Der „Revolution Train" macht in einer überarbeiteten Version erneut Station in Berlin. Dieser sogenannte Anti-Drogen-Zug ist laut Beschreibung des Initiators, dem Stiftungsfond Neues Tschechien, „ein multimedialer mobiler Zug, der in interaktiver Form Suchtprävention für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 – 17 Jahren ermöglicht." (Quelle: http://www.revolutiontrain.cz/…). In den zu multimedialen Erlebnisräumen umgestalteten sechs Waggons soll in unterschiedlicher Weise die Lebenswelt von suchtmittelkonsumierenden Menschen für Schüler*innen aber auch für Familien mit Kindern zwischen 10 und 17 Jahren erlebbar gemacht werden. Beginnend mit einem harmlosen Konsumeinstieg werden immer drastischere Stationen des Suchtmittelkonsums verfolgt, bis hin zum Tod eines Protagonisten. Es werden Situationen von Verwahrlosung, Kriminalität, Prostitution und letztendlich Tod, wie eine Zwangsläufigkeit dargestellt, gezeigt.

Was ist gute Suchtprävention?

Gute und wirkungsvolle Suchtprävention setzt in der Lebenswelt von jungen Menschen und Erwachsenen an und thematisiert alltagsbezogen riskantes Konsumverhalten. Suchtprävention hat zum Ziel, den verantwortlichen Umgang mit Suchtmitteln, den Einstieg in den Konsum von Suchtmitteln zu vermeiden oder hinauszuzögern, riskantes Konsumverhalten möglichst früh zu erkennen und ihm entgegenzuwirken und den schädlichen Konsum und Abhängigkeit zu verringern bzw. zu verhindern. Dabei ist nicht nur wichtig, zu informieren, sondern Menschen im kritischen Umgang mit Substanzkonsum zu stärken und ihnen Kompetenzen „an die Hand" zu geben, sich mit ihrem eigenen Handeln auseinander zu setzen. Hierfür gibt es erprobte spezifische Qualitätsstandards.

Fragwürdiges Konzept „Revolution Train"

Im Falle des Revolution Trains geht die Darstellung der Inhalte an der Lebenswelt der Zielgruppe vorbei. In verschiedenen Aspekten wird auch deutlich: der Revolution Train entspricht nicht den aktuellen Standards der Suchtprävention sowie den Kriterien evidenzbasierter Suchtprävention.

  • Der „Revolution Train" setzt auf das Konzept der Abschreckung. Dieser Ansatz erweist sich als wenig wirksam und gilt seit Jahrzehnten im Sinne einer gelingenden Suchtprävention als überholt und genügt somit nicht den fachlichen Anforderungen.
  • Lebenswelten der potentiellen Teilnehmenden und Konsumgründe werden nicht beachtet. Die plakative Darstellung extremer Lebensverläufe von Drogenkonsument*innen sowie die Thematisierung von Substanzen wie Ecstasy, Crystal und Heroin entsprechen nicht den Lebenswirklichkeiten Berliner Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren und stellen daher eine nicht zielgruppengerechte Bearbeitung des Themas dar.
  • Es wird suggeriert, dass bei Drogenkonsum der Weg in die Kriminalität, in die Abhängigkeit bis in den Tod vorbestimmt ist.
  • Die Abstimmung des Angebotes mit den Strukturen und Angeboten vor Ort sowie die Einbeziehung des gesamten Systems (z.B. Lehrer*innen, Eltern) ist nicht gegeben.
  • Es ist nicht erkennbar, inwiefern die Selbstreflexion der Teilnehmenden angeregt wird und interkulturelle Aspekte sowie regionale Besonderheiten beachtet werden.

Es sind keine wissenschaftlichen Nachweise (Evaluationen) zur Wirksamkeit bekannt. Trotz der bearbeiteten Version bleibt das Grundkonzept des Revolution Trains gleich – daher kann sich unsere Stellungnahme aus fachlicher Sicht nicht ändern.

Fazit: Nicht empfehlenswert

Der Revolution Train wird als suchtpräventive Maßnahme von verschiedenen Fachkräften als kritisch beurteilt und als nicht empfehlenswert eingestuft. Diverse Fachorganisationen (darunter: EUSPR (European Society for prevention research), Sächsischen Landesstelle für Suchtfragen, thüringischen Landesstellen der Suchthilfe, tschechisches Ministerium für Schulwesen, tschechischer Dachverband für die Suchthilfe) sprechen sich gegen eine Durchführung aus.

Das Angebot steht nicht in Einklang mit den Methoden und Zielen moderner suchtpräventiver Arbeit, ist unwirksam und im schlimmsten Fall sogar schädlich. Aus diesen Gründen rät auch die Fachstelle für Suchtprävention Berlin von der Nutzung des Revolution Trains ab.

Berlin verfügt über ein breites Angebot an suchtpräventiven Projekten und Programmen, die von Schulen, Jugendeinrichtungen, Familienzentren, Sportvereinen und anderen Institutionen genutzt werden können. Weitere Informationen finden alle Interessierten u.a. auf www.berlin-suchtpraevention.de

Quellen und weitere Informationen:
• EUSPR (2019): Position der Europäischen Gesellschaft für Präventionsforschung zu ineffektiven und potenziell schädlichen Ansätzen in der Suchtprävention. Online verfügbar unter: https://euspr.org/position-euspr-on-harmful-approaches/ (abgerufen am 29.10.2021)
• Bühler, A. et al. (2020): Expertise zur Suchtprävention 2020. In: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
• Orth, B. & Merkel, C. (2020). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2019. Rauchen, Alkoholkonsum und Konsum illegaler Drogen: aktuelle Verbreitung und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

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