Das genaue Prüfen von Abrechnungen von Pflegediensten und Vertragsärzt:innen ist bisher sehr aufwändig; einen Betrug zu entdecken mit viel komplexer, manueller Papierarbeit verbunden. Gleichzeitig ist es aufgrund der besonderen Situation in der Pflege (demente Patient:innen, viele »kleine« Leistungen) schwierig, bei einzelnen Leistungen eine Beanstandung nachzuweisen. Hinzu kommt, dass es den Patient:innen mit zunehmender Pflegebedürftigkeit schwerfällt, die Abrechnungen selbst zu prüfen und nicht oder fehlerhaft erbrachte Pflegedienstleistungen anzuzeigen. Zu alledem macht die Intransparenz des Abrechnungswesens das System insgesamt manipulationsanfällig. Viele Aspekte und Ebenen, die Herausforderungen und Hürden mit sich bringen.
Machine Learning Verfahren unterstützt smarte Betrugserkennung
Das Verbundprojekt »PflegeForensik« mit dem Untertitel »Effektive Strafverfolgung bei Pflegebetrug durch automatisierte Bildverarbeitung« stellt sich diesen Herausforderungen und wird dabei vom BMBF im Rahmen des Programms »Forschung für die zivile Sicherheit« gefördert. Forschende des Fraunhofer ITWM unterstützen mit modernen Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) im Bereich der Bild- sowie Texterkennung bei der Strafverfolgung.
Kernziel des Projektes ist das Entwickeln von Algorithmen zum automatischen Einlesen und intelligenten Auswerten der Papierberge. Denn bisher hat jeder Pflegedienst seine eigenen Papierdokumente, diese sind unterschiedlich aufgebaut und meist liegt wenig digital vor. Sie werden teilweise handschriftlich ergänzt, mal sind es Tabellen, mal Fließtext. Ein automatisiertes Prüfen ist eine echte Herausforderung. »Bisher werden die verschiedenen Dokumente manuell in Tabellen übertragen und geprüft. Mit Bildverarbeitung kann man hier einiges automatisieren. Sowohl die Dokumentenstruktur lässt sich mit intelligenten Algorithmen erfassen, als auch die Inhalte. Beispielsweise kann man so Unterschriften in Dokumenten finden und sie den richtigen Mitarbeitenden zuordnen«, erklärt Dr. Henrike Stephani, stellvertretende Leiterin der Abteilung »Bildverarbeitung« beim Fraunhofer ITWM.
KI-Spürhund für Abrechnungen in der Pflege
Die Abrechnungsunterlagen sind zudem ein Zusammenspiel aus Leistungsnachweisen, Tourenplänen, Dienstplänen und anderen Unterlagen – diese gilt es bei der Prüfung zu kombinieren, um einen Betrug aufzudecken. »Eine Auffälligkeit kann dann zum Beispiel darin bestehen, dass im Leistungsnachweis viele Leistungen des Pflegenden gleichzeitig abgerechnet wurden, aber der Dienstplan nur einen kurzen Einsatz listet. Solche Besonderheiten müssen wir automatisiert finden«, so Dr. Elisabeth Leoff, stellvertretende Leiterin der Abteilung »Finanzmathematik« beim Fraunhofer ITWM.
»Unser gemeinsames Forschungsvorhaben soll die zeit- und arbeitsaufwändige Auswertung der Beweismittel abkürzen, indem die händische auf eine automatisierte Erfassung und Auswertung von Pflegedienstdokumenten verlagert wird«, erklärt Steffen Leitte, Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. »Dabei sind KI-Expertise und Mathematik gefragt.«
Im Forschungsprojekt kommen Machine Learning (ML) Methoden zum Einsatz, vor allen Dingen in der digitalen Erfassung der verschiedenen Dokumentenarten. Gearbeitet wird dabei mit einer Kombination von Bildverarbeitungsverfahren und modernen Verfahren des sogenannten Deep Learnings. Verschiedene Algorithmen lernen aus einer Mischung von künstlichen und anonymisierten echten Daten entscheidende Informationen erst zu erkennen und dann Auffälligkeiten aufzuspüren. Zum Trainieren dieser KI-Algorithmen wird vom ITWM-Team und der Polizeidirektion Leipzig eine Datenbank befüllt. Das heißt: Mehrere tausend Dokumente müssen von Menschen erstellt und mit Eigenschaften markiert worden sein, um den Algorithmus überhaupt intelligent zu gestalten. Die Algorithmen werden programmiert und immer wieder mit Daten aus echten Ermittlungsverfahren getestet und verbessert. Auf der Analyse der Dokumente setzt dann die Auswertung und Auffälligkeitsdetektion auf.
Software vereinfacht und beschleunigt Arbeit der Strafverfolgungsbehörden
Aber mit Algorithmen allein ist die Arbeit nicht getan: »Am Ende wollen wir den Ermittelnden ein Softwaretool an die Hand geben, das hilft die Betrugsfälle schneller systematisch aufzudecken. Dieses muss für Staatsanwaltschaft und Polizei einfach zu bedienen sein und möglichst gerichtsfeste Ergebnisse liefern. Außerdem darf die Rechenzeit nicht zu lange dauern, da die Polizei in der Lage sein soll, die Software eigenständig für unbekannte Formate schnell nachzutrainieren. Was bei Deep Learning Verfahren heute häufig noch schwierig sein kann«, betont Leoff.
Das Forschungsprojekt startete am 01.01.2021 und läuft zwei Jahre. Erste Arbeitsergebnisse zeigen bereits jetzt deutliche Projektfortschritte auf dem Weg zu einer Software, die in Zukunft die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden vereinfacht, aber auch von Kranken- und Pflegeversicherungen zur Prüfung der Abrechnungsunterlagen eingesetzt werden kann.
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