Die Geschichte der Historienmalerei steht in einer langen Tradition. Wie kaum ein anderes Genre wird es von den sich stetig verändernden gesellschaftlichen und politischen Ansprüchen geprägt. Doch wie verarbeiten Künstlerinnen und Künstler politische Ereignisse aus der unmittelbaren Gegenwart? Der Fokus des neuen CLOSE UP liegt auf drei Arbeiten von Bettina Semmer, Armin Boehm und Dierk Schmidt aus der Sammlung Gegenwartskunst des Städel Museums. Sie stehen stellvertretend für den künstlerischen Umgang mit aktuellen Ereignissen in der Malerei – für zeitgenössische Historienbilder. Die gewählten Themen der Künstlerinnen und Künstler sind immer noch relevant: Vom Olympia-Attentat von 1972 über ein tragisches Schiffsunglück, bei dem hunderte Geflüchtete 2001 ums Leben kamen, bis hin zu einer Darstellung der Region Zhawar Kili, in der eine Basis der Taliban oder Al-Qaida verortet und die zwischen 1998 und 2002 bombardiert wurde. Trotz ihrer unterschiedlichen Themen und künstlerischen Ansätze haben Semmer, Boehm und Schmidt in ihrer Vorgehensweise eines gemeinsam: Sie verändern und erweitern die historische Vorlage mit den Mitteln der Malerei. Sie konfrontieren die Betrachterinnen und Betrachter, machen Unsichtbares sichtbar und zeigen verschiedene Perspektiven auf. Die Grenzen zwischen objektiver Wiedergabe und subjektiver Einfluss- bzw. Stellungnahme sind dabei fließend. Ihre Malerei verlässt das Dokumentarische und entwickelt eigene Erzählweisen. Mit den Mitteln der Kunst fordern sie – direkt oder indirekt – aktiv dazu auf, selbst Stellung zu beziehen.

„Der Kunst- und Vermittlungsraum CLOSE UP verändert sich fortwährend und speist sich aus den vielfältigen Themen der Sammlung Gegenwartskunst. In der neuen Präsentation liegt der Schwerpunkt auf politischer Kunst. Die ausgewählten Werke widmen sich historischen Ereignissen von 1972 bis 2002. Wie hochaktuell die in CLOSE UP behandelten Themen sind, hat auch dieses Jahr gezeigt: vom Nahost- über den Afghanistankonflikt bis hin zur Krise der Asylpolitik. Zugleich haben sich die gesellschaftlichen Ansprüche an die Kunst sowie an Künstlerinnen und Künstler verändert. CLOSE UP bietet die Möglichkeit, sich selbst durch digitale und analoge Vertiefung übergreifende Zusammenhänge zu erschließen“, erläutern die beiden Projektleiterinnen Anne Dribbisch, Bildung und Vermittlung, und Svenja Grosser, Sammlung Gegenwartskunst.

Im innovativen Kunst- und Vermittlungsbereich CLOSE UP sind die Besucherinnen und Besucher eingeladen, vor den originalen Arbeiten selbstständig zu recherchieren: Wie gehen wir mit Bildern von Terror um? Welche Aufgabe haben Medien und welche Rolle kann die Malerei einnehmen? Wie verhält sich der Künstler zu seinem Werk: Ist er Aktivist, Vermittler oder neutrale Instanz? Im Zentrum steht die Beschäftigung mit Themen rund um Erinnerungskultur und das kollektive Gedächtnis sowie die Einordung der Macht und Rolle von Bildern als Träger von Informationen oder Reproduktionsmittel von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen. Dabei setzt CLOSE UP auf das Zusammenspiel von originalen Kunstwerken, Wandtexten und einer digitalen Anwendung. Das breite Spektrum der digitalen Vermittlung – von Ausstellungsfilmen über Interviews mit Künstlerinnen und Künstlern bis hin zur Digitalen Sammlung – ergänzt die Begegnung mit den Originalen im Museumsraum. Die aktivierende digitale Anwendung steht vor Ort sowie als mobile Version für das eigene Endgerät jetzt auch für zu Hause zur Verfügung. Darüber hinaus ergänzen Führungen das Angebot in CLOSE UP. Sie beziehen die verschiedenen Module mit ein und fordern zum gemeinsamen Gespräch über die unterschiedlichen künstlerischen Ansätze auf.

CLOSE UP spricht das Publikum mit seinen vielfältigen Erwartungen und Vorkenntnissen an. Auch wenn die Werke der Gegenwartskunst der Lebensrealität der heutigen Besucherinnen und Besucher am nächsten sind, haben die Erfahrungen in der aktiven Vermittlungsarbeit der letzten Jahre gezeigt, dass die Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst häufig mit Schwierigkeiten verbunden ist. Das Konzept hinter CLOSE UP setzt an dieser Stelle an und ermöglicht dem Publikum sowohl einen individuellen, niedrigschwelligen und zum Teil spielerischen Zugang als auch eine intensive Beschäftigung – eine Art Selbststudium der Kunst mit ihren Themen und Diskursen.

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