Schadensersatz geklagt wird. Dort sollen die Teilnehmer der „Sammelklage“ ihr Auto behalten und als Schadensersatz einen gewissen Prozentsatz des Kaufpreises erhalten, wobei oftmals mit Schadensersatzzahlungen „bis zu“ 20 oder 25 Prozent geworben wird. Natürlich streicht auch in diesem Fall die jeweilige Finanzierungsgesellschaft einen nicht unerheblichen Prozentsatz der Schadensersatzzahlung als Erfolgshonorar ein. 

Der BGH hat zwar mit Urteil vom 06.07.2021, VI ZR 40/20, bestätigt, dass Betroffene des Abgasskandals das Auto nicht zurückgeben müssen, sondern auch eine Entschädigung für den mit der illegalen Motorsteuerung verbundenen Minderwert des Wagens verlangen können. Nach der Auffassung des BGH ist bei der Bemessung der Entschädigung maßgeblich, was das Auto aktuell wert ist, wobei gegebenenfalls die nachgerüstete neue Motorsteuerung werterhöhend und ihre Nachteile wertmindernd berücksichtigt werden. Die Differenz zwischen dem aktuellen Wert und dem Wert eines Wagens mit von Anfang an legaler Motorsteuerung hat der Hersteller auszugleichen. Auch wenn derzeit noch offen ist, wie die Instanzgerichte den Minderwert im Einzelfall bemessen werden, steht nach der Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte aufgrund der Ausführungen des BGH zu erwarten, dass den Geschädigten weit weniger als 25 Prozent des Kaufpreises zugesprochen werden wird. 

Neben diesen wirtschaftlichen Erwägungen bergen derartige Massenverfahren auch ganz erhebliche Verjährungsrisiken. Viele Gerichte im gesamten Bundesgebiet halten die Abtretungen der Schadensersatzansprüche bei Sammelklagen für unwirksam. „Wenn die Abtretung unwirksam ist, hat die Klage keinerlei verjährungshemmende Wirkung. Mit Ablauf des 31.12.2021 sind die Ansprüche der Geschädigten sodann verjährt, obgleich sie darauf vertraut haben, dass für sie ja alles erledigt wird“, warnt Rechtsanwalt Göpfert. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits in seinem Urteil vom 29.10.2009, Az.: I ZR 191/07, entschieden, dass im Falle einer unwirksamen Abtretung die Klage eines – sodann ja – Nichtberechtigten gerade nicht zu einer Hemmung der Verjährung führt.

Es zeigt sich also, dass „Sammelklagen“ insbesondere wegen der bereits mit Ablauf des 31.12.2021 drohenden Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen die Audi AG nicht nur wirtschaftlich regelmäßig wenig bis gar keinen Sinn machen, sondern auch nicht unerhebliche Verjährungsrisiken bergen. Betroffene sollten ihre Ansprüche daher besser mit Hilfe eines auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts fachkundigen Rechtsanwalts zeitnah und individuell durchsetzen. 

Über Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft

Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte sind ausschließlich auf dem Gebiet des Verbraucherschutz-, Bank- und Kapitalanlagerechts tätig. Ihr Schwerpunkt liegt seit mehreren Jahren insbesondere im Bereich des sogenannten Abgasskandals. Die fachspezifisch erfahrenen Anwälte vertreten ausnahmslos Verbraucher gegenüber großen Wirtschaftsunternehmen und Banken. Sitz der Kanzlei ist Nürnberg.

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